Verkaufsschlager von gestern:Meine Affäre mit ...

Ein erfülltes Dasein war ohne sie mal unvorstellbar; mancher Hype hielt sich sogar mehrere Jahre: Eine Galerie mit einstigen Must-Haves, die uns heute nicht mehr unbedingt zum Überschnappen bringen.

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Chanel Nagellack

Quelle: JACQUES GIRAL

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Ein erfülltes Dasein war ohne sie mal unvorstellbar; mancher Hype hielt sich gar mehrere Jahre: Eine Galerie mit einstigen Must-Haves, die uns heute nicht mehr unbedingt zum Überschnappen bringen.

Vielleicht lag es an den grellpinken oder giftgrünen Neon-Accessoires des Sommers 2009. Sicher ist: Zum Beauty-It-Piece 2010 avancierte innerhalb kürzester Zeit ein Nagellack, der aussah, als sei versucht worden, Langeweile eine Farbe zu geben - "505 Particulière" von Chanel. Der Farbton, den man als eine Mischung aus "Graubrot" und "Matsch" bezeichnen könnte, kam im Januar des Jahres frisch vom Laufsteg in die Läden - und sorgte sofort für eine Hysterie. Deutschland- und europaweit wurden den Parfümerien für die wenigen Mililiter Lack die Türen eingerannt. Es dauerte nur ein paar Tage, da kam das Luxuslabel mit seinen Lieferungen schon nicht mehr hinterher - der "505 Particuliére" war überall ausverkauft. Als dann die ersten Fläschchen bei Ebay auftauchten und statt der 22 bis zu 150 Euro einbrachten, ging den anderen Kosmetikherstellern ein Licht auf - bald sah man auch in den Billigdrogerien ähnlichfarbige Nagellacke, die nur einen Bruchteil des Originals kosteten. Angeblich soll es inzwischen sogar Autos geben, die in der sumpfigen Nuance lackiert wurden. Chanel hat unterdessen nachgerüstet: Die Nagellackfarbe für 2011 soll ein dunkles Violett mit grauem Metallic-Schimmer werden - und passenderweise den vielversprechenden Namen "509 Paradoxal" tragen.

JONES

Quelle: AP

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Im Frühjahr 2002 kam man an ihr nicht vorbei: Norah Jones. Wir kauften ihr Album Come away with me mit dem lieblichem Dreiviertelprofil der Sängerin auf dem Cover wie die Besessenen. Denn Norah Jones gab auch Leuten, die normalerweise ihren Musikgeschmack mit "eigentlich alles" umschreiben, endlich wieder ein Gesicht. Die globale Verzückung über den Klimper-Sound der damals 23-jährigen Songwriterin gipfelte in insgesamt 20 Millionen verkauften Exemplaren von "Come away with me" und acht Grammys. Aber warum? Zugehört haben wir der ambitionierten New Yorkerin eigentlich nie so richtig. Es gab nur einen Platz für den musikalischen Zimmerspringbrunnen Norah Jones - das war der Hintergrund. Sie hauchte in Einrichtungshäusern und in Filialen dieser damals noch neuen Kaffeerösterkette. Sie summte aus Autofenstern und untermalte die Pasta-Runden bei Freunden. Wie gesagt: Es war 2002. Seichtes, Breiiges kam wie gerufen, um die musikalische Lücke zu füllen, die die Neunziger hinterlassen hatten. Weil wir auch ein bisschen Angst davor hatten, was danach kommen würde. Norah rettete uns über diese Übergangszeit hinweg. Bleibt die Frage, wovor uns einige Jahre später der Gitarre spielende Wellenreiter Jack Johnson retten wollte.

BURBERRY-KARO MODE

Quelle: DPA

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Der Siegeszug des Burberry-Musters um das Jahr 2000 unterlag seltsamen Marktmechanismen. Das gleichnamige britische Traditionshaus kämpfte in seiner Heimat seit den Neunzigern mit einem massiven Imageproblem: Statt von der betuchten Nachwuchs-Elite von Westminster und Eton getragen zu werden, waren die charakteristischen Karos vor allem unter Jugendlichen der Unterschicht beliebt. Die sogenannten "Chavs" konnten sich die Original-Ware des Luxuslabels zwar nicht leisten, griffen aber beherzt zu allerhand Fälschungen in Schwarz-Weiß-Rot-Camel-Kariert. So bekam das Muster den Touch des leicht Vulgären. Kurioserweise explodierte hierzulande zeitgleich der Burberry-Karo-Trend. In deutschen Fußgängerzonen wimmelte es von Burberry-Regenschirmen,  -Handtaschen und -Hundemäntelchen. Nicht zu vergessen: Der Burberry-Schal, obligatorisch vor allem unter Bank- und Büroangestellten, denn er zeigte, dass man sich etwas leisten konnte. Kurz darauf reduzierte Burberry-Chefdesigner Christopher Bailey drüben in England den Einsatz des Karos radikal auf nur noch fünf Prozent seiner Produkte, verpflichtete Kate Moss als schönes Aushängeschild, und siehe da: Des Königreichs obere Zehntausend sprangen wieder auf die Marke an. Während Burberry bei uns wieder aus dem Straßenbild verschwand...

Verbot für 'Crocs'-Gummischuhe in Wiener Krankenhäusern

Quelle: dpa

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...war es nicht so, dass die erste Begegnung mit Crocs meist in einer Arztpraxis stattfand, wo das Personal in den knallbunten Latschen umherschlurfte? Denn der Hersteller warb damit, dass das Material seiner Funktionsschuhe besonders hygienisch, weil nicht porös sei: Pilze und Bakterien könnten dort nicht haften. Obendrein waren Crocs wasserabweisend und überhaupt ganz schrecklich praktisch. Auch im Schwimmbad, bei der Gartenarbeit und vielleicht noch beim Campen hatten die Plastikpantoffeln durchaus ihre Daseinsberechtigung. Als wir 2007 jedoch von einer regelrechten Crocs-Welle überrollt wurden, hörte für viele Ästheten der Spaß auf: Sie empfanden die Treter nur noch als Beleidigung fürs Auge. 

Leider wollten alle anderen sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ausziehen - dank Lammfelleinsatz nicht einmal mehr im Winter. Dass auch jede Menge Hollywoodstars wie Robert de Niro oder Drew Barrymore dem Reiz der gemütlichen Sandale erlagen, sorgte auch nicht gerade für einen Rückgang des Hypes. Aufgrund von Millionen von Billigkopien aus Fernost gehen die Verkaufszahlen des Unternehmens Crocs allerdings stetig zurück: Schon 2008 musste Crocs einen Verlust von 185 Millionen Dollar verbuchen. Die Aktie stürzte innerhalb von zwei Jahren von 70 auf sieben Dollar. Allmählich scheint auch dieser Trend sich totzulaufen. Na also, geht doch.

Birkin Bag

Quelle: Getty Images

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Wir erinnern uns: Zu Beginn des Jahrtausends waren auffällige oder geräumige Handtaschen out. Frauen trugen winzige Achseltäschchen, in die kaum mehr passte als Autoschlüssel und Handy. Dann wurden US-Serien wie Sex and the city, Gilmore Girls oder Will & Grace auch hierzulande Kult - und mit ihnen die kofferähnliche Birkin Bag, die häufig von den Seriencharakteren spazierengetragen wurde. Klar, "die Birkin" (Preis ab 4000 Euro aufwärts, zwei Jahre Wartezeit) ist nicht für jeden. Aber wer die einst für Sechziger Jahre-Ikone Jane Birkin entworfene Tasche des Labels Hermés am Ellbogen baumeln hat, muss nicht mehr für sich selbst sprechen: Das erledigt das portable Statussymbol ganz von allein. Deshalb vielleicht leidet Victoria Beckham an einem ausgeprägten Birkin-Bag-Sammelproblem. Seitdem also die Promis ihre Liebe zur Birkin Bag derart öffentlich bekunden, verkaufen auch Modeketten wie H&M oder Zara immer mehr Taschen im Birkin-Format, sprich: mit einem Stauraum, der es locker mit dem Kofferraum eines Mittelklassewagens aufnehmen kann. Unpraktisch daran war bloß der sich daraus entwickelnde Trend zu Oversize-Taschen, in denen dann der halbe Hausrat mitgeschleppt wurde - und meist in unergründlichen Tiefen verschwand.

Löw

Quelle: dpa

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Joachim Löw hat während der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika mehrmals versichert, nicht abergläubisch zu sein. Trotzdem trug der Bundestrainer seinen blauen Baby-Kaschmir-Pullover des Nördlinger Modelabels Strenesse vorsichtshalber bei jedem Spiel der Nationalmannschaft - weil seine Jungs nämlich dann wie von Zauberhand in die nächste Runde kamen. Leider versagte das edle Designerstückchen in letzter Instanz: im Halbfinale, ganz genau nach den Weissagungen des Oberhausener Krakenorakels Paul. Das deutsche Team flog mit gebrochenen Herzen nach Hause - wo in der Zwischenzeit ein echter Run auf Jogis elegantes Oberteil losgebrochen war. Der Pullover (199 Euro) hatte sogar dem taillierten, weißen Hemd selbiger Firma, das Jogi während der EM 2008 schnieke in Szene setzte, den Rang abgelaufen. Weil der "Pulli der Nation" aber zunächst in limitierter Auflage produziert worden war, war er auch in kürzester Zeit ausverkauft.

Selten (oder vielleicht nie?) hat man Männer so ungeduldig auf die Nachproduktion eines Kleidungsstücks warten sehen. Strenesse-Chef Gerd Strehle betonte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung zwar, seine Kollektion sei für "Männer, die sich nicht von ihrem Outfit tragen lassen wollen". In Wirklichkeit aber wollte jeder Möchtegern-Bundestrainer genau das: ein Stückchen WM auf der Haut spüren.

Verkaufsstart Harry-Potter-Buch

Quelle: ddp

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Kaum war 1998 der erste "Harry Potter"-Band von Joanne K. Rowling erschienen, schon war er ein Geheimtipp der Kinder- und Jugendliteratur. Wann genau sich auch der erste Erwachsene mit dem Potter-Virus infizierte, kann nicht mehr genau zurückverfolgt werden - möglich, dass es beim Gutenachtgeschichtenvorlesen passierte. Jedenfalls sah man bald in Bus oder Bahn etliche Mittdreißiger über Bücher des Zauberlehrlings gebeugt. Der Carlsen-Verlag reagierte umgehend und gab die Romane sogar in einem angemessenen Layout für seine neue Zielgruppe heraus. Wie wir wissen, gipfelte der Hype zu Beginn des neuen Jahrtausends darin, dass Familien, Schulklassen und ganze Uni-Seminare, teils in potterischer Kostümierung, nachts vor Buchhandlungen campierten, um den allerneuesten Band als erste zu ergattern. Denn die wirkliche Verlockung an Harry Potter war die Möglichkeit der "gelebten Gemeinschaft" mit den anderen Fans. Wir lechzten nach sozialen Events. Da konnten Literaturkritiker und Rowlings Schriftstellerkollegen noch so viel unken, die Geschichten der Britin seien aus den ältesten Klischees der Kinder- und Fantasyliteratur zusammengeschraubt - schließlich war genau das doch ihr Erfolgsrezept. Und es scheint noch lange nicht Schluss zu sein: Wenn Joanne K. Rowling das Projekt Harry Potter mit der Veröffentlichung des siebten und letzten Bandes 2007 auch für beendet erklärte, so deutete sie in den jüngsten Interviews an, dass eigentlich noch jede Menge Stoff vorhanden sei - mindestens bis Band zehn.

KICKBOARD-STADTFÜHRER

Quelle: DPA/DPAWEB

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Im Sommer 2000 war es soweit: Endlich war das günstige, umweltfreundliche und lässige Fortbewegungsmittel für den Großstädter erfunden. Ein niedlicher Tretroller, den die Hersteller beharrlich "Kickboard" nannten - und der sich vom herkömmlichen Kinderspielzeug lediglich dadurch unterschied, dass er noch um ein Vielfaches winziger war. Etliche Hausfrauen sah man fortan auf dem dreirädrigen Mikroroller zum Supermarkt und zum Yoga-Workshop sausen. Auch Anzugträger flitzten gern mit den "Rollen am Stiel" ins Büro. Überhaupt schien am ehesten mit dem Gefährt etwas anfangen zu können, wer über 30 war. Dass das Kickboardfahren - sprich: das von unregelmäßigem Stampfen unterbrochene Geruckel und Gezuckel - nicht ganz so graziös daherkam wie die zierliche Bauweise des Geräts es vielleicht anfangs suggeriert hatte: Schwamm drüber. Dass sich die eigenen Kinder auf ihren Skateboards voller Fremdscham von ihren Eltern abwandten - wen juckt's! Wenn nur dieses Kopfsteinpflaster nicht wäre. Ganz abgesehen davon dass die Räder des Kickboards einfach mal blockieren konnten, etwa bei Steinfugen oder Rillen im Boden, und für schmerzhafte Purzelbäume sorgten. Das sahen irgendwann sogar die Hausfrauen und Anzugträger ein. In deutschen Kellern verrosten seither hunderttausende Kickboards - und werden vielleicht doch eines Tages von Kindern wiederentdeckt.

© sueddeutsche.de//vs/jja
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