Umgangsrecht:Europäischer Gerichtshof stärkt Rechte der Väter

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  • Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Rechte leiblicher Väter auf Umgang mit ihren Kindern gestärkt. Der EGMR rügte die deutsche Justiz als zu lasch und die Gesetze als lückenhaft.
  • Geklagt hatte ein Vater, weil die Mutter des gemeinsamen Sohnes Treffen der beiden über Jahre immer wieder verhinderte.
  • Der EGMR kritisierte, dass das Verfahren viel zu lange dauerte und dem Kläger (dem Vater) gemäß deutschem Recht wenig Mittel zur Verfügung stehen, seinen Rechtsanspruch auf Umgang auch durchzusetzen.
  • Außerdem verhängen deutsche Gerichte laut EGMR zu niedrige Strafgelder bei Verstößen gegen richterliche Anordnungen bei Besuchsregelungen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Rechte leiblicher Väter auf gelegentliche Treffen mit ihren Kindern sind in den vergangenen Jahren mehrfach gestärkt worden - zuletzt 2013, als ihnen ein Umgangsrecht eingeräumt wurde. Doch dessen Durchsetzung hängt oft vom guten Willen der Beteiligten oder - wenn es daran fehlt - von der Effektivität der Justiz ab.

Im Fall zweier heillos zerstrittener Eltern eines inzwischen elfjährigen Jungen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun die deutsche Justiz als zu lasch und die Gesetze als lückenhaft gerügt. Wenn eine Mutter Treffen zwischen Vater und Kind unablässig boykottiert, dann müssen die Gerichte saftige Ordnungsgelder verhängen, entschied der Straßburger Gerichtshof. Zudem fehle in Deutschland ein Rechtsmittel, mit dem man sich wirksam gegen überlange Verfahren beim Familiengericht wehren könne.

Seit der Geburt des Jungen im Dezember 2003 hatte die Mutter dem Erzeuger jeglichen Kontakt mit ihrem Sohn verweigert. Seither kämpft sich der Mann durch die Instanzen - eine zähe Angelegenheit: Schon in einem früheren Urteil hatte das Menschenrechtsgericht gerügt, sein Verfahren bei der Frankfurter Justiz habe zu lange gedauert. Im Mai 2010 hat er schließlich das vorläufige Recht auf gelegentliche Treffen erstritten, doch immer wieder gelang es der Mutter, insgesamt sechs Termine abzuwenden - wofür sie schließlich mit einem Ordnungsgeld von 300 Euro belegt wurde.

Bis zu 25 000 Euro Strafe

Aus Sicht des Gerichtshofs ist das zu wenig, um die Mutter zum Nachgeben zu zwingen - theoretisch könnten bis zu 25 000 Euro für die Missachtung richterlicher Anordnungen verhängt werden. Das dürfte Auswirkungen auch für andere Gerichte haben, erwartet Rechtsanwalt Georg Rixe, der das Urteil erstritten hat: Niedrige Ordnungsgelder zu verhängen entspreche der Praxis der Familiengerichte.

Das Urteil hat aber auch Konsequenzen für den Gesetzgeber. Der Gerichtshof vermisst im deutschen Recht eine Untätigkeitsbeschwerde, mit der ein Kläger sich an die nächste Instanz wenden kann, wenn ein solches Verfahren zu lange dauert. Denn gerade wenn es um den Umgang mit Kindern gehe, lasse ein zu langer Prozess den Rechtsanspruch zur Illusion werden - weil sich Vater und Kind dann so entfremdet haben, dass Kontakte dem Kindeswohl schaden können.

Das deutsche Gesetz gegen überlange Verfahren von 2011 sieht lediglich nachträgliche Entschädigungen vor. Auf die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde habe der Gesetzgeber bewusst verzichtet, sagt Rixe. Dies müsse er nun nachholen.

© SZ vom 16.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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