Victoria von Schweden:Im Schatten der Königin

Als Mann von Kronprinzessin Victoria muss Daniel Westling sich in Demut üben - eine Prinzenrolle, die kaum einem Amtskollegen schmeckt.

Claudia Fromme

Es war einer dieser depressiven Tage im schwedischen Winter. Die Nachricht von der Insolvenz des Autobauers Saab beschwerte die Gemüter, aus den Ländern des Baltikum wehte ein neuer scharfer Krisenwind herüber.

Victoria von Schweden; Im Schatten der Königin

Er ist und bleibt im Hintergrund: Daniel Westling wird nur eine Nebenrolle an der Seite der zukünftigen schwedischen Königin spielen.

(Foto: Foto: Reuters)

Aber dann tauchte Carl XVI. Gustaf sein Reich in wohliges rosa Licht: Er verkündete, dass Kronprinzessin Victoria ihren Fitnesstrainer heiraten darf. In Schweden interessierte sich an jenem Dienstag von da an kaum einer mehr für die Krise. Wer nicht zum Stockholmer Schloss getrabt war, klickte die königliche Videobotschaft auf der Homepage des Palastes an.

Darin sind vier Menschen zu sehen, die lächelnd an einem spreizbeinigen Rokkokotisch sitzen. Zuerst lobt der König den "besonderen Tag für Schweden". Dann empfängt Königin Silvia ihren Schwiegersohn mit "offenen Armen". Und dann - spricht Daniel Westling. Vor der Kronprinzessin! Eine nette Geste des schwedischen Hofes. Westling sollte die Erinnerung daran in seinem Herzen bewahren und in Stunden des Zauderns hervorholen - nach der Hochzeit wird er das Privileg nicht mehr genießen.

Das höfische Protokoll sieht vor, dass der Prinzgemahl im Schatten der Königin steht. Artig las Westling denn auch von einem Zettel ab: "Meine Aufgabe ist es, die Kronprinzessin bei ihrer wichtigen Arbeit für Schweden zu unterstützen." Damit ist alles gesagt, das ist seine Jobbeschreibung. Wenn Westling im nächsten Jahr Victoria heiratet, wird er Prinz Daniel werden und Herzog von Västergötland. Wie ihm die Prinzenrolle schmecken wird, ist eine andere Frage. Der Job im Schatten der Königin ist kein einfacher: Westlings Kollegen in Europa, das muss man so sagen, sind entweder krank, zynisch oder wunderlich geworden.

Prinz Henrik will auch wichtig sein

Wie es sich anfühlen könnte als Prinzgemahl, kann sich Westling in Dänemark anschauen. Dort sitzt Prinz Henrik und schmollt seit 41 Jahren, also seit der Hochzeit mit Margrethe II. Seither versucht er, seine Position aufzuwerten. Er habe es satt, vom "Zigarettengeld" seiner Frau abhängig zu sein, nölte er die Regierung so lange voll, bis die ihm eine Apanage gewährte. Es ist die erste eines dänischen Prinzgemahls. 2002 aber wurde es brenzlig. Die Königin erkrankte und so lud das Protokoll Kronprinz Frederik zum Neujahrsempfang. Henrik zog erbost auf sein französisches Weingut.

Journalisten sagte er, dass es eine Frechheit ist, dass nun schon sein Sohn wichtiger sei als er. Sechs Wochen lang verschanzte er sich, schwänzte sogar die Hochzeit von Prinz Alexander und Maxima in Holland. Soviel Rebellion kam nicht gut an im Hochadel. Margrethe löste die Sache diplomatisch, sagte öffentlich, dass ihr Mann für sie "immer an erster Stelle" stehe. Eine durchsichtige Taktik, aber: Henrik kam zurück. Nicht alle Dänen freuten sich.

Auf der nächsten Seite: Daniel Westling bekommt ein spezielles Vorbereitungstraining, Prinz Philip fiel vor allem durch Ungehobeltheiten auf, und Prinz Claus zerbrach an seiner Rolle.

Im Schatten der Königin

Auch wenn es Prinz Henrik zuweilen an Contenance mangelt, ist es nicht so, dass er eine lange Einführung ins Hofzeremoniell brauchte. Schließlich kam er als Henrie Marie Jean André Graf de Laborde de Monpezat zur Welt. Heute haben die Schlösser ihre Brücken heruntergelassen, die Bürgerlichkeit hält Einzug; in Norwegen wird ein Partygirl Königin, in Dänemark eine Juristin, in den Niederlanden eine Bankerin.

Ein Fitnesstrainer fehlte noch im Portfolio des Hochadels. Westling muss sich seine Rolle mühsam erarbeiten - wie alle Bürgerlichen. Anruf im Stockholmer Schloss, die Dame am Telefon wiegelt freundlich ab, nein, ein Training wird es für Daniel Westling nicht geben. Es sei ja auch noch Zeit bis zur Hochzeit. Erstmal freue man sich über die gute Nachricht. Hej då! Auf Wiederhören!

Neuer Versuch, diesmal bei Jenny Alexandersson. Sie ist der mediale Leibwächter der Kronprinzessin. Seit sechs Jahren ist sie bei Svenks Damtidning, der schwedischen Damenzeitung, Victoria-Korrespondentin, reist mit ihr um die Welt. "Natürlich wird es ein Training für Daniel Westling geben", sagt die 33-Jährige. Es sei sogar eine Arbeitsgruppe am Hof gebildet worden. Etikette, Sprachen und Historie stünden auf dem Plan.

Offiziell bestätigen würde das natürlich keiner. "Vielleicht auch", meint sie, "weil Victoria ihn schon seit vier Jahren trainiert". Westling habe sich sehr verändert, sagt die Hofberichterstatterin, und meint damit nicht, dass er statt Ballonseide nun Anzüge trägt. Früher sei er vor Kameras weggerannt, heute sei er viel souveräner geworden. Er richte sich nicht mehr so sehr danach, was andere von ihm denken.

Und so ist man schon bei den Briten. Dort übt sich der Herzog von Edingburgh seit mehr als 60 Jahren an der Seite von Elisabeth II. in Zynismus. Der griechische Prinz gibt nichts auf political correctness, wofür ihn selbst Royalisten bewundern, beherrscht er das Protokoll doch ansonsten aus dem Effeff. Immer geht er einen Schritt hinter seiner Frau.

Das ist nicht immer gut, denn so hat sie ihn nicht im Blick. Einer Gruppe britischer Studenten in Peking riet er einmal bei einem Empfang: "Bleibt nicht zu lange hier, sonst kriegt ihr noch Schlitzaugen." Zur Eröffnungsfeier von Olympia 2012 in London werde er nicht erscheinen, kündigte er vor einer Weile an, das sei "Zeitverschwendung". Es gibt ganze Bücher seiner Ungehobeltheiten. Elizabeth II. ruft ihn, so die Kolportage, hinter Palastmauern zur Ordnung. Philip soll das schnuppe sein.

Ob Daniel Westling mit seiner Rolle zurechtkommt? Jenny Alexandersson ist davon überzeugt. "Er ist ein Mensch, der gern im Hintergrund ist", sagt sie. Von dort aus könne er sich in Ruhe zum Beispiel um die Förderung des Sports kümmern. Charity, die Kernkompetenz der Angeheirateten. Viele Frauen gehen darin auf, Königin Silvia macht sich für Kinder stark.

Masako von Japan aber, die Diplomatin mit Harvardstudium, erkrankte an der Schattenrolle. Westling werden keine akademischen Weihen im Weg stehen, er ist Kind einfacher Eltern aus Ockelbo, studiert hat er nie. Die Rolle des Prinzgemahls sei nicht übel, sagt Jenny Alexandersson: "Auf ihm lastet weniger Druck als auf der Königin." Er habe mehr Freiheiten - aber auch weniger Aufgaben.

Prinz Claus zerbricht an der Rolle

Damit ist man beim traurigsten Kapitel der neueren Adelsgeschichte. Claus von Amsberg, ein deutscher Diplomat, heiratete 1966 seine große Liebe, die niederländische Kronprinzessin Beatrix. Die unbeschwerte Zeit endete, als Beatrix 1980 Königin wurde. Als Prinzgemahl bekam er rein zeremonielle Pflichten zugewiesen, er litt darunter, keine substantielle Aufgabe mehr zu haben. Nach der Lockheed-Affäre seines Schwiegervaters Bernhard hatte das Parlament 1976 den diplomatischen Spielraum des Prinzgemahls stark eingeschränkt. Claus litt an schweren Depressionen, Zeit seines Lebens war er von Krankheit gezeichnet, am Ende von Parkinson. Der "traurige Prinz", so nannten ihn die Niederländer, starb im Jahr 2002.

Streiter aller Prinzgemahle, der traurigen, der zynischen und der wunderlichen, ist Henrik von Dänemark. Mehr als einmal monierte er, dass die Gattin eines Königs Königin heißt, der Gatte einer Regentin aber nur Prinz sei. Es gibt Ausnahmen wie die Prinz Ferdinands, der durch seine Heirat 1837 mit Maria II. von Portugal zum König wurde, die Regel ist aber, dass ein König einer Königin formal überstellt ist. Einen eingeheirateten König kann es nicht geben, sonst wäre er ja der Chef.

Einmal, als er sich wieder einmal zu wenig wertgeschätzt fand, forderte Prinz Henrik aus einer seltsamen Laune heraus eine Gewerkschaft der Königinnengatten. Die Dänen haben herzlich gelacht.

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