Venedig:Verfluchter Palazzo

Markusplatz in Venedig, 1927

Venedig 1927: Luftaufnahme des Markusplatzes mit Kampanile, Dogenpalast und Markuskirche.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Das Gebäude ist wunderschön und liegt direkt am Canal Grande. Doch die Ca' Dario in Venedig soll verflucht sein und seine Besitzer in Ruin und Tod treiben. Ein historischer Rückblick.

Von Julia Rothhaas

Woody Allen und Julia Roberts laufen in dem Film "Alle sagen: I love you" durch Venedig, jeder joggt für sich. Wer die Stadt ein bisschen kennt, bemerkt, dass die Strecke nicht wirklich zusammenhängen kann. Aber im Film von 1996 sollen eben nur die bekanntesten Ecken und Plätze zu sehen sein. Auf einer der schönsten Brücken dann rennen die beiden ineinander - so hatte es der Film-Allen ohnehin geplant, um mit der liebreizenden Julia irgendwie ins Gespräch zu kommen.

Vermutlich, wie oft bei Dreharbeiten, musste diese Szene auf dem Campiello Barbaro, einem kleinen, ruhigen Platz mit ein paar Bäumen und Rosenbüschen, mehrfach gedreht werden. Und da muss es wohl passiert sein: Woody Allen verguckte sich in die Ca' Dario (kurz für Casa), einen der schönsten Paläste der Stadt, dessen Rücken man vom Platz aus sehen kann.

Lange hieß es, Allen sei daran interessiert gewesen, das leer stehende Prunkstück zu kaufen. Doch dann, so flüstert man in den Bars der Stadt, hätte ihn die dunkle Geschichte des Palazzos erreicht und damit die Warnung, dort bloß nicht einzuziehen, sollte er an seinem Leben hängen. Schließlich gilt der Palast als verflucht.

Direkt am Canal Grande im Viertel Dorsoduro gelegen, gehört die Ca' Dario - oder Palazzo Dario - zu den beeindruckendsten Bauwerken der Stadt. Beschrieben von Gabriele d'Annunzio und John Ruskin, gemalt in unzähligen Serien von Monet: Der Bau, 1479 bis 1487 entstanden noch im Stil der venezianischen Gotik, ändert zum breiten Kanal hin sein Gesicht und schmückt sich mit einer Renaissance-Fassade. Ein neogotischer Balkon kam im 19. Jahrhundert auf der Rückseite hinzu.

Zu seiner Besonderheit gehören auch die langen Schornsteine, die es aus dieser Epoche heute nur noch selten in Venedig zu sehen gibt. Allein vom Wasser aus sind die polychromen Marmorintarsien zu bewundern und die Inschrift im Erdgeschoss: VRBIS GENIO IOANNES DARIVS (Giovanni Dario, Gönner der Stadt), ein Dank an den Bauherren und damaligen Senator der Republik Venedig.

Bewundert von D'Annunzio und Monet, hat der Palast doch seinen Besitzern kein Glück gebracht

Der erteilte 1479 dem bekannten Architekten Pietro Lombardo den Auftrag, ihm einen Palast zu bauen. Fertig sah ihn Dario leider nicht mehr, dafür zog seine Tochter Marietta mit ihrem Mann Vincenzo ein. Und damit nahm das Schicksal seinen Lauf in einer langen Reihe von Ruin und Tod.

Der Gewürzhändler Vincenzo Barbaro soll nach dem Einzug rasch bankrottgegangen sein und wurde kurz darauf erstochen aufgefunden. Diesen Schmerz konnte Marietta nicht aushalten, sie nahm sich das Leben.

Als der Palast viele Jahre später von der Familie Barbaro an den armenischen Edelsteinhändler Arbit Abdoll überging, verlor auch er kurz darauf seine Geschäftsgrundlage. Ähnlich erging es auch dem britischen Wissenschaftler Rawdon Brown, dem nur vier Jahre nach dem Kauf der Ca' Dario das Geld ausging. 1842 beging er in dem Palast Suizid, nachdem seine Beziehung zu einem Mann öffentlich gemacht worden war.

Auch der nächste Besitzer Charles Brigg, ein amerikanischer Millionär, wurde gegen seinen Willen geoutet, er verließ im Anschluss überstürzt Palast und Stadt und floh nach Mexiko. Dort soll sich sein Liebhaber wenig später das Leben genommen haben. Der französische Dichter Henri de Régnier, der sich nur kurz in dem Palast Dario aufhielt, um "L'Altana ou la vie vénitienne" zu schreiben, wurde wenig später todkrank.

1964 zeigte der Tenor Mario del Monaco Interesse an dem immer wieder zum Verkauf stehenden Bau. Doch ein Autounfall (angeblich auf dem Weg nach Venedig, um den Vertrag zu unterschreiben) brachte ihn von seinem Vorhaben ab. 1970 wurde der nächste Besitzer, Filippo Giordano delle Lanze, Graf von Turin und ein Kunst- und Antiquitätenexperte, in der Ca' Dario tot aufgefunden, umgebracht von seinem Liebhaber, einem kroatischen Matrosen.

In den Achtzigerjahren kam die Schwester des Besitzers Fabrizio Ferrari kurz nach Abschluss des Kaufvertrags um, Ende der Achtziger nahm sich der Financier Raul Gardini darin das Leben.

Die tragischen Todesfälle in der Band The Who sollen mit Ca' Dario zusammenhängen

Selbst der tragische Tod des Produzenten und Managers der Band The Who soll mit dem sich immer weiter zur Seite neigenden Palazzo in Zusammenhang stehen. Nachdem Christopher "Kit" Lambert den Palast in den frühen Siebzigerjahren gekauft hatte, starb er nach einem Treppensturz in seinem Londoner Haus.

Dabei hatte er nicht mal besonders viel Zeit in seiner neuen Immobilie verbracht, sondern stattdessen in einem nahe gelegenen Hotel geschlafen - mit der Begründung, im Haus würde es spuken. Das soll den Original-Bassisten der Band, John Entwistle, 2002 nicht davon abgehalten haben, den Palast ebenfalls zu mieten. Auch er starb wenig später an einem durch eine Überdosis ausgelösten Herzinfarkt.

Die Ca' Dario stand regelmäßig viele Jahre leer und galt lange als unverkäuflich. Kein Wunder also, dass die Gerüchteküche weiter dampfte und neben Woody Allen auch Elton John Interesse an dem Palast bekundet haben soll. Gekauft hat ihn im November 2006 nach zehn weiteren verwaisten Jahren ein amerikanischer Geschäftsmann, über den nichts weiter bekannt ist, als dass er den Palazzo für acht Millionen Euro erworben haben soll. Man möchte ihm beste Gesundheit wünschen.

Eine Erklärung für diese seltsame Wiederholung aus finanziellem Untergang und tragischen Todesfällen gibt es freilich nicht. Vielleicht würde man ähnlich düstere Geschichten auch in einem Palazzo ein paar Hundert Meter weiter finden. Und doch heißt es, dass man beim Bau der Ca' Dario einst einen unheimlichen Fund vertuschen wollte. Auf dem Grund sollen nämlich die Überreste eines Templerfriedhofs gefunden worden sein.

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