Hitze:Dicke Luft

Hitze: Kühle Brise an heißen Tagen? Schon im Sommer 2018 waren die Geräte schnell vergriffen.

Kühle Brise an heißen Tagen? Schon im Sommer 2018 waren die Geräte schnell vergriffen.

(Foto: Mauritius Images)

Deutschland ächzt unter der Hitze, schon Ende Juni waren in sehr vielen Läden die Ventilatoren ausverkauft. Wie der Klimawandel nicht nur den Einzelhandel an seine Grenzen bringt.

Von Jan Stremmel

Einräumen? Damit habe man längst aufgehört, sagt der Baumarkt-Mitarbeiter vor dem leeren Regal. Habe ja keinen Sinn. Wenn eine neue Palette komme, lade er die einfach vorne am Haupteingang ab, stelle das Schild daneben, auf dem steht: "Wir haben wieder Ventilatoren!", und fertig. "Ist nach einem Tag eh komplett leer." Inzwischen ist allerdings auch das Lager des Baumarkts wie leer gefegt. Und die meisten Logistikzentren, die Baumärkte mit Ventilatoren beliefern. Im Norden Deutschlands, im Osten, im Westen: Ein Land im Ventilatoren-Notstand.

Wer in den vergangenen zwei Wochen, am Ende des heißesten Juni aller Zeiten, nun doch mal in die Kühlung der eigenen Wohnung investieren wollte und einen Standventilator suchte, konnte sich einfühlen in die Bewohner der späten DDR: Leere Regale. Schulterzuckende Verkäufer. Und immer wieder der Satz: "Vielleicht morgen wieder. Aber eher nicht."

Bei Saturn sagt der Anrufbeantworter: Keine Auskunft über Ventilatoren

Besonders unangenehm war das, wenn man gerade Gäste aus den USA zu Besuch hatte. Die freuten sich zwar, einerseits, über das schöne Wetter in München. Andererseits sind sie aber nun mal auch total gewöhnt an "AC" in jedem geschlossenen Raum - und erkundigten sich bald höflich, aber mit schweißnassem Nacken, ob man nicht vielleicht wenigstens einen Ventilator ...?

Also ab zu Hornbach: leer gekauft. Bei Bauhaus: nix. Bei Elektro Conrad: alles weg, man könne aber einen Industrieventilator für 211,99 Euro bestellen, lieferbar in neun bis zehn Werktagen. In der Saturn-Hotline wird man direkt von der automatischen Ansage begrüßt, es gebe "aufgrund der hohen Nachfrage" leider "keine telefonische Auskunft über die Verfügbarkeit von Ventilatoren". Allmählich kommt so etwas wie Panik auf.

Die Unruhe kommt auch von einer etwas tieferen Erkenntnis: Der Klimawandel ist da. Diese brutale Hitze, das ist jetzt normal. Die heißesten Sommer der vergangenen 500 Jahre lagen alle in den vergangenen 17 Jahren. Der Greenpeace-Werbespot mit dem Frosch im Kochtopf kommt einem wieder ins Gedächtnis.

Zehn Prozent des weltweiten Stroms werden von Klimaanlagen gefressen

2018 litt Deutschland auch schon an akutem Ventilatoren-Mangel. Damals empfahl die tapfere Verkäuferin im leer gekauften Mediamarkt allen Ernstes einen Heizlüfter. Weil der offenbar auch eine "Kühlen"-Funktion hatte.

Tatsächlich habe man aus dem Dürresommer 2018 gelernt, beteuert ein Baumarkt-Sprecher am Telefon. Seine Filialen hätten sich "deutlich stärker bevorratet". Dass dieser Vorrat schon Anfang Juli aufgebraucht sei, überrasche ihn ja selbst. Aber was solle er machen? Die Lieferzeit vom chinesischen Hersteller bis ins deutsche Regal betrage zwei Monate.

Unterdessen ächzt Deutschland weiter unter der Hitze. In Freibädern muss die Polizei durchgedrehte Menschenmengen mit Tränengas auseinandertreiben. Die Feuerwehr gibt Tipps, wie man sich kühl hält (morgens lüften, dann Fenster und Rollos zu). Die Gäste aus den USA fangen an, morgens ihre nassen Badehandtücher ins Fenster zu hängen.

Natürlich ist es ein Wahnsinn. Je heißer der Planet aufgrund des menschlichen Energiehungers wird, desto mehr Energie verbrauchen wir, um wenigstens die Innenräume runterzukühlen. Schon jetzt werden zehn Prozent des weltweiten Stroms von Klimaanlagen gefressen. Und weil in immer mehr Schwellenländern die Menschen bald ebenfalls "AC" wollen, soll sich der Verbrauch bis 2050 verdreifachen.

Am Montag gibt das Landratsamt Dachau per Pressemitteilung Tipps, wie man Räume kühl hält - besondere Empfehlung: ein Standventilator. Am Mittwoch sagt der Sprecher eines Herstellers von Ventilatoren am Telefon, diesen Sommer werde es leider nichts mehr. Man könne ja mal auf Ebay-Kleinanzeigen schauen. Aber angesichts des Klimawandels solle man vielleicht eh überlegen, ob man nicht gleich eine Klimaanlage anschaffen wolle? Er selbst habe drei im Büro. Und das, sagt er, könne er jedem wirklich nur empfehlen.

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