Süddeutsche Zeitung

Corona und Urlaub:Willkommen zurück, ihr Virenschleudern!

Lesezeit: 3 min

Lange her, dass Familie und Freunde sich noch für Urlaubsfotos und Mitbringsel interessierten: Corona versaut uns nicht den Urlaub. Sondern vor allem das Heimkommen.

Von Katharina Riehl

Erinnern Sie sich noch daran, wie das war, damals vor langer Zeit im Jahr 2019? Da stieg man, nur zum Beispiel, in München aus dem Flugzeug nach einer dreiwöchigen Reise nach Thailand, am Ausgang wartete ein strahlender Großelternteil, man fiel sich um den Hals, die Wartenden nebenan schlangen ihre Arme um andere Fernreisende. Ein paar Menschen am Flughafen hatten sogar Plakate dabei, darauf stand in bunten Buchstaben: "Welcome home!" oder "Willkommen zu Hause" oder "Zeit wird's".

In diesem Jahr gibt es auch Plakate an den Flughäfen. Darauf steht: "Präventivtest Sars CoV-2 (Abstrichzentrum)".

Willkommen zu Hause!

Es ist viel debattiert worden in den vergangenen Wochen über die Frage, ob und wie und wohin man in diesem seltsamen Jahr 2020 in einen Urlaub fahren kann oder lieber nicht sollte. Es ging um eine mögliche Maskenpflicht am Strand, virenabsaugende Klimaanlagen in Flugzeugen, um selbst mitgebrachte Campingtoiletten, plexiverglaste Romantikecken in Restaurants und gesperrte Frühstücksbuffets. Doch jetzt, pünktlich zur Halbzeit der bundesdeutschen Sommerferienzeit, reift eine ganz unerwartete Erkenntnis: Corona verdirbt nicht in erster Linie das Urlaubmachen. Corona verdirbt in erster Linie das Nachhausekommen.

Keiner interessiert sich für die Schönheit der Felsformationen

Die Heimkehr aus dem Urlaub bedeutet zwar in jedem Sommer einen harten Aufschlag in der Wirklichkeit, aber auch hier ist schon jetzt ein Corona-Effekt messbar. Denn Urlaub funktioniert in diesem Jahr mehr denn je als eine Art paralleles Universum, als kleine Flucht aus dem Alltag mit täglichen RKI-Zahlen auf dem Smartphone und Bodenmarkierungen im Supermarkt. Im Urlaub umspielt das Meer die Füße, der Wind umweht die Nase, und wer im Zelt schläft, muss oft tagelang keine Maske aufsetzen. Für alle Zweifler: Ja, man kann im Jahr 2020 wirklich ganz wunderbar Ferien machen.

Nach drei Wochen Welt- und Virenflucht steuert man also müde und zufrieden das vollgepackte Auto Richtung Brenner, ein Viertel Parmesan und 25 Liter Olivenöl im Kofferraum. Und ahnt noch nicht, dass sich alle Daheimgebliebenen nur für das eine und blöderweise unsichtbare Souvenir interessieren. Dass man tags darauf stolz am Kaffeetisch seine Fotos zeigen wird, doch statt über die Schönheit der Felsformationen alle nur über den hoffentlich eingehaltenen Mindestabstand im Duschhäuschen sprechen wollen. Und war es auf der Fähre nicht arg voll? (Geht so.) Und haben die Kinder dort nicht ständig alles angefasst? (Klar.) Und sind die Italiener nicht alles in allem doch ein bisschen zu unvorsichtig? (Überhaupt nicht.)

Während also der Bundesgesundheitsminister mitteilt, dass er vier Wochen zu spät eine Testpflicht für Reiserückkehrer beschließen möchte, während Markus Söder dem Virus die Einreise über bayerische Flughäfen am Montag dieser Woche offiziell untersagt, weiß der normale Urlauber schon längst, dass nichts mehr ist wie früher. Dass man mit der Exotik und Schönheit des eben bereisten Landes niemanden mehr beeindrucken kann, sondern nur mit einer dort vorgefundenen niedrigen Rate an Neuinfektionen. Dass Verwandte, Freude und Kollegen höflich fragen: Und, wie war das Wetter? Und in Wahrheit meinen: Ihr habt euch doch hoffentlich nicht in geschlossenen Räumen aufgehalten?

Heimkehrer sind die neuen Ansteckungsherde

Der Heimkehrer ist in diesem Sommer nichts anderes als ein potenzieller Ansteckungsherd, ein unvernünftiger Bürger, der nicht bereit war, sein Urlaubsvergnügen dem Gemeinwohl zu opfern. Und das, obwohl gerade in Bayern der Ministerpräsident doch schon seit April darauf hinweist, wie schön es sich im Allgäu, den Alpen oder dem Altmühltal urlauben lassen würde - und es bald zu jedem Sehnsuchtsziel von einst, Mallorca, Italien, Wolfgangsee, eine hübsche kleine Gruselgeschichte zu erzählen gibt.

Doch zur Wahrheit gehört auch: Man ist ja selber nicht anders, sobald es nicht ums eigene Strandvergnügen geht. Als die alte Schulfreundin vergangene Woche aus Kroatien zurückkam, hat man da nicht auch noch mal kurz nachgerechnet, ob das nächste Treffen auch sicher erst zwei Wochen nach ihrer Heimreise stattfinden würde? Gesagt hat man natürlich nichts, sich nur mal erkundigt, ob es denn recht voll war an den Stränden.

Ob wir etwas aus dem Urlaub mitgebracht haben, hat uns in diesem Jahr übrigens niemand gefragt.

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