Umwelt:Umweltschutz ist wichtig, Autofahren ist wichtiger

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Der Umweltschutz steht in der Rangordnung der aktuell wichtigsten Probleme an dritter Stelle, hinter Zuwanderung und Kriminalität. (Foto: picture alliance / AP Images)
  • Für 67 Prozent aller Befragten ist der Umweltschutz eine grundlegende Bedingung, um Zukunftsaufgaben wie die Globalisierung zu bewältigen.
  • Doch dass sich die Bundesregierung hinreichend für den Umweltschutz engagiert, das meinen immer weniger Menschen.
  • 70 Prozent aller Befragten fahren täglich oder mehrmals die Woche mit dem Wagen.

Von Sebastian Fischer, Berlin

Es lagen Mandarinen und Äpfel vor ihr auf dem Tisch, der Sprecher neben ihr trug eine grüne Krawatte, Barbara Hendricks saß also zweifellos im Umweltministerium. Doch um die Ergebnisse der Studie zum Umweltbewusstsein der Deutschen zu erklären, die ihr Ministerium am Mittwoch zum elften Mal vorgelegt hat, sprach die SPD-Bundesumweltministerin lieber über fremde Ressorts: über Energie, Verkehr, Landwirtschaft. Denn sie musste eine Diskrepanz erklären. Umweltschutz wird für die Menschen wichtiger, ein "Weiter so", heißt es in der Studie, sei für die Mehrheit keine Lösung. Doch dass sich die Bundesregierung hinreichend für den Umweltschutz engagiert, das meinen immer weniger Menschen.

99 Prozent der 2000 Bundesbürger ab 14 Jahren, die im August und September des vergangenen Jahres befragt wurden, stimmten der Aussage zu, dass für sie eine intakte natürliche Umwelt unbedingt zum Leben dazu gehört. Der Umweltschutz steht in der Rangordnung der aktuell wichtigsten Probleme an dritter Stelle, hinter Zuwanderung und Kriminalität.

Für 67 Prozent ist der Umweltschutz eine grundlegende Bedingung, um Zukunftsaufgaben wie die Globalisierung zu bewältigen. 2010 sagten das nur 34 Prozent. Fast die Hälfte der Befragten, 48 Prozent, erkennen die Relevanz von Umweltschutz, um Arbeitsplätze zu schaffen. 2010 waren es 29 Prozent. Doch: Fortschritte beim Klimaschutz sieht die Mehrheit nicht. Dass die Bundesregierung genug tut, sagen nur neun Prozent. Der Wert ist in der alle zwei Jahre durchgeführten Befragung kontinuierlich gesunken.

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"Die Leute wollen eine ehrgeizige Umweltpolitik", sagte Hendricks also - und gab sich Mühe, ehrgeizig zu klingen. Es ginge in Zukunft darum, Städte so zu entwickeln, dass Menschen nicht mehr mit dem Auto fahren müssten, es bräuchte Städte der kurzen Wege, ohne getrennte Siedlungen für Wohnen und Arbeiten. 91 Prozent hatten angegeben, das Leben wäre besser, ohne aufs Auto angewiesen zu sein. Und 61 Prozent der Autofahrer in Großstädten gaben an, zu einem Umstieg auf andere Verkehrsmittel bereit zu sein.

2016 sind die deutschen Treibhaus-Emissionen erstmals seit 1990 wieder gestiegen, und das liegt vor allem am Verkehr. Doch der Verkehrssektor wird laut Berechnungen des Bundesumweltamtes jährlich mit mehr als 28 Milliarden Euro subventioniert. Demgegenüber stehen höchstens seltene Erfolge des Umweltministeriums wie jener zu Beginn des Monats, als das Verkehrsministerium zusagte, Fahrradschnellwege mit 25 Millionen Euro zu fördern, um Pendler zum Umstieg aufs Rad zu bewegen. Öfters eckt Hendricks in der Zusammenarbeit mit anderen Ressorts an. Erst Ende März stritt sie mit Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), es ging um 6,3 Milliarden Euro schwere Begünstigungen für Agrarbetriebe, die Hendricks eigentlich zurückdrängen wollte.

Reibungsverluste in der Politik, die den Umweltschutz erschweren

Es werde Zeit, sagte sie deshalb, dass in anderen Ressorts der Umweltschutz an Stellenwert gewinne. Wie die Studie belegt, sind es jedoch nicht nur Reibungsverluste in der Politik, die den Umweltschutz erschweren. Auch die Inkonsequenz der Bürger spielt eine Rolle. Das Bewusstsein sei stets ein anderes als das Handeln, sagte Hendricks. Und das zeigt sich nicht nur darin, dass die Deutschen zwar gerne Fahrrad fahren wollen, aber trotzdem immer mehr Autos mit hohem Verbrauch kaufen. Sie sagen es auch: 70 Prozent aller Befragten fahren täglich oder mehrmals die Woche mit dem Wagen - und nur 26 Prozent der Befragten wären bereit, ihr Auto mit anderen zu teilen.

Noch schlechter als die Bundesregierung schneiden im Engagement für den Umweltschutz nur die Industrie ab - und die Bürgerinnen und Bürger. Dass die Bevölkerung selbst genug Engagement für den Klimaschutz zeige, sagten nur sechs Prozent. Beunruhigend findet Hendricks andere Antworten: Nur ein geringer Teil der Bevölkerung, 37 Prozent der Befragten, sieht einen Zusammenwirken von Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit, dem zentralen Wahlkampfthema ihres Parteikollegen Martin Schulz. "Viele Menschen betrachten beide Themen als Spannungsfeld", sagte Hendricks, etwa aufgrund von Arbeitsplätzen, die in der Braunkohleförderung wegfallen. Die Gefahr sei nicht von der Hand zu weisen, dass Umweltschutz zu einem "Elitenprojekt" werden könnte.

Wie die Studie zeigt, sind es zwar Menschen in sozial benachteiligten Wohngebieten, die Umweltbelastungen in ihrem Umfeld besonders stark wahrnehmen. 45 Prozent der Befragten mit niedrigem Einkommen sehen ihre Gesundheit durch Luftverschmutzung gefährdet. Oft stünden in ihren Milieus aber andere Sorgen im Vordergrund, heißt es in der Studie.

Nun ist es bekannt, dass bei Umfragen zum Thema Umweltschutz nicht immer wahrheitsgemäß geantwortet wird - sondern oftmals vor allem so, wie es gesellschaftlich erwünscht ist. Für Ministerin Hendricks ändert das jedoch nichts an einer positiven Tendenz. Immerhin, sagt sie, würden viele Menschen in die richtige Richtung denken: "Und das ist ja schon mal nicht schlecht."

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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