Süddeutsche Zeitung

Verurteilter Deutscher Jens Söring:Post aus Amerika

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Der Deutsche Jens Söring bleibt in US-Haft: Die Initiative eines Bundestagsabgeordneten wird ignoriert. Der negative Bescheid kommt schnell, nur wenige Tage vor einer wichtigen Anhörung.

Karin Steinberger

Der Brief war von schneidender Freundlichkeit. Und er war klar und deutlich. Nummer 1161655 sei ein williger Häftling, der an vielen Programmen teilgenommen habe. Aber das erwarte man von allen Häftlingen. Jedenfalls gleiche das nicht die Schwere der Tat und die verhängte Strafe aus, schrieb William Muse, Vorsitzender des Parole Boards im US-Bundesstaat Virginia. Also: keine Überstellung nach Deutschland. "Very truly yours."

Klar ist, die Antwort kam schnell. Vielleicht ein bisschen zu schnell. Der Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer hatte am 22. August 2012 an William Muse einen Brief geschrieben, in dem er um die Überstellung des Deutschen Jens Söring in sein Heimatland bat. Strässer ist Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte der SPD-Bundestagsfraktion, er kennt den Fall, er kämpft seit Langem für die Überstellung des Deutschen, er sagt: "Nach meinem Verständnis von Strafrecht hat jeder Mensch das Anrecht auf eine zweite Chance."

Der Diplomatensohn Söring war 1990 in den USA zu zweimal lebenslänglich verurteilt worden wegen des Mordes an den Eltern seiner damaligen Freundin. Söring gestand, widerrief. Seitdem sagt er, er war es nicht. Klar ist: Es war ein Fall ohne Augenzeugen, mit zahllosen Verfahrensfehlern, unterschlagenen Beweisen, sich widersprechenden Geständnissen, befangenen Richtern.

Strässer schrieb in seinem Brief, Jens Söring habe sich in all den Jahren im Gefängnis vorbildlich verhalten, er sei in der Lage, sich in die deutsche Gesellschaft wieder zu integrieren. Seine Überstellung wäre ein Gnadenakt nach mehr als einem Vierteljahrhundert Gefängnis - "ein Symbol des Vertrauens und der andauernden Freundschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten". Schon im Sommer hatte Strässer in einem Brief an den Gouverneur von Virginia, Robert F. McDonnell, um die Überstellung von Söring gebeten. 53 Abgeordnete unterstützten ihn dabei.

Die Antwort aus Amerika kam am 31. August, elf Tage bevor das Parole Board tagte, um zum achten Mal über eine Bewährung Sörings zu entscheiden.

Warten auf eine Entscheidung

"Das hat mich schon befremdet, dass die ablehnende Haltung offenbar schon vor der Anhörung feststand. Die hat ja erst am 10. September stattgefunden", sagt Strässer und schickt einen Lacher hinterher, der klingt wie ein Seufzer. Was das über so ein Verfahren sagt? "Ach wissen sie, ich will da jetzt nicht die große Keule schwenken, aber ich habe mich bei meiner Menschenrechtsarbeit auch viel mit Guantanamo beschäftigt. Es gibt schon Dinge im US-System, die für mich persönlich von den Grundsätzen eines fairen Verfahrens doch ein Stück weit entfernt sind."

Jens Söring empfand das Warten auf eine Entscheidung, die schon lange gefallen war, als eine weitere Erniedrigung. Viel Hoffnung hatte er ohnehin nicht, 2006 war eines der Parole-Board-Mitglieder während der Anhörung seines Falls eingeschlafen. Diesmal kam ein angesehener Polizeibeamter nach Durchsicht aller Fakten zu dem Schluss, dass die Beweise für seine Verurteilung nicht ausreichend waren.

Söring schreibt in einer Mail: "Ein Fall wie dieser, wo elf Tage vor der Anhörung das Ergebnis mitgeteilt wird, wo die Aussagen einer stellvertretenden Staatsanwältin und die eines angesehenen Ermittlers ignoriert werden, wo herauskommt, dass 27 Jahre lang FBI-Unterlagen unterdrückt wurden, kann man so einen Fall nicht einen Justizskandal nennen?"

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Quelle:
SZ vom 29.10.2012
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