Kolumne: Meine Leidenschaft:"Ich bin jetzt die Frau, die Kurkuma-Wurzeln kauft!"

Kolumne: Meine Leidenschaft: Die Schriftstellerin Alexa Hennig von Lange in ihrer Küche in Berlin-Prenzlauer Berg.

Die Schriftstellerin Alexa Hennig von Lange in ihrer Küche in Berlin-Prenzlauer Berg.

(Foto: Julia Rothhaas)

Über viele Jahre war ihr Verhältnis zu Essen kompliziert. Jetzt lebt Alexa Hennig von Lange vegan und ist glücklicher denn je. Und wie könnte es anders sein im Leben einer Schriftstellerin: Es liegt an einem Buch.

Von Julia Rothhaas

"Klingt vielleicht komisch", sagt Alexa Hennig von Lange, "aber dieses Buch hat zu mir gesprochen. Und damit alles verändert." Als sie das sagt, sind ihre Fingerkuppen bereits dunkelgelb. Der Kurkuma hat sie eingefärbt, den sie klein geschnitten mit etwas Ingwer, einer Schalotte und einer Tomate in den Blender gibt. Daraus wird die Soße zu den Reisnudeln, dem Tofu und Gemüse, dem Mittagessen an diesem Tag. Die Schriftstellerin steht in ihrer Küche, ein großer Raum in einer ehemaligen Senffabrik in Berlin-Prenzlauer Berg, mit langem Esstisch und Sofaecke, gegenüber vom Kühlschrank schwimmen klitzekleine Garnelen in einem Aquarium. Hier wohnt die 49-Jährige mit ihrem Mann und vier ihrer fünf Kinder. Die älteste Tochter ist bereits ausgezogen.

Ein Buch, das zu einem spricht? Wo gibt's denn so was? "Im Bioladen", sagt die 49-Jährige. Vor zwei Jahren sei ihr der Ratgeber zum Thema Intervallfasten beim Vorbeigehen ins Auge gefallen, und warum auch immer: Sie nahm ihn mit. Kurz darauf änderte sie ihre Essgewohnheiten. Abends gibt es nichts mehr zu essen, außerdem lebt Hennig von Lange jetzt vegan. Aber mehr noch: Seitdem das Buch zu ihr gesprochen hat, ist Essen wieder etwas Schönes, Freudvolles.

Das Thema Ernährung engt sie nicht mehr ein

Viele Jahre war das nicht so, im Grunde den Großteil ihres Lebens. Als Jugendliche nimmt Hennig von Lange erst stark zu, dann stark ab und wird magersüchtig. Obwohl sie die Krankheit überwinden kann, bleibt die Erfahrung hängen, dass falsche Ernährung dick macht. "Ich muss vorsichtig sein - diese Geschichte habe ich mir permanent selbst erzählt", sagt sie, "und die langweilte mich furchtbar." Über Jahrzehnte ist sie diejenige, die nur kleine Portionen isst, während sich der Rest am Tisch den Bauch vollschlägt. Heute lädt sie sich genauso viel auf ihren Teller wie ihre Kinder. "Die Mama isst jetzt Nudeln, das können die manchmal immer noch nicht glauben." Das Thema Ernährung engt sie nicht mehr ein, sie hat heute viel mehr Energie, "zwei Wochen nachdem ich das Buch gekauft hatte, war die Angst vorm Essen endlich weg".

Kolumne: Meine Leidenschaft: Tofu mit Pilzen und Bohnen in einer Kurkuma-Ingwer-Soße, dazu gibt es Reisnudeln.

Tofu mit Pilzen und Bohnen in einer Kurkuma-Ingwer-Soße, dazu gibt es Reisnudeln.

(Foto: Julia Rothhaas)

Die Frau mit dem roten Lockenkopf schält jetzt die Pilze, gibt sie zu den Bohnen im Topf, die bereits in der quietschgelben Soße vor sich hin köcheln. Wenn man ihr beim Kochen zusieht, strahlt Hennig von Lange eine große Ruhe aus. Zu keinem Zeitpunkt hetzt sie hektisch von Kühlschrank zu Arbeitsplatte, nichts fällt ihr auf den Boden, mit Bedacht schneidet sie den Tofu in Würfel, jeder davon ist exakt gleich groß. "Das habe ich von meiner Mutter gelernt", sagt sie. Die kam jeden Mittag aus dem Architekturbüro, das sie mit ihrem Mann führte, und kochte für die drei Kinder. "Ich habe es geliebt, neben ihr am Herd zu stehen, von der Schule zu erzählen, dabei zu lernen, wie man was macht, und in der Ruhe meiner Mutter zu sein. Gepaart mit der Hoffnung, dass es schneller geht, wenn ich ihr helfe." Von ihr weiß sie, wie man was schneidet, wie man sich in einer Küche bewegt. "Die Choreografie des Kochens, die habe ich damals verinnerlicht."

Ihre Großmutter war Hauswirtschaftslehrerin. Mit ihr hat Alexa Hennig von Lange zwar nie gekocht, doch von ihrer Lebensgeschichte, die ihre Oma in hohem Alter auf mehr als 130 Kassetten sprach, ließ sich die Autorin zu ihrem jüngsten Roman inspirieren. "Die karierten Mädchen", der Auftakt einer Trilogie. Darin erzählt sie die Geschichte einer jungen Frau, die 1929 als Lehrerin in einem Kinderheim arbeitet und spät erkennt, wer die Macht im Land eigentlich übernommen hat. Auch darin spielt Essen eine Rolle: Was kann man mit einem Gericht über sich aussagen, wie sehr hat man damit etwas unter Kontrolle, aber auch, schließlich spielt das Buch zur Zeit der Weltwirtschaftskrise: Wie bekommt man Menschen satt?

"Kinder und vegan, da bin ich vorsichtig."

Alexa Hennig von Lange schreibt seit ihrem achten Lebensjahr, ihr Debütroman "Relax" machte sie 1997 zu einer der erfolgreichsten Autorinnen ihrer Generation, neben Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre. Essen taucht thematisch in vielen ihrer Bücher auf, also ist es nur selbstverständlich, dass für sie das Kochen auch zum Schreiben gehört. "Ich schreibe immer so lange, bis der Energiestrom in mir versiegt, dann gehe ich in die Küche", sagt sie. In dieser handwerklich orientierten Arbeit findet sie Ruhe und neue Kraft. "Wenn ich mich nach dem Kochen wieder hinsetze, weiß ich immer, wie es weitergeht im Buch."

Alexa Hennig von Lange kocht täglich mehrfach für sechs Personen, häufig kommt noch die älteste Tochter hinzu. Für sich selbst, die älteste Tochter und ihren Mann, den Journalisten Marcus Jauer, bereitet die Schriftstellerin dann vegane Gerichte zu, die Kinder bekommen neben viel Gemüse auch Fleisch und Fisch. "Kinder und Veganismus, da bin ich eher vorsichtig. So radikal finde ich das nicht gut." Auch wenn ihre Achtjährige winzige Torten, Croissants, Burger und Eis am Stiel aus Knete bastelt: Viel Genörgel gibt es daheim nicht. Alle Kinder essen gern Obst und Rohkost. Nur bei den Möhren sind sich die zwei Kleinsten uneins. Während die Sechsjährige gekochte Möhren mag, will die Achtjährige nur rohe. Im Zweifel gibt es nach dem Essen ein Trost-Brot, komplett neu wird nicht gekocht. Neulich hat Hennig von Lange versucht, Spinat in Brownies hineinzuschmuggeln, "das haben meine Kinder aber gleich gemerkt".

Kolumne: Meine Leidenschaft: Die achtjährige Tochter bastelt für ihr Leben gern, zum Beispiel winziges Essen. Von den beiden Burgern aus Knete soll einer vegetarisch sein.

Die achtjährige Tochter bastelt für ihr Leben gern, zum Beispiel winziges Essen. Von den beiden Burgern aus Knete soll einer vegetarisch sein.

(Foto: Julia Rothhaas)

Jetzt ist der Tofu dran, "den anzubraten finde ich kniffelig, weil es am besten schmeckt, wenn alle Würfel von allen Seiten kross gebraten sind. Aber das ist gar nicht so einfach", sagt Hennig von Lange. Klappt wunderbar an diesem Tag, die Pfanne hat sie zuvor mit Kokosöl ausgewischt. Zum Gemüse in der Soße gibt sie nun die Tofu-Würfel und die gekochten Reisnudeln, darüber streut sie ein paar Cashewkerne, fertig ist das vegane Mittagessen, das über viele Stunden satt machen wird. "Für mich ist nicht nur das Ergebnis entscheidend, sondern auch das, was in dem Essen steckt", sagt sie fröhlich und bittet auf die Terrasse.

Die vegane Küche hat ihr eine neue Welt eröffnet

Seit zwei Jahren beschäftigt sie sich auch intensiv mit der Wirkung, die einzelne Lebensmittel auf den Körper haben. "Kurkuma ist sehr entzündungshemmend, aber dazu muss man unbedingt Pfeffer geben, das wirkt super." Die Tomaten seien dank Folsäure und Eisen gut für die Arterien, zum morgendlichen Porridge kommen Hanfsamen als zweite Proteinquelle, und die Bananen dürfen in ihrer Küche richtig dunkel werden. "Je dunkler, desto besser für die Zellen", sagt sie und lacht laut auf. Das tut sie häufig, wenn sie von Antioxidantien, Fetten und Mineralstoffen spricht. "Wenn ich einkaufe, denke ich immer mit, welches Nahrungsmittel welche Wirkung auf den menschlichen Körper hat. Fast wie ein Zahnarzt. Der guckt ja auch sofort auf die Zähne der Menschen, mit denen er sich auf einer Party unterhält."

Eigentlich isst sie am liebsten zu Hause, aber wenn sie eingeladen ist, und es gibt Fleisch, lässt sie sich manchmal auch davon ein kleines Stück auf den Teller legen. Und doch hat die vegane Küche Alexa Hennig von Lange eine neue Welt eröffnet; regelrecht überrascht sei sie gewesen, wie spannend und abwechslungsreich diese Art des Kochens ist. "Als ich das erste Mal bewusst ein Curry hergestellt habe, war ich völlig begeistert, was da alles drinsteckt. So viel Liebe! Es geht ja nicht nur darum, dass etwas nach Curry schmeckt. Sondern dass das, was nach Curry schmeckt, voller heilender Substanzen ist." Auch beim Einkaufen habe sich eine neue Welt aufgetan, heute legt sie völlig andere Zutaten in den Einkaufswagen als noch vor zwei Jahren: Seidentofu und Roh-Kakao, Süßkartoffeln und Quark auf Sojabasis. "Ich bin jetzt die Frau, die Kurkuma-Wurzeln kauft!"

Keine Leidenschaft ohne Zubehör. Diese Gegenstände braucht Alexa Hennig von Lange fürs vegane Kochen:

Kolumne: Meine Leidenschaft: Nicht ohne meinen Blender! Darin bereitet Alexa Hennig von Lange zum Beispiel Avocado-Dips vor.

Nicht ohne meinen Blender! Darin bereitet Alexa Hennig von Lange zum Beispiel Avocado-Dips vor.

(Foto: Julia Rothhaas)

Der Blender

"In der Küche ist der Blender sehr hilfreich: Ich zerkleinere damit Nackthafer fürs Porridge oder bereite verschiedene Pasten aus Süßkartoffel oder Avocado zu, die man aufs Brot streichen kann. Gekauft hat ihn mein Mann, damit wir Milchshakes für die Kinder machen können. Das ist genau drei Mal passiert, danach stand er jahrelang im Schrank."

Kolumne: Meine Leidenschaft: Hilft, große Mengen Gemüse zu zerkleinern: die Kitchen Aid.

Hilft, große Mengen Gemüse zu zerkleinern: die Kitchen Aid.

(Foto: Julia Rothhaas)

Die Küchenmaschine

"Auch diese Maschine benutze ich sehr oft, für Gemüsesuppen oder Currys. Insgesamt haben wir in den vergangenen Jahren in Bezug auf Küchenmaschinen noch mal ordentlich aufgestockt: Wir haben jetzt eine Joghurtmaschine und eine Tofu-Presse, damit der besser Gewürze aufnehmen kann. Wir hatten sogar mal eine Maschine, mit der man Pflanzenmilch herstellen kann. Aber die haben wir zurückgeschickt. Mit mit einem einfachen Sieb geht es besser."

Das Buch

Kolumne: Meine Leidenschaft: Erklärt das Intervallfasten und gibt einen Eindruck, was vegane Küche ausmacht: Dieser Ratgeber hat Hennig von Lange dabei geholfen, ihre Essgewohnheiten umzustellen.

Erklärt das Intervallfasten und gibt einen Eindruck, was vegane Küche ausmacht: Dieser Ratgeber hat Hennig von Lange dabei geholfen, ihre Essgewohnheiten umzustellen.

(Foto: Julia Rothhaas)

"Als ich im Biomarkt an diesem Buch vorbeigelaufen bin, hat es zu mir gesagt: Nimm mich mit! Zu Hause habe ich es aufgeschlagen und war sofort begeistert. Inzwischen ist es ganz schön zerfleddert, aber viele Rezepte kann ich ohnehin längst auswendig."

Bogenschießen, Schwimmen, Motorrad streicheln: Weitere Folgen von "Meine Leidenschaft" finden Sie hier.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: