Kolumne „Schön doof“Es lebe der Erbsenproteinzylinder!

Lesezeit: 2 Min.

Wie soll dieses vegane Frankfurter Schnitzel zukünftig genannt werden?
Wie soll dieses vegane Frankfurter Schnitzel zukünftig genannt werden? (Foto: Andreas Arnold/picture alliance/dpa)

Veggie-Wurst soll jetzt nicht mehr Wurst heißen dürfen, hat das Europaparlament beschlossen. Ist das nicht toll? Endlich machen auch konservative Parteien mit beim lustigen Sprach- und Verbots-Gaga.

Kolumne von Jan Stremmel

Soll noch einer sagen, die Politik kümmere sich nicht um die echten Probleme! Diese Woche musste das Europäische Parlament über einen Antrag abstimmen, der in der Dringlichkeit quasi gleichauf mit russischen Drohnenschwärmen über europäischen Flughäfen stand: Die konservative EVP-Fraktion in Straßburg will Bezeichnungen wie „Tofuwurst“ oder „Sojaschnitzel“ verbieten. Weil, Alarm: Verwechslungsgefahr!

Dass der Anti-Wurst-Antrag aus der Parteienfamilie stammt, zu deren Führungspersonal hierzulande ein auch als „fetischhafter Wurstfresser“ bekannter Ministerpräsident gehört sowie ein Bundeslandwirtschaftsminister, der im Hauptberuf Metzger ist, bleibt dabei gar nicht das erstaunlichste Detail. Mindestens faszinierend ist, wie Konservative aus dem Nichts ihre Liebe zu Sprachverboten entdecken, sobald es darum geht, Bürger vor dem irrtümlichen Verzehr von Lebensmitteln zu schützen, die die Umwelt weniger belasten, die Herzkranzgefäße schonen und nebenbei das ein oder andere Tierleben retten. Gott bewahre!

Dass die üblichen Kritiker nun empört „Lobbyismus!“ schreien, wirkt allerdings etwas überspannt und voreilig. Denn mal ganz ehrlich: Unionspolitiker, die sich ganz von allein für „Transparenz“ interessieren – hat man darauf nicht seit langer Zeit gewartet?

Es ist doch erst mal löblich, dass kleinliche Debatten über Sprachkorrekturen zur Abwechslung mal nicht von linker Seite kommen. Schon im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit sollte es auch den Rechten erlaubt sein, sich im traditionell linksgrün besetzten Fachbereich „bürgerfernes Sprach-Gaga“ einmal richtig zum Würstchen zu machen – respektive zum Soja-Stängel.

Außerdem, so viel Hoffnung muss erlaubt sein: Wenn künftig Veggie-Wiener nur noch streng sachlich Erbsenproteinzylinder heißen dürfen, wird sicher postwendend auch bald mit vielen anderen Lebensmittelnamen aufgeräumt, die uns Verbraucher seit Jahren hinterfotzig in die Irre führen.

Vorbei wäre die lästige Erkenntnis am Frühstückstisch, dass man seinen Cappuccino schon wieder nicht mit Kuh-, sondern mit Scheuermilch aufgegossen hat! Und, ganz ehrlich: Wer ist bitte nicht erleichtert, wenn er nie wieder Holzspäne in Butter ausbrät, nur weil sie im Laden gemeinerweise als „Hackschnitzel“ beworben werden?

Und warum überhaupt bei Lebensmitteln aufhören? Die Transparenzoffensive, für die sich die Union nun begeistert, könnte vielleicht direkt bei der tunlichst ignorierten Maskenaffäre des eigenen Fraktionschefs weitergehen. Schließlich sollten Wähler doch wirklich vor der irrtümlichen Verwechslung eines gewissen Jens S. mit einem seriösen, gewissenhaften Politiker geschützt werden. Und wenn man schon dabei ist, könnte man nicht im nächsten Schritt auch mal das „C“ im Kürzel des eigenen Parteinamens auf seine wahren Inhaltsstoffe abklopfen? Das Ergebnis könnte allerdings ein Wurst-Case-Szenario sein.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Schiffbrüchige aus Tonga
:„Wir hätten nie überlebt ohne einander“

Sechs Jugendliche, 15 Monate lang gestrandet auf einer einsamen Insel im Pazifik: Vor 60 Jahren war Mano Totau einer der „Tongan Castaways“. Ihre Geschichte fasziniert bis heute - als Beispiel für das Gute im Menschen.

SZ PlusVon Jan Stremmel

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: