Vater ohne Kind:"Als Samenspender missbraucht"

Peter Kees

Peter Kees: "Es kann durchaus sein, dass eine Partnerschaft nicht funktioniert, aber man ist dann ja immer noch Eltern. Doch es ist genau das Gegenteil dessen eingetreten, was ich mir je gewünscht habe"

(Foto: privat)

Peter Kees ist Vater, doch die Mutter verwehrt ihm den Kontakt zum Kind.

Protokoll: Lars Langenau

Peter Kees hat einen Film über sich gedreht, genauer über die vergangenen drei Jahre und vier Monate seines Lebens. Anfang 2013 wurde er Vater. Die Mutter der gemeinsamen Tochter verließ ihn allerdings noch vor der Geburt und brach den Kontakt ab. Weil er diese Situation kaum ertragen konnte, begann er sich selbst zu filmen. Herausgekommen ist eine Dokumentation über eine missglückte Vaterschaft. Hier ist seine Geschichte:

"In die Frau war ich schon einmal vor 15 Jahren verknallt, doch damals wurde nichts daraus. Dann begegneten wir uns vor vier Jahren in Schwabing wieder. Sie war 40, ich 47. Eigentlich wollte ich am nächsten Tag zurück nach Berlin, doch ich blieb. Es entstand eine Liebesgeschichte.

Bereits nach den ersten wundervollen Tagen eröffnete sie mir, dass sie unbedingt ein Kind haben wolle. Ich wollte das eigentlich nie, war aber so verliebt, dass ich zustimmte. Ich dachte einfach, ich sei angekommen.

Im Rückblick war ich naiv und gutmütig. Ich stimmte sogar zu, meinen Samen untersuchen zu lassen, damit sie von meiner Zeugungsfähigkeit überzeugt war. Sie ist monatlich zum Frauenarzt gegangen, hat ihre fruchtbaren Tage bestimmen lassen und wir haben auf Termin miteinander gevögelt.

Eigentlich war klar, dass bei ihr Partnerschaft ganz weit hinten steht. Doch ich habe vor Verliebtheit alle Warnsignale übersehen. Wir waren nur gut ein Jahr zusammen. Drei Monate vor dem errechneten Entbindungstermin trennte sie sich von mir und stellte von diesem Tag an die Kommunikation mit mir ein. Sie machte mir klar, dass wir nicht zusammenleben werden und ich auch keine Aussichten auf das Sorgerecht habe.

Sie fühlte sich von mir "bedrängt"

Zwischenzeitig kam ich mir vor wie ein Verbrecher, der dieser Frau sonst was angetan hat. Sie verbot mir den Kontakt zu ihrer Familie und Freunden. Bis heute habe ich keine Erklärung für ihr Verhalten, aber das ist für mich auch nicht das Wichtigste. Ich will vor allem eine Lösung für das Kind. Doch alle meine Kontaktversuche liefen ins Leere. Sie fühlte sich von mir "bedrängt", empfand jede Mail, jeden Anruf als "übergriffig" und erstatte dann auch noch Anzeige wegen Nachstellung.

Weder traf das zu, noch gab es einen anderen rationalen Anlass, dass sie so reagierte. Natürlich gibt es immer Gründe sich zu trennen und es haben immer zwei Menschen damit zu tun, wenn eine Partnerschaft nicht funktioniert, aber man ist dann ja immer noch Eltern.

Ich baute mir ein Nest

Das Leiden an einer traurig endenden Liebesgeschichte geht irgendwann einmal vorbei. Man vergisst den Schmerz, auch wenn das lange dauern kann. Mit einem Kind ist das anders. Ich bin wegen meiner Tochter von Berlin nach Bayern gezogen, habe hier letztendlich ein Nest gebaut. Weil ich nie für möglich gehalten hätte, dass man als Mann so ausgeklammert werden kann.

Die letzte Zeit der Schwangerschaft meiner Ex-Freundin bekam ich nicht mit, auch nicht die Geburt meiner Tochter. Ich hatte nur den ursprünglichen Geburtstermin, aber keinerlei Informationen darüber, wie die Geburt verlaufen war, ob und wann ich Vater geworden war. Babysachen, die ich während der Schwangerschaft gekauft hatte, kamen kommentarlos zurück. Böse gesagt, bin ich als Samenspender missbraucht worden.

Von der Geburt erfuhr ich erst eine Woche später durch einen Anruf bei ihrem Bruder. Dann kam eine Mail, wie man sie von Freunden kennt. Geboren Anfang Januar, Gewicht und so was. Völlig unpersönlich.

Keine Verbindung zur Mutter

In der Geburtsurkunde wurde niemand als Vater angegeben. Trotzdem habe ich nie daran gezweifelt, dass es meine Tochter ist. Wenn die Mutter mich rausdrängen will, wäre es doch am einfachsten für sie, zu behaupten, das Kind sei nicht von mir. Das hat sie aber nie gemacht.

Peter Kees

Peter Kees: Wichtig war mir, dass meine Tochter später Mal etwas hat, um zu sehen, was ihr Vater in dieser Zeit getan hat. Es ist eine Selbstbeobachtung über drei Jahre und vier Monate geworden.

(Foto: privat)

Der Anerkennung meiner Vaterschaft stimmte sie erst nach langem Hin und Her zu. Es brauchte anwaltlichen Druck. Zahlen sollte ich für das Mädchen allerdings schon, als ich de jure noch gar nicht Vater war.

Ich brauchte dann lange, um eine Entscheidung zu treffen: Zurück ins alte Leben nach Berlin, oder hierbleiben und mich der Verantwortung stellen. Ich entschied mich für das Münchner Umland und die räumliche Nähe zu meiner Tochter. Da saß ich nun alleine in der Idylle und konnte nichts tun. Das war keine lustige Zeit. Ich war nicht cool, ging auf dem Zahnfleisch und wäre gern emotional ruhiger geblieben.

Berührende erste Begegnung mit der Tochter

Zu dieser Zeit begann ich, mich selbst mit der Kamera zu begleiten. Mit dem Filmen konnte ich meiner Ohnmacht immerhin etwas entgegensetzen. Es war eine aktive Auseinandersetzung auf künstlerischer Ebene, die zu einer ganz eigenen Ästhetik führte. Ich stand abwechselnd vor und hinter der Kamera, konnte also weder zoomen noch die Kamera bewegen. Ein wunderbares Prinzip.

Der Film beschreibt meine inneren Landschaften, aber auch die grässliche Situation im Außen. Die Kommentare im Film sind Stimmen von Freunden aber auch Anmerkungen von Soziologen, Psychologen oder Therapeuten, die ich um Rat gefragt habe.

Wichtig war mir, dass meine Tochter später Mal etwas hat, um zu sehen, was ihr Vater in dieser Zeit getan hat. Es ist eine Selbstbeobachtung über drei Jahre und vier Monate geworden. Der Film endet im Februar dieses Jahres und wird gerade in ein paar Kinos in Deutschland gezeigt.

Wenn das Private politisch wird

Im Grunde folgte ich mit dem Film dem Gedanken, dass das Private auch politisch ist. Jedes dritte Kind kommt in Deutschland inzwischen nichtehelich auf die Welt. Und ich musste erfahren, dass ich kein Einzelschicksal habe, sondern dass es viele Männer wie mich gibt - und dass es immer mehr werden. Bei manchen von ihnen wurde der Kampf ums Kind zur Lebensaufgabe. Ich habe mir vorgenommen, dass ich nicht obsessiv werden will. Trotzdem möchte ich mich gern um meine Tochter kümmern.

Fünfeinhalb Wochen nach der Geburt konnte ich meine Tochter bei Freunden im Haus für eineinhalb Stunden sehen. Es war für mich unglaublich berührend und süß, als sie auf meinen Bauch lag und dort einschlief.

Ich würde jedem empfehlen, das mit Moderation und Beratung zu lösen und auf Gerichte zu verzichten. Nur ging das bei mir nicht. Ein Vermittlungsgespräch beim Jugendamt verlief zunächst ergebnislos. In den ersten elf Monaten habe ich sie zehn Mal gesehen. Jedes Mal für höchstens eineinhalb Stunden. Das bedeutete, dass die Mutter das Kind bei einer sozialen Einrichtung abgab und ich dort meine Tochter unter Begleitung einer Betreuerin sehen konnte.

Normalerweise bringt die Mutter das Kind oder der Vater holt es ab, aber das wollte die Mutter nicht. Und wenn sie das nicht will, dann will sie das nicht. Also musste ich meine Tochter auf neutralem Boden treffen. Das war doppelt schwierig, denn das Baby kannte mich ja gar nicht. Es war Stress pur für sie, sie hyperventilierte.

Eine verstörende Situation. Was man da alles auf sich nimmt. Irre. Nach elf Monaten bin ich auf Anraten dieser sozialen Einrichtung vor Gericht gezogen, um mein Umgangsrecht einzuklagen. Absurd. Ich dachte damals, dass ich ja anerkannter Vater bin und nun auch das Recht habe, mein Kind die Hälfte der Zeit zu sehen. Eine Fehleinschätzung. All das spreche ich im Film an, auch die unbefriedigende rechtliche Situation.

Lässt man los oder nicht?

Lässt man los oder nicht? Immer wieder stelle ich mir diese Frage. Ich weiß es nicht. Bis heute habe ich das nicht endgültig beantwortet. Vielleicht bin ich ein Kämpfertyp. Vielleicht sollte ich darauf hoffen, dass sich meine Tochter bei mir meldet, wenn sie erwachsen ist.

Doch wenn ich es tun würde, dann sitze ich vielleicht in zwei Wochen hier und habe Depressionen. Und was heißt eigentlich "loslassen"? Es wird mir ja auch in Zukunft nicht egal sein, was mit meinem Kind passiert. Ich mache diesen Affenzirkus mit, weil ich ihr den Vater nicht nehmen möchte. Weil ich mich verantwortlich für mein Kind fühle, auch wenn die Mutter das nicht will. Und ich glaube, dass Kinder zumindest später darunter leiden, wenn sie nur mit einem Elternteil aufwachsen.

Trotz all dieser Konflikte und der wenigen Zeit mit meiner Tochter entstand da eine Liebe. Zwischenzeitig durfte ich sie mal dreieinhalb Stunden mit nach Hause nehmen und mir wurde ein ganzer Tag zugesagt. Eingetreten ist das allerdings bis dato nicht.

Hätte ich mich anders verhalten können?

Meine Tocher sagt jetzt "Papa" zu mir. Aber in ihr toben mittlerweile massive Loyalitätskonflikte. Plötzlich kamen Sätze wie "Ich kann den Papa tot machen". Puhh. Seitdem die Mutter Wind von dem Film bekommen hat, wurde richtig schmutzige Wäsche gewaschen. Im Februar stellte sie Antrag auf Aussetzung des Umgangs mit dem Kind und will mir das Umgangsrecht ganz entziehen. Das Verfahren läuft gerade. Seit drei Monaten habe ich meine Tochter nicht gesehen.

Hätte ich mich anders verhalten können? Vielleicht ja. Natürlich habe ich Druck aufgebaut, schließlich wollte ich meine Tochter sehen. Und klar, ich hätte den Film nicht machen müssen. Habe ich aber. Letztendlich ist es vollkommen Wurst, weil die Mutter seit drei Jahren eh keinerlei Kompromissbereitschaft zeigt - und mich nach wie vor aus ihrem Leben und dem Leben meiner Tochter drängen will.

Ich wünsche mir so sehr Normalität, Leichtigkeit, einen normalen Umgang mit meiner Tochter. Und auch mit meiner Ex-Freundin. Ich wünsche mir ein Leben als buntes Patchwork. Die Hoffnung stirbt zuletzt."

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Peter Kees, 50, ist freischaffender Künstler und lebt in einem Dorf nahe München. Sein Film "Vaterlandschaften" läuft am 5. April um 19 Uhr im Kino Moviemento in Berlin (Kottbusser Damm 22), am 13. April um 19 Uhr im Monopol Kino in München (Schleißheimer Straße 127). Mehr Infos zum Film: www.vaterlandschaften.de

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