Valentinstag:Der perfekte Liebesbrief: "Ich verabscheue Dich!"

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Sie können Herzen erobern und erloschenes Feuer entfachen: Liebesbriefe - vorausgesetzt, man beherrscht die Kunst, sie zu schreiben.

(Foto: dpa)

So beginnt Napoleons Liebesbrief an Josephine. Eine Literaturwissenschaftlerin erklärt, warum das funktioniert - und ob romantische Worte auch per Whatsapp erlaubt sind.

Von Violetta Simon

Katharina Maier ist Mitherausgeberin der Bücher "Liebesbriefe großer Frauen" und "Liebesbriefe großer Männer". Die Literaturwissenschaftlerin sammelte dafür hunderte historische Dokumente der Zuneigung, die berühmte Persönlichkeiten in den vergangenen zwei Jahrhunderten verfasst haben - aus den schönsten zeigen wir Ihnen Auszüge. Ein Gespräch über den perfekten Liebesbrief. Und warum auch langjährige Paare seine Macht nicht unterschätzen sollten.

Pubertierende stecken einander verschämt Zettelchen zu, auf denen steht: "Willst Du mit mir gehen? ja / nein - bitte ankreuzen!" Geht das auch weniger pragmatisch?

Auch Jugendliche dürfen durchaus versuchen, einen "echten" Liebesbrief zu schreiben. Es genügen ein paar Zeilen, warum man den anderen toll findet und gerne mit ihm oder ihr zusammen wäre. Die Frage nach dem "Willst Du ..." kann den Abschluss des Briefes bilden, auf die Ankreuz-Forderung würde ich aber verzichten. Der andere wird schon wissen, wie man darauf antwortet.

Müssen Liebesbriefe immer handgeschrieben sein - oder ist auch mal eine E-Mail oder Whatsapp erlaubt?

Noch vor einigen Jahren hätte ich gesagt: Nein, das geht gar nicht. Doch inzwischen habe ich eingesehen, dass der Liebesbrief dadurch nicht stirbt, er wechselt nur das Medium. Ich kenne viele Leute, die Gedichte per Whatsapp verschicken oder Mails zur Liebeskommunikation nutzen. Die denken sich nicht: "Für einen Liebesbrief ist das doch viel zu profan!" Für die Generation, die jetzt damit aufwächst, ist das ein naheliegender Weg, sich auszutauschen, so selbstverständlich wie für uns früher Briefe. So bleibt der Liebesbrief inhaltlich erhalten, auch wenn man ihn nicht auf Büttenpapier schreibt und per Post verschickt.

Sind Liebesbriefe nur etwas für Verliebte?

Keineswegs! Auch Paare, die schon länger zusammen sind, offenbaren einander ihre Gefühle in einem Brief. Vor allem, wenn sie längere Zeit getrennt voneinander sind oder ein besonderes Ereignis stattgefunden hat, etwa die Geburt eines Kindes. Das finde ich eigentlich die schönste Gelegenheit, dem anderen zu sagen, was er einem bedeutet.

Ist es nicht ungewohnt, seinem langjährigen Partner einen Liebesbrief zu schreiben?

Kommt darauf an. Wenn kleine Liebes-Botschaften in der Beziehung eher nicht zum Alltag gehören, kann man versuchen, sich an die Anfänge zu erinnern. Nachspüren, wie es damals war. Oder einen neuen Blick auf den Partner werfen - nicht als derjenige, dem ich jeden Morgen dabei zusehe, wie er seine durchweichten Cornflakes isst. Sondern als die Person aus einer Zeit, in der alles magisch war.

Auch Rosa Luxemburg schrieb ihrem Lebensgefährten Leo Jogiches Briefe, allerdings befand sich ihre Beziehung damals in einer Krise ...

Ja, Luxemburg hat sich geöffnet, als Jogiches sich von ihr abgewandt hat. Die Briefe waren für sie eine Möglichkeit, ihm zu zeigen, wie es ihr ging, ohne dass er sie unterbrechen konnte. Eine kluge Strategie, weil man so in Ruhe aufschreiben kann, was man wirklich sagen will, und der andere einen dabei nicht in eine Ecke drängt, in der man nicht sein will.

Rosa Luxemburg an Leo Jogiches, 16. Juli 1897: "Dir wird es bestimmt abenteuerlich vorkommen, vielleicht sogar lächerlich, dass ich diesen Brief an Dich schreibe, wohnen wir doch zehn Schritte voneinander. Wir sehen uns doch dreimal täglich. Überhaupt bin ich doch nur Deine Frau; wozu dann diese romantische Geste eines des Nachts geschriebenen Briefes an den eigenen Mann!"

Portrait; Katharina Maier

Katharina Maier, Herausgeberin von "Liebesbriefe großer Frauen", "Liebesbriefe großer Männer".

(Foto: Sandra Behrbohm; Foto Behrbohm; privat)

Napoleon beginnt einen Brief an Josephine mit den Worten "Ich verabscheue Dich. Du bist hässlich, ungeschickt, dumm, unansehnlich ..." und beendet ihn in der Hoffnung, dass er seine Frau bald "in die Arme schließen und mit einer Million Küssen" bedecken werde. Verstehen Sie das?

Paare verwenden untereinander häufig eine eigene Sprache, eine Art Liebescode. Napoleon drückt zunächst in einem gespielt entrüsteten Tonfall seine Sorge darüber aus, dass sie seine Briefe nicht beantwortet. Er hatte durchaus Grund zur Eifersucht, weil Josephine immer wieder andere Liebhaber hatte. Doch er wusste, dass er ihr mit echten Vorwürfen nicht zu kommen braucht. Also übertrieb er maßlos, um seine Sorge auszudrücken. Solche Mechanismen sind ein wichtiges Element in Briefen von Paaren, die sich gut genug kennen, um auch spielerisch miteinander umzugehen. Goethe und Christiane Vulpius hatten sogar eine eigene "Flirtsprache" - ein Wechsel zwischen absoluter Offenheit, bei der man den anderen mitten ins Herz blicken lässt, und kokettem Flirt, wo man nicht alles unbedingt so meint, wie man es sagt.

Napoleon Bonaparte an Kaiserin Joséphine, 13. November 1796: "Ich liebe Dich gar nicht mehr; im Gegenteil ich verabscheue Dich. Du bist hässlich, ungeschickt, dumm, unansehnlich. Du schreibst mir nie, liebst Deinen Mann nicht; Du weißt genau, welches Vergnügen Deine Briefe ihm bereiten. Was tun Sie denn den ganzen Tag, Madame? Welches wichtige Geschäft raubt Ihnen die Zeit, an Ihren Herzallerliebsten zu schreiben? ... Joséphine, nehmen Sie sich in acht; in einer schönen Nacht werden die Türen eingedrückt werden, und ich stehe vor Ihnen. Ich bin wirklich besorgt, meine liebe Freundin, so lange nichts von Dir zu hören; schreibe mir schnell vier Seiten voll der liebenswürdigen Dinge, die mein Herz mit Freude und Glück erfüllen. In Kurzem hoffe ich, Dich in meine Arme zu schließen und Dich mit einer Million Küssen, so heiß wie unter dem Äquator, zu bedecken.

Verrückt, aber schön: Clemens Brentano

Welche Briefe aus den vergangenen Jahrhunderten können uns heute noch berühren?

Die Liebesbriefe der deutschen Romantiker wie Bettina von Arnim oder Clemens Brentano beeindrucken mich sehr, obwohl - oder gerade weil - sie nicht zeitlos sind. Da ist alles so groß: der Schmerz, die Gefühle. Brentano hat vielen Menschen, die er kannte, solche flammenden Briefe geschrieben, egal, ob Mann oder Frau. Immer ging es darum, Emotionen jeder Art möglichst großartig und umfassend darzustellen, auch auf spielerische, poetische Art. Sobald es mit Liebe und Lust zu tun hatte, war alles wunderbar und herrlich. Ein bisschen verrückt. Aber das ist ja gerade das Schöne daran.

Clemens Brentano an Caroline von Günderrode, 1802: "Gute Nacht! Du lieber Engel! Ach, bist Du es, bist Du es nicht, so öffne alle Adern Deines weißen Leibes, dass das heiße schäumende Blut aus tausend wonnigen Springbrunnen spritze, so will ich Dich sehen und trinken, aus den tausend Quellen trinken, bis ich berauscht bin und Deinen Tod mit jauchzender Raserei beweinen kann, weinen wieder in Dich all Dein Blut und das meine in Tränen, bis sich Dein Herz wiederhebt und Du mir vertraust, weil das meinige in Deinem Puls lebt."

Wie sieht der perfekte Liebesbrief aus - was muss drin sein?

Auf jeden Fall Ehrlichkeit. Man sollte offen schreiben was man fühlt, statt sich in den Vordergrund zu spielen und seine Pfauenfedern zu präsentieren und zu demonstrieren, wie toll man ist. Das heißt nicht, dass der Schreiber zu schüchtern auftreten soll, im Gegenteil: Gerade wer versucht, jemanden zu erobern, wirkt nicht sehr attraktiv, wenn er betont "Ich habe Dich nicht verdient" oder gleich selbst die Frage stellt: "Warum solltest du mich zurücklieben?"

Gottfried Keller an Luise Rieter, 6. Oktober 1847: "Ich bin noch gar nichts und muss erst werden, was ich werden will, und bin dazu ein unansehnlicher armer Bursche: Also habe ich keine Berechtigung, mein Herz einer so schönen und ausgezeichneten jungen Dame anzutragen ..."

Aber wie drückt man sie aus, die wahren Gefühle?

Was immer eine starke Wirkung hat: beschreiben, was die Anwesenheit oder die Abwesenheit des anderen mit einem macht. "Ich fühle mich leer ohne Dich" oder "Wenn Du den Raum betrittst, geht die Sonne auf" - so etwas lässt sich immer gut nachvollziehen.

Mit Verlaub, das klingt ein bisschen albern. Wie kann ich einer ahnungslosen Person meine Gefühle darlegen, ohne wie ein Idiot da zu stehen?

Das geht fast nicht. Legen Sie diese Angst besser ab, sonst sind Sie zu sehr darauf fixiert, gut dazustehen und lassen sich womöglich dazu hinreißen, irgendwelche gekünstelten Formulierungen zu übernehmen. Der andere merkt, ob etwas ehrlich gemeint ist. Nehmen Sie es also besser in Kauf, sich lächerlich zu machen. Wenn die Zuneigung auf fruchtbaren Boden fällt, wird der Adressat automatisch wohlwollend reagieren.

Wie lehnt man eine Liebeserklärung ab, ohne den anderen bloßzustellen?

Eine klare Antwort ist immer besser als langes Herumlavieren. Also ein deutliches "Nein", so wie Gottfried Keller es von Luise Rieter verlangt, und nicht ein "Ähm ja, vielleicht, ich ruf dich mal an ..."

Noch einmal Gottfried Keller an Luise Rieter, 16. Oktober 1847: "... wenn Sie mich nicht schon entschieden lieben, so sprechen Sie nur ein ganz fröhliches Nein aus, und machen Sie sich herzlich lustig über mich; denn Ihnen nehme ich nichts übel, und es ist keine Schande für mich, dass ich Sie liebe, wie ich es tue."

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Die Auszüge aus den Liebesbriefen stammen aus den Büchern "Liebesbriefe großer Frauen" und "Liebesbriefe großer Männer", erschienen im Marix Verlag. Herausgegeben von Sabine Anders und Katharina Maier.

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