Verbot von Plastikschuhen:Der Crocs-Schock

Einige Kliniken verbieten die Plastikschuhe, weil ihre Träger sich elektrostatisch aufladen und so medizinische Geräte stören könnten.

Claudia Fromme

Die Dinger sind sozusagen ein Renner. Al Pacino trägt sie in Himmelblau, Madonna in Rosa, George W. Bush in Anthrazit. Seit die US-Firma Crocs ihre Kunststofftreter vor sechs Jahren auf den Markt geworfen hat, gibt es kaum noch Bereiche des öffentlichen Lebens, in denen man sie nicht sieht. Wer in diesen Wochen mit dezenten Ledersandalen am Flughafen eincheckt, fühlt sich ob all der Heiterkeit an den Füßen vieler Urlaubsreisenden wie ein trauriger Tropf; im Büro sowieso, da sind sie inzwischen noch selbstverständlicher geworden als Flipflops.

Crocs; AFP

Bunte Crocs sind in Kliniken das, was im Bankenalltag die Themenkrawatte ist.

(Foto: Foto: AFP)

Richtig Furore macht der luftige Schuh aber im Gesundheitswesen; Ärzte schätzen ihn ebenso wie Pfleger, und das längst nicht mehr nur in Weiß. Bunte Crocs sind in Kliniken das, was im Bankenalltag die Themenkrawatte ist. Im Firmensitz in Florida ist die Stimmung trotzdem nicht gut, was nicht nur am sinkenden Börsenkurs liegt, sondern auch daran, dass immer mehr Kliniken Crocs verbieten - in den USA, Schweden, England, der Schweiz. Auch das Donauspital in Wien hat sie nun verbannt. Nicht aus ästhetischen, sondern aus elektrostatischen Gründen.

Über die Plastikclogs kann der Träger Spannung aufbauen, die sich bei Berührung blitzartig entlädt. Nach einer Expertise des TÜV Austria kann eine solche Entladung dazu führen, "dass medizinische Geräte in ihrer Funktion beeinträchtigt werden, einen elektrischen Schock in Herzkathetern auslösen, Röntgenfilme in Kassetten verblitzen". Crocs, warnt der TÜV, entsprächen wegen ihres nicht leitfähigen Materials nicht der Sicherheitsnorm.

Alles Hysterie?

"Wenn so eine Expertise vorliegt, müssen wir reagieren", sagt Peter Wölfl, Technikchef des Wiener Krankenanstaltenverbandes (KAV), in dessen Obhut alle Kliniken der Stadt fallen. Man prüfe nun eine einheitliche Regelung. Ein mögliches Verbot betreffe dann aber - wie im Donauspital - nur "kritische Räume" wie Operationssäle, Intensivstationen und Röntgenbereiche. Wölfl sieht ein Verbot als "Vorsichtsmaßnahme". Bislang sei kein Fall bekannt, in dem ein Mensch zu Schaden gekommen ist, weil Crocs sich entladen haben. Dazu dürfe es auch nicht kommen.

In Florida warnt man vor Hysterie. "Crocs laden sich nicht stärker auf als Sneaker oder andere Schuhe, die medizinisches Personal auch trägt", sagt Firmensprecherin Tia Mattson. Zudem sei nicht allein vom Schuh eine Aufladung abhängig, sondern auch vom Bodenbelag, der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit. Man arbeite aber daran, den Schuh zu optimieren. Crocs ist nah an der Zielgruppe, die American Nurse Association berät die Firma.

So bietet Crocs nun ein Modell ohne Löcher an, da die Urversion nicht genug vor herabtropfendem Blut oder anderer Flüssigkeit schützte, was den Hygienevorschriften widersprach. Der enge Kontakt zum Kunden ist aber nicht immer vorteilhaft. Dass es im Donauspital derart viele Crocsträger gibt, die die Klinikleitung erst dazu nötigten, sofort zu handeln, liegt daran, dass es kürzlich eine Werbeveranstaltung des Herstellers im Haus gab.

In Deutschland gibt es bislang noch kein Verbot von Crocs oder Imitaten, eine Rundfrage in großen Kliniken zeigt aber eine besondere Sensibilität für das Thema. Die Berliner Charité will nun kritisch prüfen, ob ein Verbot der Komfortschuhe in "sensiblen Bereichen" sinnvoll ist.

Jede Krise macht kreativ und so hat der schwedische Intensivmediziner Mikael Stenberg eine Klemme entwickelt, die Crocs sicher machen soll. Das Utensil namens "Safe Clip" leitet ständig Spannung aus dem Träger in den Boden, Geräte bleiben ungestört, heißt es. Aus Umea ist zu erfahren, dass die Geschäfte bestens laufen.

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