Überleben nach dem WM-Aus:Hass, Schmerz, Leere

Nichts liegt uns ferner, als schlechte Stimmung zu verbreiten. Wir sorgen uns nur ein bisschen um Sie. Ein kleiner Trauerleitfaden und Tipps für den Fall aller Fälle: das WM-Aus.

Erste Phase: Schock

Champions League - FC Bayern München - Inter Mailand

Die Schockphase kann mehrere Tage andauern.

(Foto: dpa)

Diese Phase dauert einige Stunden bis wenige Tage. Der Fan ist paralysiert, kaum ansprechbar - so als sei ihm gerade ein Fussball mit 70 km/h an den Kopf geknallt. Seine Wahrnehmung fokussiert sich auf den einen traumatischen Moment, während die Welt um ihn herum in Slowmotion zusammenbricht. Der Schock kann so schwer sein, dass Betroffene das WM-Aus verleugnen.

TIPPS: Atmen Sie ruhig. Bitten Sie Freunde und Angehörige, bei Ihnen zu übernachten: Der Moment kurz nach dem Aufwachen, wenn die Erinnerung über Sie hereinbricht wie ein Unwetter, wird hart werden. Aufstehen ist nur schwer möglich. Raffen Sie sich auf und verwöhnen Sie sich: Nehmen Sie ein heißes Bad und drehen Sie Black Sabbath voll auf, um das presslufthammerartige WARUM in Ihrem Kopf zu übertönen. Gehen Sie in die Natur, suchen Sie Trost unter einem großen Baum und lassen Sie Ihren Tränen freien Lauf. Meiden Sie Bolzplätze: Der Anblick könnte weh tun. Lutschen Sie Sahnebonbons, damit Ihre Hypophyse Endorphine ausschüttet. Haben Sie schon realisiert, dass das WM-Aus kein böser Traum war? Bravo! Sie sind schon in der zweiten Phase.

Zweite Phase: Gefühlschaos

Zweite Phase: Gefühlschaos

TSV 1860 Muenchen - Hertha BSC Berlin 1 : 1, enttäuschte Löwenfans, 2004

Schmerz, Verzweiflung, Leere wechseln sich während der Phase "Gefühlschaos" ab.

(Foto: ag.ddp)

Einige Tage bis zu einem Monat. In dieser schwer depressiven Zeit taumelt der Betroffene zwischen Hass, Verzweiflung, Leere, Schmerz, ja Schuld: Fragen wie "War ich ein schlechter Fan?" sind typisch. Sobald Traurige einen Fussball sehen, ein brasilianisches Fotomodell oder etwas Schwarzes, Rotes oder Goldenes, beginnen sie unkontrolliert zu greinen. Sie reden sich ein, nie mehr glücklich zu werden.

TIPPS: Heulen, wimmern, flennen Sie; Tränen putzen bekanntlich die Seele. Erfinden Sie hässliche Kraftausdrücke für den amtierenden Weltmeister. Wenn der Gedanke Sie nicht loslässt, dass das Leben keinen Sinn mehr hat, wählen Sie die Nummer der Telefonseelsorge (0800/111 0 111). Denken Sie immer daran: Sie sind nicht allein. Lassen Sie Gefühlsausbrüche zu, damit die dritte Phase erreicht werden kann. Verarbeiten Sie das besagte Horror-Spiel auch in einem Aquarellbild.

Dritte Phase: Akzeptanz

'Wetten, dass..?'  auf Mallorca

Das Geschehene zu aktezptieren ist der dritte Schritt bei Überwindung des WM-Traumas.

(Foto: dpa)

Dritte Phase: Akzeptanz

Vier Wochen bis drei Monate. In dieser Phase nehmen Betroffene das Geschehene an, sie suchen nach neuen Wegen, können sich aber noch nicht trennen. Einsamkeit und Apathie wechseln sich ab. Sie hören jetzt oft das Lied "Wir sind schon auf dem Brenner". Hier besteht die Gefahr, die deutsche Nationalelf grundlos zu überhöhen.

TIPPS: Haben Sie Geduld mit sich.Arbeiten Sie weiter an Ihrem WM-Trauma, basteln Sie ein Erinnerungsbuch, in das Sie Sammelbildchen Ihrer Lieblingsspieler einkleben und Ihre Gedanken hineinschreiben. Erinnern Sie sich dabei auch an die schönen Momente (z.B. rote Karten für die Gegner). Wenn Sie so weit sind, dass Sie die deutschen Spieler nicht mehr als Götter im Trikot sehen, sondern als überbezahlte Typen, die schlecht gespielt haben, sind Sie bereit für die nächste Stufe.

Vierte Phase: Aufbruch

REINER CALMUND

Arbeiten und nicht verzweifeln. Es gibt immer eine Chance auf einen Neuanfang, auch wenn der zunächst äußerst schwer fällt.

(Foto: ag.ap)

Vierte Phase: Aufbruch

Nach etwa sechs Monaten. In der vierten Phase sieht man mehr nach vorn als zurück. Begriffe wie "Südafrika" oder "Philipp Lahm" fühlen sich nicht mehr an wie angeschossen werden. Die Wunden heilen.

TIPPS: Suchen Sie sich neue Hobbies, die Sie ruhig und ausgeglichen machen, wie Yoga. Vielleicht denken Sie auch daran, Ihre Staatsbürgerschaft zu wechseln? Akzeptieren Sie kleine emotionale Rückfälle als Schritt nach vorn. Verzweifeln Sie auf keinen Fall: schließlich ist nach der WM vor der WM.

(vest)

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