Verwechslungen:Die guten Menschen vom Compact Verlag

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Imke Junack (stehend, rechts) und ihre Mitarbeiter beim Compact Verlag. Viele von ihnen haben Sprachen studiert, manche kommen aus Familien, die nach Deutschland eingewandert sind. Ausgerechnet ihnen wird jetzt vorgeworfen, Fremdenhass zu schüren. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Ein kleiner Verlag aus München macht Bücher für weltoffene Kunden - doch er heißt genauso wie das rechte Magazin, das über Flüchtlinge herzieht. Zu Besuch bei Buchmenschen, die der Verzweiflung nahe sind.

Reportage von Benedikt Peters

Es war dieser Tag im Winter vor zwei Jahren, an dem ihr bewusst wurde, dass es so nicht mehr weiterging. Ein Wochenende, das Telefon klingelte. Imke Junack nahm ab und hörte eine besorgte Stimme.

"Kind! Wo bist du da reingeraten?"

Es war Junacks Vater, und der alte Mann machte sich Gedanken. Er kannte doch seine Tochter und wusste von dem Verlag in München, bei dem sie arbeitete, aber jetzt hatte er auch von diesem fremdenfeindlichen Magazin gehört. Ob diese Rechten am Ende etwas mit ihrer Arbeit zu tun hätten? Junack beruhigte ihn, legte irgendwann auf - und ihr wurde klar, dass sie etwas würde ändern müssen.

Imke Junack, 50, hat kurz geschnittene, graue Haare und trägt runde Ohrringe. Man hört ihr an, dass sie im Norden aufgewachsen ist, eine Zeit lebte sie bei Hannover, eine Zeit an der Nordsee. Sie ist Geschäftsführerin des Compact Verlags. Compact? Das schwarze Magazin mit der roten und weißen Schrift, das gegen Flüchtlinge hetzt? Das Bundeskanzlerin Angela Merkel mal mit Hidschab zeigt, mal mit Hitlerbart? Das fordert, die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe freizulassen?

Eben nicht. Und genau das ist das Problem. Dies ist eine Geschichte über nachlässige Recherchen, schnelle Urteile und per Mausklick abgeschickte Hasspost. Sie erzählt, wohin Verwechslungen in einer zerrissenen Gesellschaft führen können, wie sie Deutschland im Jahr 2018 ist. Sie führen dazu, dass in einem nüchternen Bürogebäude in der Baierbrunner Straße in München-Obersendling gerade ziemlich viel auf dem Kopf steht.

Hier, im ersten Stock hinter der Glasfassade, sitzt der Compact Verlag. "Moin moin", sagt Imke Junack und führt durch die Räume. Von einem langen Flur gehen die Büros der Mitarbeiter ab; überall stehen Holzregale mit den Büchern des Verlags. Der Sprachkurs "Chinesisch für Einsteiger" steht hier und das "Bildwörterbuch Arabisch", in dem man nachschlagen kann, was Fisch heißt und was Bohrmaschine.

Imke Junack hat lange gegen die ständigen Verwechslungen mit den Rechten gekämpft. "Der Kampf ist nicht zu gewinnen", sagt sie. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Es gibt auch Bücher für Menschen, die nach Deutschland einwandern - für Erwachsene etwa "Lernkrimis" in einfachem Deutsch, sie heißen "Der Mann ohne Gesicht" oder "Der Schatz des Märchenprinzen". Für ausländische Kinder gibt es die Reihe "Herr Zahn lernt Deutsch". Herr Zahn ist ein grüner, grinsender Dinosaurier, der lustige Geschichten erlebt.

Was ist das hier? Das hat Junack neulich auch ein Handwerker gefragt, als umgebaut wurde im Verlag, wegen der neuen Brandschutzbestimmungen. Der Handwerker wollte eine Ausgabe des Compact Magazins mitnehmen, sollte es ja geben, beim Compact Verlag. ",Nee', hab ich gesagt", erzählt Junack, ",da kann ich nicht mit dienen. Aber so ein Bildwörterbuch Arabisch, das können Sie gern haben.'" Das habe der Handwerker dann nicht gewollt.

Junack lacht, als sie die Geschichte erzählt, aber wenn man länger mit ihr spricht, zeigt sich, dass ihr eigentlich nicht zum Lachen zumute ist. Denn der Handwerker ist nicht der Einzige, der sich geirrt hat, es gab schon Dutzende, wenn nicht Hunderte solcher Zwischenfälle. Die Finanzbeamtin zum Beispiel, die neulich in den Verlag kam und verdutzt war, "dass hier so nette Leute rumlaufen". Die Mitarbeiterin, deren Kinder sich in der Schule Fragen anhören müssen: "Was hat deine Mutter mit diesen Rechten zu schaffen?"

Solche Zwischenfälle haben dazu geführt, dass sich die etwa 30 Verlagsleute, die Fremdsprachenredakteure, Marketingmenschen und Vertriebsmanager, eine spezielle Art angewöhnt haben, über ihre Arbeit zu sprechen. Im Wesentlichen besteht sie in einem "Aber". "Ich bin beim Compact Verlag", sagen sie, "aber mit dem Compact Magazin haben wir nichts zu tun."

An der Pforte des Verlags kommen Dinge an, sagt eine Mitarbeiterin, "da kriegst Du es mit der Angst zu tun"

Der Compact Verlag startete 1976 in München mit Ratgebern für Leute, die ein eigenes Haus bauen wollen. Auf vergleichsweise wenigen Seiten beschrieben die Nachschlagewerke, was alles beim Bau des Eigenheims zu beachten ist. Kompakt eben. Daher der Name. Heute machen die Mitarbeiter vor allem Kinder- und Lernbücher. "Spielerisch, selbständig, selbstmotiviert", wie Junack sagt.

So richtig gepasst hat der Name in den vergangenen Jahren eigentlich nicht mehr, ein Problem war er aber auch nicht. Das änderte sich vor etwa zweieinhalb Jahren. Schon im Dezember 2010 war das erste, rechte Compact Magazin erschienen. In den Jahren danach wurde es bekannter, was auch damit zu tun hat, dass immer mehr Menschen auf der Suche nach Asyl nach Deutschland kamen. Ängste schüren, das können die Compact-Magazin-Leute. "Asyl. Die Flut", titelte das Heft im September 2015. Darunter abgebildet ist das Reichstagsgebäude in Berlin, das Wassermassen davonzureißen drohen.

Bis Ende 2016 steigerte das Compact Magazin seine Auflage auf 75 000 Exemplare, Monat für Monat erreicht es 375 000 Leser. Das schreibt zumindest die hinter dem Magazin stehende, im brandenburgischen Werder ansässige GmbH. Von der unabhängigen Gesellschaft IVW lässt sie die Zahlen allerdings nicht prüfen. Hinzu kommen noch einmal Zehntausende, die Compact-TV schauen, eine sogenannte Nachrichtensendung, mit der die Rechten über Youtube Verschwörungstheorien verbreiten.

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Am 3. November 2015, kurz bevor Junacks Vater besorgt anrief, war gerade ein Beitrag im ZDF gelaufen. Das Magazin "Frontal 21" berichtete unter dem Titel "Die Angstmacher" über das Compact Magazin und eine Konferenz, zu der die rechten Publizisten eingeladen hatten. Der Zuschauer kann dem Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer dabei zusehen, wie er Fakten verdreht und unkt, dass "unser Volk, das deutsche Volk" bedroht sei. Fatal für Junack und ihre Mitarbeiter ist ein Satz, den ein ZDF-Journalist gleich zu Beginn des Beitrags sagt: "Organisiert hat die Veranstaltung der Compact Verlag."

"Danach", sagt Junack heute, "ist etwas hochgekocht." Und die Lage beim Compact Verlag hat sich seitdem nie mehr richtig beruhigt. Denn es ist nicht nur das ZDF, das die Unterscheidung zwischen Compact Verlag und Compact Magazin nicht hinbekommt, was, zugegeben, bei den beiden Namen ja auch nicht einfach ist. Die Dame am Empfang sagt, es kämen schon Dinge an, "da kriegst du es mit der Angst zu tun".

Der Compact Verlag bekommt dann ungefragt eingesandte Manuskripte von Fremdenfeinden, die sich selbst für Schriftsteller halten. Abobestellungen und Kündigungen von Lesern des rechten Magazins, aber auch Hasspost und Briefe voll wirrer Ideen. "Weltverschwörer-Sachen", nennt Junack das. Einmal bekamen sie ein psychiatrisches Gutachten und dazu ein Schreiben, in dem jemand darzulegen versuchte, dass er nicht gefährlich sei, nur weil er vor einem Kindergarten gesagt habe: "Ich sprenge uns in die Luft."

Wenn in Deutschland mal wieder eine Debatte über die Rechten losbricht, wenn einem AfDler die Sicherung durchbrennt oder gerade eine Holocaust-Leugnerin Schlagzeilen macht, dann kommen verstärkt Mails und Briefe. Letztere schickt der Compact Verlag zurück an die Absender, unverlangte Post. An die richtigen Empfänger, das rechte Magazin, wollen sie sie nicht weitergeben. Wenn kein Absender zu finden ist, vernichten sie die Briefe. So gesehen haben die Leute vom Compact Verlag einen Weg gefunden, mit den Namensvettern umzugehen. Aber das ist nur der eine Teil der Wahrheit.

Der andere ist, dass sie alle hier in Obersendling die Lage als belastend empfinden und auch als unfair. Die ständigen Verwechslungen, die Anfeindungen - das hört ja nicht auf. Sie haben sich verdichtet zu einem Gefühl des dauerhaften Zweifelns, bei der Geschäftsführung, bei den Mitarbeitern. Viele von ihnen haben Sprachen studiert, Auslandssemester gemacht, manche kommen aus Familien, die nach Deutschland eingewandert sind. Und jetzt werden sie verdächtigt, fremdenfeindlich zu sein.

Im März 2016 fuhr Junack auf die Buchmesse nach Leipzig, zusammen mit ihrer Redaktionsleiterin. Sie wusste, dass das Compact Magazin dort sein würde, und wollte sich anschauen, wer da plötzlich unter dem gleichen Namen Angst schürte, unter ihrem Namen. Sie sah einen in schwarz gehaltenen Stand und schwere Jungs in Anzügen, die die Magazin-Leute vor linken Demonstranten schützen sollten. "Sicherheitspersonal", das die Rechten lieber selbst mitgebracht hatten, statt sich auf die Polizei zu verlassen. An einer Wand des Messestands prangte auch das Magazincover mit der Aufschrift von der Asylflut.

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Es war nur wenige Wochen her, dass sich die Leute vom Compact Verlag selbst Gedanken gemacht hatten über die Menschen, die in dieser Zeit in großer Zahl nach Deutschland kamen. Einige von ihnen konnte Junack durch ihr Bürofenster sehen, in der Nähe des Verlagsgebäudes gab es eine Erstaufnahmestelle. Junack dachte an das "Bildwörterbuch Deutsch", das der Compact Verlag im Programm hat; sie fand, dass genau diese Menschen, die gerade ankamen, es brauchen könnten. Also nahm sie Kontakt mit der Stadt München auf und spendete über tausend Bücher.

Die ständige Verwechslung hat auch eine ökonomische Seite. "Wie viele Buchhändler bestellen nicht mehr bei uns, weil sie denken, wir seien rechts?" Zahlen habe man nicht dazu, sagt Imke Junack, aber man könne es auch nicht lassen, sich das zu fragen.

Junack fuhr nach Leipzig, um zu sehen, wer unter dem Verlagsnamen Hass verbreitet

Nun ist Junack nicht nur Geschäftsführerin, ihr Job ist auch der einer Richtigstellungsbeauftragten. Sie ruft Politiker an, wenn die in Anträgen fälschlicherweise vom rechten Compact Verlag schreiben, sie bittet Medien um Korrektur, wenn sie sich wieder mal geirrt haben. "Der Compact Verlag GmbH mit Sitz in München ist ein weltoffener Verlag für Bildung sowie Kinderbuch und hat mit dem Compact Magazin NICHTS zu tun", schreibt sie dann. Dass man das so genau weiß, liegt daran, dass auch die Süddeutsche Zeitung den Fehler gemacht und dann korrigiert hat.

Wer Compact hört, der denkt an die Rechten, das ist wohl nicht mehr zu ändern, allein schon wegen der ganzen Medienberichte. "Der Kampf ist nicht zu gewinnen", sagt Junack. Sie merkt es, wenn sie auf einer der Buchmessen ist. Fremdenfeinde, selbsternannte "besorgte Bürger", aber auch linke Aktivisten und überzeugte Gegen-rechts-Demonstranten, sie alle kommen an den Stand des Verlags.

Auf der Didacta zum Beispiel, der Bildungsmesse in Stuttgart, 2017. Da hatte sich ein junger Mann, 18 Jahre vielleicht, vor Junacks Stand aufgebaut, in der Hand ein Transparent. Abiturient sei er und von Amnesty, und er wolle jetzt eine Demo gegen die Rechten machen. Junack klärte ihn auf und zahlte ihm die Eintrittskarte. Sie kann auch etwas Gutes aus solchen Begegnungen ziehen, sagt sie. "Ich hatte den Eindruck, dass der junge Mann etwas für sich mitgenommen hat: sich erst mal zu informieren, bevor man demonstrieren geht."

Wenn die Rechten bei Messen an den Compact-Stand kommen, sind sie enttäuscht, dass sie dort nicht auf Ihresgleichen treffen. Auf der Buchmesse in Frankfurt 2017 kam ein älterer Herr, grauer Anzug. Kurzer, verdatterter Blick, dann ein Fauchen: "Das seid ihr ja gar nicht!" Junack und ihre Mitarbeiter geben solchen Leuten meist eine Postkarte mit. "Herzlich willkommen" steht darauf, auf Arabisch. Eigentlich ist es eine Karte, um Wörterbücher zu bewerben. Inzwischen ist es für die Verlagsleute aber auch ein Bekenntnis.

Die Münchner Verlagsleute sind es müde geworden, den Kampf gegen die Missverständnisse, die Verwechslungen, die Vorurteile zu kämpfen. Eine langwierige juristische Auseinandersetzung um den Namen scheuen sie - die Kosten, der ungewisse Ausgang. 2016 stieß Junack einen internen Prozess an, der nun zu Ende geht. Der Compact Verlag will das Verwirrspiel nicht mehr mitmachen. Wie er genau bald heißen wird, das sei noch nicht spruchreif, sagt Junack. Die Entscheidung aber sei gefallen. "Wir werden den Namen ändern."

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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