USA: Protest gegen Anti-Fett-Hysterie:Dicke müssen draußen bleiben

In Mississippi sollen Dicke in Restaurants nichts mehr zu essen bekommen. Im Internet formiert sich eine protestierende Blogszene. Ihr Tenor: Manche Menschen sind dick. Punkt.

Birgit Lutz-Temsch

Deutschland diskutiert die Verzehrstudie, der deutsche Esser kann sich kaum noch retten vor Ernährungstipps in Fernsehen, Radio, Zeitung und Internet. Auf allen Kanälen wird bewusst gehobelt, geschnippelt und gebrutzelt. Deutschland soll dünner werden, ist die Botschaft, denn dünner heißt gesünder. Bulimie- oder Anorexie-Kranke feiern derzeit wohl ein Fest.

USA: Protest gegen Anti-Fett-Hysterie: Dicke werden diskriminiert - so der Tenor der fatosphere-Blogs.

Dicke werden diskriminiert - so der Tenor der fatosphere-Blogs.

(Foto: Quelle: bfdblog.com)

In den USA geht die Anti-Fettleibigkeits-Hysterie so weit, dass im Bundesstaat Mississippi gerade über ein Gesetz beraten wird, das es Restaurants verbieten soll, Dicken Essen zu servieren. Zur Unterstützung der staatlichen Bemühungen im Kampf gegen Fett. In der so genannten Bill 282 sollen die Richtlinien des Gesundheitsministeriums festgehalten werden, die bestimmen, wer als dick und deshalb vermutlich bereits als satt zu betrachten ist. Und diese Richtlinien sollen alle Restaurants bekommen.

Widerstand im Web

Kein Wunder also, dass sich langsam Widerstand formiert, und kein Wunder, dass dieser als erstes im Internet artikuliert wird. In den USA hat sich eine Bloggerszene gebildet, die sich selbst als "fatosphere" oder "no-diet-zone" beschreibt, eine diätfreie Zone. Die Kernaussage der meisten dieser Blogs ist: "Die Menschen kommen dick oder dünn auf die Welt, das ist nun mal so. Und nicht bei jedem Menschen führen Bewegung und bewusste Ernährung dazu, auf einmal dünn zu werden."

In den Blogs schlagen die Wellen gegen Bill 282 hoch. Bei "I Love My Body Pledge" ist die Rede von der "Erosion der grundlegenden Bürger- und Menschenrechte, weil fortwährend ein Krieg gegen einen Teil unserer Bevölkerung geführt wird."

Die Blogger wehren sich aber nicht nur gegen den Gesetzesvorschlag, sondern generell dagegen, dass Dicksein negativ besetzt sei: Dicke gelten als faul, disziplinlos, als ungebildete, unsportliche Menschen, die sich nicht im Griff haben, sondern den ganzen Tag auf dem Sofa sitzen und Tiefkühlpizzen in sich hineinstopfen, liest man immer wieder in den Postings.

Schwing Deinen Arsch in ein Fitnessstudio!

Das schlechte Gewissen, das die Gesellschaft Dicken mittlerweile mache, sei unfair, heißt es dort - und deshalb werden auch immer wieder Medienberichte diskutiert. Auf the f-word.org ist ein Beitrag zu finden, in dem die Bloggerin einen Forbes-Artikel kommentiert, der aussagt: "Nichts sagt deutlicher ´Ich liebe Dich´ als ´schwing Deinen fetten Arsch in ein Fitnesstudio´".

In dem Forbes-Text wird vorgeschlagen, dem Liebsten zum Valentinstag die Möglichkeit auf ein gesünderes und längeres Leben zu schenken - mit einer Mitgliedschaft in einem Fitnesstudio. Die Bloggerin setzt dem entgegen, nichts würde von mehr Liebe zeugen, als dem anderen ein klares Zeichen zu geben, dass man ihn genau so annehme, wie er ist.

Im big fat deal-Blog ruft eine Schreiberin dazu auf, den Musiker Wycleaf Jean zu boykottieren, der bei einem Konzert Mädchen anstachelte, zu ihm auf die Bühne zu kommen - doch nur, wenn sie unter 200 Pfund wiegen würden. Die Macher dieser Seiten sehen in dem Blog eine Bewegung für ein positives Körpergefühl - egal, welches Gewicht man hat.

Die meisten dieser Blogger sind weiblich. Doch es gibt auch Seiten von dicken Männern. Unter Red No.3 etwa schreibt sich ein Mann seinen Frust über den Umgang mit Fetten vom Leib. Und auch ihn ärgert vor allem das in der Gesellschaft vorherrschende Bild, Übergewichtige seien nur zu schwach, um dünner zu werden.

Auf den Seiten von Fatfu werden die Bemühungen der amerikanischen Gesundheitsbehörden mit Kreuzzügen verglichen, vor allem, seit sich diese der Fettleibigkeit von Kindern zugewendet haben.

Übergewichtige Kinder sollen demnach zuerst ein Programm durchlaufen, bei dem sie weniger fernsehen, weniger essen und sich mehr bewegen. Bewegt sich das Körpergewicht der Kinder danach noch immer außerhalb der Norm, sind Kinderärzte angehalten, ihre Patienten an so genannte weight loss centers zu verweisen. Dort werde dann über eine noch kalorienreduziertere Diät, Medikation oder sogar Operation beraten.

Allen Blogs ist eines gemein: Der Umgang mit Dicken wird als höchst diskriminierend empfunden. Über keine andere Bevölkerungsgruppe dürften - sogar mit staatlicher Beteiligung - so viele Vorurteile verbreitet und zementiert werden, wie über Dicke.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: