Apollo-Programm:Wäsche für den Mond

Etwa 20 000 Firmen waren in der ein oder anderen Weise am Apollo-Programm beteiligt. Und heute entdecken vor allem junge Unternehmen die Raumfahrt als vielversprechenden Markt.

Von Dieter Sürig

APOLLO 17 - LETZTE LANDUNG AUF DEM MOND

Der Geologe Harrison H. Schmitt war mit der letzten Mondmission Apollo 17 im Dezember 1972 auf dem Erdtrabanten. Er trug einen Raumanzug der Firma International Latex Corporation und war auch mit dem Mondrover unterwegs, der seit Apollo 15 zur Ausrüstung gehörte. Das Mondauto wurde von Boeing und General Motors gebaut.

(Foto: dpa)

Die Dragon-Raumschiffe der kalifornischen Firma Space-X von Elon Musk beliefern die Internationale Raumstation ISS seit 2012 regelmäßig mit Ausrüstung, Lebensmitteln und wissenschaftlichem Gerät. Auch die Firma Orbital, die mittlerweile zum US-Konzern Northrop Grumman gehört, hat seit 2014 bereits einige Frachtflüge absolviert. Noch in diesem Jahr will Space-X das erste Mal mit seiner Crew-Dragon Astronauten zur Raumstation befördern, der Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing möchte mit seinem Starliner demnächst ebenfalls eine Astronautenkapsel zur ISS schicken. Die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa will damit erstmals seit dem Ende des Space Shuttles 2011, wieder Astronauten zur Raumstation transportieren, ohne von den Russen abhängig zu sein. In den vergangenen Jahren musste sie Plätze an Bord der russischen Sojus buchen - zum Preis von etwa 80 Millionen Dollar pro Astronaut.

Space-X und Boeing wollen es nicht nur billiger machen - die Astronauten würden auch wieder von Florida aus ins All starten. Die Fracht- und Astronautenflüge sind das Resultat aufwendiger Ausschreibungs- und Förderprogramme der Nasa, an denen sich zahlreiche Unternehmen beteiligt haben. Die Behörde hat für Entwicklung und Bau der Raumschiffe Milliarden investiert.

Die Nasa hat die Privatindustrie aber nicht erst mit Space-X entdeckt. Am Apollo-Saturn-Programm in den Sechzigerjahren waren Schätzungen zufolge etwa 400 000 Menschen bei der Nasa und rund 20 000 Zulieferer aus ganz Amerika beteiligt. Das Programm kostete nach Nasa-Angaben knapp 19,5 Milliarden Dollar.

Selbst die International Latex Corporation - bekannt für Unterwäsche und Dessous von Playtex - leistete ihren Beitrag zur Mondlandung: Das Unternehmen stellte die Raumanzüge für die Mondspaziergänge her. Ein Anzug kostete damals inklusive Lebenserhaltungssystem etwa 100 000 Dollar - pro Apollo-Mission orderte die Nasa 15 maßgeschneiderte Raumanzüge: Für die drei Astronauten je drei, für die Ersatzcrew je zwei.

Für den Bau der Mercury-Kapsel hatten sich zwölf Firmen beworben

Schon die Mercury-Kapsel, mit der Alan Shepard 1961 als erster Amerikaner für einige Minuten im Weltraum war, stammte aus der Privatwirtschaft - nämlich aus der Fabrik des Herstellers McDonnell Aircraft, der späteren McDonnell-Douglas, die seit 1997 zu Boeing gehört. Zwölf Firmen hatten 1959 um den Produktionsauftrag gebuhlt, wie im Nasa-Archiv nachzulesen ist. Die Raumfahrtbehörde benötigte insgesamt 20 Kapseln. McDonnell Aircraft erhielt später auch den Zuschlag für den Bau von zwölf Gemini-Kapseln.

Bei den Apollo-Vorläuferprogrammen Mercury und Gemini haben allerdings vor allem Nasa-Ingenieure die Raumschiffe entwickelt und Unterstützung aus der Industrie hinzugezogen, später war es eher umgekehrt. Auch das heutige Raumschiff Dragon wird von Space-X-Ingenieuren selbst entwickelt - wenngleich sie Millionen Dollar von der Nasa bekommen haben und die strengen Nasa-Anforderungen einhalten müssen.

Ähnlich ist es bei den Trägerraketen: Während die Falcon 9 von Space-X entwickelt und gebaut wird, zum Teil auch mit Nasa-Geld, handelte es sich bei der Redstone des Mercury-Programms um eine bei der Nasa weiter entwickelte V2-Rakete, die das NS-Regime im Zweiten Weltkrieg tausendfach von Zwangsarbeitern fertigen ließ und unter anderem auf London abfeuerte. Ausgerechnet V2-Erfinder Wernher von Braun durfte die Redstone in Amerika mit einem Ingenieursteam entwickeln - gebaut wurde sie dann von der Chrysler Corporation.

Am Apollo-Programm...

...waren auch deutsche Firmen beteiligt, allerdings im kleineren Rahmen. Dazu gehörten beispielsweise Carl Zeiss und Heraeus. Das Optikunternehmen Carl Zeiss aus Oberkochen hatte bereits bei den Mercury-Flügen Anfang der Sechzigerjahre die Kameraobjektive für den Beginn der Weltraumfotografie entwickelt - in Kombination mit der modifizierten Kamera 500C der schwedischen Firma Hasselblad, aber auch mit einer Zeiss Ikon Contarex Spezialkamera. Mit Zeiss-Objektiven waren auch die Hasselblad-Kameras ausgestattet, welche die Apollo-Astronauten auf den Mond begleiteten. Dabei handelte es sich um die Hasselblad Data Camera und eine elektrische Hasselblad-Kamera. Noch heute befinden sich von den sechs Apollo-Mondmissionen zwölf aus Gewichtsgründen zurück gelassene Hasselblad-Kameras samt Objektiven auf dem Erdtrabanten. Einer der bekanntesten Hasselblad-Fotografen ist mit Apollo 11 übrigens Neil Armstrong geworden.

Auch der Technologiekonzern Heraeus aus Hanau hat sich auf dem Mond verewigt: So haben die Apollo-11-Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin einen Laserreflektor auf dem Mond aufgestellt, der bis heute im Einsatz ist, um die Entfernung zwischen Mond und Erde messen zu können. Dabei wird ein Laserstrahl von der Erde zum Mond geschickt und reflektiert. Aus der Zeit, den der Laserstrahl gebraucht hat, resultiert dann die Entfernung. Der Reflektor besteht aus 100 Quarzglas-Prismen, die von Heraeus hergestellt wurden. Zeiss und Heraeus sind noch heute mit ihren Technologien in der Raumfahrt aktiv. Dieter Sürig

Dasselbe Konzept wandte die Nasa bei den Saturn-Trägerraketen des Apollo-Programms an, das schließlich zum Mond führte: Ein Nasa-Team, wieder unter Wernher von Braun, entwickelte in den Sechzigerjahren verschiedene Saturn-Varianten. Alleine die Mondrakete Saturn V kostete die Nasa 6,5 Milliarden Dollar - Hauptauftragnehmer waren Boeing und Mc Donnell-Douglas sowie North American Rockwell, der Hersteller ist 1996 auch von Boeing übernommen worden.

Als es dann darum ging, das Apollo-Raumschiff selbst zu bauen, änderte die Nasa ihr Vorgehen bereits: Unter 14 Bewerbern erhielt das Unternehmen North American (Aviation) 1961 den Zuschlag, entwickelte und baute das Kommando- und Servicemodul, auch wenn Nasa-Ingenieure noch beteiligt waren. Kleiner Nebenaspekt: Die ersten Entwürfe sahen eine direkte Landung des Raumschiffes auf dem Mond vor. Dies wurde später jedoch aus verschiedenen Gründen zu Gunsten einer zusätzlichen Mondfähre verworfen. North American baute dann 35 Einheiten, von denen letztlich 19 geflogen sind: Zum Mond (9), zur Raumstation Skylab (3) und 1975 für ein Rendezvous mit der sowjetischen Sojus - dazu kamen sechs Testflüge. Viele Apollo-Kapseln sind in Museen ausgestellt, einige wurden verschrottet. Beim Brand von Apollo 1 kamen 1966 alle drei Astronauten im Training ums Leben, die Nasa hat die Kapsel eingelagert.

Um die Mondfähre zu entwickeln, lud die Nasa 1962 elf Firmen ein, nur Mc Donnell-Douglas und North American reichten keinen Entwurf ein. Den Zuschlag bekam schließlich Grumman Aircraft. Ausschlaggebend war nach Nasa-Angaben jedoch nicht nur das Design, entscheidend seien auch die großzügigen Büro- und Produktionsräume bei der Firma in Bethpage bei New York gewesen. Grumman hat insgesamt 15 Mondfähren gebaut, die Kosten für das Lunar Module betrugen letztlich gut 2,2 Milliarden Dollar.

Die Mondfähre bestand aus einer Lande- und einer Aufstiegsstufe mit Astronautenmodul. Zunächst wurden zwei Mondfähren im Erdorbit getestet und verglühten dann in der Erdatmosphäre. Apollo 10 testete eine weitere Fähre im Mondorbit - die Abstiegsstufe stürzte später auf den Mond, das Astronautenmodul wurde in eine Umlaufbahn um die Sonne gebracht. Bei den sechs Mondlandungen verblieben die Landeeinheiten auf dem Erdtrabanten, die Aufstiegsstufen koppelten wieder an das Apollo-Raumschiff an. Nachdem die Astronauten umgestiegen waren, zerschellten die Aufstiegsmodule auf dem Mond. Die Apollo-13-Mondfähre, mit denen die gestrandeten Astronauten zurück zur Erde gelangen konnten, verglühte später in der Erdatmosphäre. Letztlich verblieben fünf Mondfähren auf der Erde, die nie gestartet wurden - vier stehen heute in amerikanischen Museen, eine wurde verschrottet.

Boeing baut die neue Trägerrakete SLS, die bald zum Mond fliegen soll

Mit dem Bau des Mondrovers, der die Astronauten der Missionen Apollo 15, 16 und 17 über die Mondoberfläche kutschierte, hat die Nasa 1969 den Luftfahrtkonzern Boeing beauftragt. Vorangegangen waren diverse Studien, an denen Nasa-Ingenieure gemeinsam mit mehreren Unternehmen gearbeitet haben - darunter auch mit Boeing und dem Autokonzern General Motors. Neben Testfahrzeugen hat Boeing dann gemeinsam mit GM vier Lunar Rover gebaut - Kosten: fast 40 Millionen Dollar. Kleiner Funfact am Rande: Ferenc Pavlics, der den Rover bei GM entwickelt hatte, arbeitete später auch für das Opel-Corsa-Programm in Deutschland, wie er mal in einem Interview erzählt hat.

Die wichtigsten Hauptauftragnehmer des Apollo-Programms, McDonnell, Rockwell und North American, gehören mittlerweile zum Boeing-Konzern. Der baut heutzutage die neue Trägerrakete SLS, die Starliner-Kapsel als Astronautenzubringer für die ISS und hat einen Entwurf für einen neuen Mondlander entwickelt. Außerdem war Boeing/Rockwell am Bau des Space Shuttle und der Raumstation ISS beteiligt. Northrop Grumman ist ebenfalls in zahlreichen Raumfahrtprogrammen aktiv, darunter bei der Orion-Kapsel für das neue Nasa-Mondprogramm "Artemis", und hat gerade die Spacefirma Orbital übernommen, die Frachtraumschiffe baut und eine Schwerlastrakete entwickelt.

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