Unterhaltung:Zirkus der Zukunft

Bei Roncalli sind die Tiere in der Manege nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Licht und Gegenlicht. Ist das spannend?

Von Georg Cadeggianini

Der Elefant steht mitten in der Manege: Er schwingt seinen Kopf nach links, nach rechts, die riesigen Ohren schlackern dazu. Jetzt macht er zwei Schritte nach vorne, stampft gefährlich nah in Richtung erste Reihe. Kein Käfig, keine Absperrung trennen ihn vom Zuschauerraum. Ein Mädchen in der vordersten Reihe drückt sich tief in seinen Sitz, ein Opa mit Hut ist nur noch Zentimeter von den beiden Stoßzähnen entfernt - so spitz und lang wie Schultüten. Plötzlich hebt der Elefant seinen gewaltigen Rüssel und - löst sich kurz darauf in Luft auf.

Willkommen im Circus Roncalli! Dem einzigen klassischen Zirkus, der ganz ohne Tiere arbeitet. Der Elefant nämlich ist nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Licht und Gegenlicht. Er ist ein Hologramm. So etwas Ähnliches findet man auf jeder Kreditkarte. Wenn man die richtig ins Licht hält, sieht man auf der Plastikkarte die immer gleiche Taube als 3-D-Bild. Im Zirkus ist das aber doch noch mal was ganz anderes: Dort ist das Bild nicht nur in Bewegung, sondern kommt auch ohne Leinwand aus. Das wirkt ziemlich magisch. Der Elefant scheint wirklich in der Manege hin und her zu stapfen. Gerade so, als ob er den Festzelt-Staub aufwirbeln könnte.

Das tut er natürlich nicht. Denn der Elefant besteht nur aus Licht. Elf Hochleistungs-Beamer strahlen aus allen möglichen Richtungen auf ein hauchfeines Netz, das wie eine unsichtbare Projektionsfläche um den Manegenrand gespannt ist. Auf einer Seite ist dieses Netz metallisch bedampft; so hält das Licht besser.

Das Bild sieht ein bisschen aus wie eine Fata Morgana: Der Elefant bewegt sich wirklich durch den Raum, man kann an ihm vorbeischauen und um ihn herum. Denn anders als im Theater ist die Bühne im Zirkus immer rund, und die Zuschauer sehen von allen Seiten auf die Manege. Dort traben bei Roncalli Pferde aus Goldstaub im Kreis, es fällt ein Glitzerlicht-Vorhang, sogar ein autogroßer Goldfisch schwimmt durch die Manege.

Das Hologramm-Spektakel dauert nur fünf Minuten - genauso lang wie eine ganz normale Tier-Nummer. Sie ist der Auftakt zu dem aktuellen Programm "Storyteller" (noch bis 12. November in München, ab 20. November in Bremen) und knüpft damit an die Geschichte des klassischen Zirkus mit all den Tier-Kunststücken an. Aber ohne dass dafür Wildtiere in Käfigen leben und anstrengende Kunststücke lernen müssen.

Aber die holografische Projektion ist bei Roncalli nicht nur ein Ersatzprogramm. Sie soll weiterentwickelt werden. Was der Zirkus genau plant, ist geheim. Aber was die vielen Beamer und Computer jetzt schon können, ist enorm. Sie strahlen nicht nur, sondern nehmen auch wahr, was in der Manege passiert. Wenn zum Beispiel echte Riesenseifenblasen durch die Manege schweben, könnten die Beamer alles Mögliche in die Seifenblasen projizieren. Ein Einhorn etwa, das mit der Blase durchs Zirkuszelt fliegt, hoch und regenbogenbunt. Platzt die Blase, wird das Einhorn befreit, wächst und prescht durch die Manege.

Nur den Hut vom Opa aus der ersten Reihe wird keines dieser Tiere je vom Kopf klauen können. Das müssen die Clowns machen. Und zwar welche aus Fleisch und Blut.

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