Untersuchung von Lebensmitteln:Lukrative Verbrauchertäuschung

Dreck, krebserzeugende Gifte und Vanilleeis ohne Vanille: Über eine halbe Million Betriebe wurden im vergangenen Jahr kontrolliert. Die Ergebnisse.

Wenn man liest, was die Lebensmittelkontrolleure im vergangenen Jahr an Mängeln festgestellt haben, kann einem der Appetit vergehen: Die Hälfte aller kontrollierten Betriebe ließen in punkto Reinigung und Desinfektion zu wünschen übrig. Besonders Dönerbuden fielen negativ auf: In jedem dritten der 875 geprüften Imbisse beanstandeten die Prüfer Hygienemängel und schlecht geschultes Personal. Dies zeigt der am Montag veröffentlichte Jahresbericht zur staatlichen Lebensmittelüberwachung.

Bei der Untersuchung auf unerwünschte Inhalte wie Schadstoffe, Pflanzenschutzmittel und Tierarzneien stellte sich heraus, dass 76 bis 90 Prozent aller Proben für Birnen, Johannisbeeren, Stachelbeeren sowie Mandarinen und Clementinen messbare Rückstände aufwiesen. Diese wurden aber in dem Bericht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) nicht als gesundheitsgefährdend eingestuft.

Anders sah es bei Birnen aus der Türkei aus, in denen das in der Europäischen Union verbotene Pflanzenschutzmittel Amitraz gefunden wurde. Die Früchte wurden vom Markt genommen und vernichtet.

Positiv fielen hingegen Frischobst, Frischgemüse und Kartoffeln aus inländischer Bioproduktion auf. In den 350 untersuchten Proben fanden sich kaum Pflanzenschutzmittelrückstände oder Schwermetallgehalte.

40 Prozent Vanilleeis ohne Vanille Bei den Kontrollen zur Lebensmittelsicherheit bildete Vanille einen Untersuchungsschwerpunkt, weil der hohe Preis und die steigende Nachfrage die Verbrauchertäuschung lukrativ machen. Von 290 Proben Vanilleeis wurden 110 Proben, also 38 Prozent, beanstandet, weil sie statt Vanille naturidentisches Vanillin oder die künstlichen Aromastoffe Piperonal und Ethylvanillin enthielten. Bei Vanillepuddingen und -soßen gab es indes keine Beanstandungen.

In mehr als 73 Prozent der Proben von Kartoffeln, Spinat, Zwiebeln, Apfelsaft, Distelöl, Olivenöl (natives extra) und Schokolade wurden keine Pflanzenschutzmittelrückstände festgestellt. In Reis, Gurken, grünen Bohnen, Karotten und Pfefferminzblättertee fanden sich hingegen häufiger Rückstände. Auch drei Viertel der untersuchten Rooibostee-Proben enthielten quantifizierbare Gehalte.

Krebserzeugende Gifte aus Schimmelpilzen (Mykotoxine) wurden in sieben Prozent der Reisproben gefunden, in 45 Prozent der Lakritze sowie in 60 Prozent der Schokoladen mit mit hohem Kakaoanteil. Hier seien mehr Eigenkontrollen der Unternehmen gefragt, hieß es.

"Perverse Situation als Normalfall"

Zu diesem Ergebnis kamen amtlichen Lebensmittelkontrolleure, nachdem sie im vergangenen Jahr 935.000 Inspektionen in gut 540.000 Betrieben durchgeführt hatten. Bei rund 126.000 Betrieben wurden Verstöße festgestellt, zumeist wegen mangelhafter Hygiene oder Kennzeichnung. Die Zahl der Kontrollen sank damit gegenüber dem Vorjahr um rund 70.000, obwohl die Zahl der Lebensmittelbetriebe um gut 25.000 auf 1,21 Millionen stieg.

Die Verbraucherschützer von foodwatch rügten, dass die Kontrollen Jahr für Jahr erschreckend hohe Missstände offenlegten, sich aber fast nichts ändere. "Durch die Untätigkeit der Behörden wird diese perverse Situation als Normalfall angesehen", sagte Geschäftsführer Thilo Bode. Gegen Imitat-Betrug und Schmuddelrestaurants würden nicht mehr Kontrollen und härtere Strafen helfen, sondern nur Abschreckung durch Transparenz. "Alle Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen müssen veröffentlicht werden, und zwar mit namentlicher Nennung der Betriebe", verlangte er.

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