Vegane Ernährung vs. Fleischkonsum:Jetzt haben wir den Salat

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Wundert es noch jemanden, dass immer mehr Menschen Vegetarier und Veganer werden? Schweinepest, Rinderwahn, Analogkäse - und jetzt der Pferdefleisch-Skandal: Dass die Deutschen sich zunehmend von ihrem einst liebsten Lebensmittel abwenden, hat nicht nur gesundheitliche, sondern auch Vernunftgründe. Und liegt an einem System, das den Überblick verloren hat.

Von Ruth Schneeberger

Vegetarische Ernährung, Vegan, Salat, Gemüse, Lebensmittelskandale

Sieht knackig aus - aber reicht das zum Glück? Salatkopf auf einem Hamburger Wochenmarkt. 

(Foto: dpa)

München-Innenstadt, an diesem Freitagmittag, in der Schrannenhalle, einer Art überdachtem Marktplatz mit Edel-Verkaufsständen: Die Bedienung eines frisch eröffneten Vegan-Standes serviert einem jungen Paar das Mittagessen. Es gibt Reis. Dazu Daal (indisch gewürztes Linsengericht), Rohkostsalat und Seitan-Gyros, also alles ohne tierische Zutaten. Das "Gericht des Tages" riecht dank der intensiven Gewürze angenehm und schmeckt frisch. Das Pärchen aber bedankt sich gleich so überschwänglich bei der Kellnerin und legt schon beim Anblick des Essens eine solche Strahlemiene auf, dass man sich auf den ersten Blick darüber wundern könnte, was daran so überaus toll sein soll: Reis, Linsen, Salat, Fleischersatz - ist das jetzt das Nonplusultra für hippe junge Großstädter?

Offenbar ja: Die Zahl der Vegetarier und Veganer hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig zugenommen, weltweit. In Deutschland geht der Vegetarierbund von aktuell rund 7 Millionen Vegetariern aus und stützt sich dabei auf Erhebungen des Allensbacher Instituts für Demoskopie. Das sei mehr als eine Verfünfzehnfachung innerhalb von 20 Jahren. Darunter seien derzeit ungefähr 700.000 Veganer, also Menschen, die nicht nur auf Fleisch und/oder Fisch, sondern auf sämtliche tierische Produkte verzichten und weder Käse noch Milch noch Eier noch Honig zu sich nehmen.

"Täglich kommen in Deutschland rund 2000 Vegetarier dazu", sagt die Sprecherin des Vegetarierbundes in Berlin, Elisabeth Burrer. Die Zahl der Vegetarier weltweit wird aktuell auf eine Milliarde geschätzt. Dabei ist Indien führend mit, je nach Quellenlage, 20 bis 40 Prozent der Gesamtbevölkerung, bis zu 200 Millionen Menschen. Dort ist es Angehörigen bestimmter Kasten verboten, Fleisch zu essen.

Mehr Vegetarier nach jedem neuen Fleisch-Skandal

"Nach jedem neuen Fleisch-Skandal haben wir besonders viel Zulauf", sagt Burrer, deren Verein etwa 7000 Mitglieder zählt. Im Jahr 2011 sei die Mitgliederanzahl um 40 Prozent gestiegen, 2012 um 50 Prozent. Und das, obwohl der Verzicht auf Fleisch, Fisch und andere tierische Lebensmittel für viele Nicht-Vegetarier zunächst mit Kasteiung und freiwilliger Selbsteinschränkung einhergeht.

Doch dieses Bild wandelt sich. Einer der bekanntesten Vertreter der modernen Veggie-Szene ist Attila Hildman aus Berlin. 31 Jahre alt, türkische Wurzeln, angehender Physiker und Deutschlands bekanntester Vegan-Koch. Sein Kochbuchreihe "Vegan for Fun" verkauft sich wie warme Semmeln, mithilfe der veganen Lebensweise hat er sich vom Moppelchen zum Vorzeige-Schwiegersohn entwickelt. Das zieht.

Auslöser war vor zehn Jahren der Tod seines Vaters durch einen Herzinfarkt. Als er zu hohe Cholesterinwerte auch bei sich selbst bemerkte, habe er sich erstmals bewusst mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt, erzählt Hildmann - und gehandelt: Erst nur Fleisch, dann auch Milchprodukte wurden vom Speiseplan gestrichen, er lernte kochen und dachte sich mangels abwechslungsreicher Rezepte einfach selbst neue Gerichte aus. Den Weg dahin und die Ergebnisse veröffentlichte er bei Youtube; zuletzt kochte er für Stefan Raab.

Neu an diesem Lebensmodell ist: der Spaß-Faktor. Zwanghafter Verzicht ist out, diese Generation von Vegetariern gönnt sich gelegentlich auch mal Fisch und Fleisch, wenn sie die Lust darauf packt. Teilzeit-Veganer zu sein, macht es für manche leichter. Attila Hildmann treibt viel Sport, hält gerne sein Six-Pack in die Kamera und zeigt sich stets bester Laune. Die Botschaft: Pflanzliche Ernährung ist schlau, macht schlank - und schützt die Umwelt. Das scheint zu motivieren.

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