Typologie der Sonnenanbeter:Das knallt voll rein

Deutschland ist gezeichnet: Die Sonne brennt und jeder wird anders mit ihr fertig. Doch welche verschiedene Arten von Sonnenanbetern gibt es? Und welcher Bräunungstyp sind Sie?

Franziska Seng

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(Foto: ag.ddp)

Deutschland ist gezeichnet: Die Sonne brennt und jeder wird anders mit ihr fertig. Doch welche verschiedene Arten von Sonnenanbetern gibt es? Und welcher Bräunungstyp sind Sie? Der Winter-Vorglüher Es gibt Menschen, die können sie einfach nicht abwarten: die ersten Sonnenstrahlen. Diese Menschen vertreten am hartnäckigsten die Überzeugung, dass ein mega-gebräunter Teint geldig und supercool wirkt. Der Winter-Vorglüher verbarrikadiert sich im Bräunungsstudio oder im Home-Solarium, während andere sich an Feuerzangenbowle oder Plätzchenofen wärmen. Faszinierenderweise ähnelt das UV-verstrahlte Antlitz bald einer zerklüfteten Moränenlandschaft. Furchen, Täler, Dellen, alles da. Die bleiben auch, für immer, verschwinden nicht wie natürliche Bräune im herbstlichen Badewannenabfluss. Den Weg des Winter-Vorglühers zu beschreiten, das bedeutet eine unumkehrbare Lebensentscheidung.

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(Foto: AOL/ag.dpa)

Der Bildschirmbräuner Er ist eben nicht so der mediterrane Typ: der klassische Bildschirmbräuner. Er bevorzugt schummrige Beleuchtung, ist vorwiegend nachtaktiv und tagsüber lieber drin. Dort badet er im mondfahlen Licht seines PCs, das sich langsam in seine Haut einbrennt und ihm außerdem einen verträumt-abwesenden Gesichtsausdruck beschert. Wäre Caspar David Friedrich noch am Leben, würde er ein melancholisch stimmendes Bild malen. Titel: "Internetsurfer über dem Datenmeer".

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(Foto: ag.dpa)

Der Malle-Griller Malle-Griller sind das heitere Fleckvieh unter den Sonnenanbetern. Ihr Motto: Pralle Strahlung muss sein, denn die potenziert den Dröhnfaktor des Sangrias. Folglich sind die Bräunungsergebnisse sehr unterschiedlich. Nach zwei Wochen verfügt der Malle-Griller über eine höchst individuelle Zeichnung, die zuweilen der einer schleswig-holsteinischen Kuh ähnelt. An ihr sind zunächst die verrenkten Positionen abzulesen, in denen die Pott-Pilger am Strand uneingecremt vom Schlaf übermannt wurden. Hier kommt auch die Witzigkeit der anderen Malle-Griller zum Tragen, wenn sie ihrem Kumpel "Ich suche Liebe!" und "Abi 2035" auf die Plauze cremen! Endgeil, wenn der aufwacht! Ein besonderes Finish kann durch den kreativen Einsatz von Sand erzielt werden. An ausgewählten Stellen (z.B. Schulter, Backe, Dekollete) ergeben sich schmerzhaft-schöne Effekte, die an die Batikkurserzeugnisse im Kindergarten erinnern.

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Der Balkonparker Dem Balkonparker ist der ganze Sommerhype suspekt, auch weil er weiß, dass UV-Strahlung für die Haut katastrophal ist. Andererseits ist Sonne gut für's Wohlbefinden - ein Dilemma. Der Balkonparker lässt deswegen die Sache ruhig angehen. Er oder sie richtet es sich gemütlich auf dem halbschattigen Balkon ein, schlägt ein gutes Buch auf, nippt am selbst gebrauten Eistee und freut sich, dass er weit weg ist von Krethi und Plethi im Stadtpark. Etwa fünf bis zehn Minuten lang. Dann wird es dem Balkonparker auch im Halbschatten schon wieder zu heiß, er hat das Gefühl, gleich Feuer zu fangen und hat außerdem in der hirnversengenden Hitze noch keine einzige Seite seines guten Buchs verstanden. Fluchtartig verlässt er den Liegestuhl und rettet sich in die kühle Wohnung. Das Bräunungsergebnis fällt mickrig aus.

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(Foto: ag.ddp)

Der Montagsmaler Montags, halb zehn in Deutschland. Blasse, abgekämpfte und über's Wochenende kräftig durchgearbeitete Erwerbstätige schlurfen in Konferenzen, Meetings, Sitzungen. Um dem Cheffe all die tollen Ideen und Konzepte zu präsentierten, die sie sich Samstagsonntag aus den Fingern gesogen haben. Cheffe hat am Wochenende offensichtlich nicht gearbeitet, sondern irgendwo die Sonne genossen, beim Golfen oder Cabriofahren. Er hat nur eine dezente Bräune, aber die signalisiert: Ich hab das Sagen, und du musst arbeiten, basta. Aufgrund ihres laxen Auftretens geraten Montagsmaler unter Umständen in die Kritik, müssen ihren Posten räumen. Das macht aber nix, weil ihre Wochenendkumpels schnell einen noch lukrativeren Job für sie finden.

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(Foto: ag.dpa)

Der Leistungsbräuner Die Extremvariante zum Montagsmaler. In jeder freien Minute werden Gewaltstrecken und Alpenpässe auf dem Rennrad abgestrampelt, um in der Arbeit die blitzendweiß-sonnenverbrutzelten Kontraste wie Wundmale des Leistungswillens präsentieren zu können. Der Leistungsbräuner fällt an Wochenenden wie eine Plage über das südliche Münchner Umland her und vermiest dem durchschnittlichen Ausflügler die Stimmung. Wer auf den wahnwitzigen Gedanken kommt, das Autofenster runterzukurbeln und den Leistungsbräuner "Kennen Sie die Abzweigung zum Maisinger Biergarten?" oder "Wie weit ist es bis Andechs?" zu fragen, wird reinste Häme und Verachtung ernten. Man weiß dann, warum man es selbst noch nicht zum Top-Manager gebracht hat. Einziger Trost: Man sieht weniger bescheuert aus.

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(Foto: region.ffb)

Der Allrounder Als erstes muss der Allrounder, vor allem in den alten Bundesländern, Vorurteile aus dem Weg schaffen: Nein, es ist ihm nicht egal, wie er auf seine Mitmenschen wirkt, im Gegenteil. Der Allrounder versteht sich als purer Ästhet. Und unästhetisch sind für ihn keine willkürlich in der Gegend baumelnden primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale, sondern: blasse Flecken. Von Textilzwang oder Lichtschutzfaktor hält er nichts. Sein Ideal ist der streifenfrei glänzende Bronzeteint, auf den er sich den ganzen Sommer lang in Ostseebädern oder dem Englischen Garten genüsslich hinräkelt.

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(Foto: ag.rtr)

Der Totalverweigerer Ohne Sunblocker LSF 50 in der Tasche überfällt sie Unruhe, wie den Asthmatiker, der sein Spray vergessen hat. Totalverweigerer halten das neuzeitliche heliozentrische Weltbild für Ketzerei und wenden sich mit Grauen von Malle-Grillern, Leistungsbräunern oder Allroundern ab. Sie wissen, dass diese bald in der Vorhölle oder zumindest einer Hautstraffungs-Klinik schmoren werden. Wo die Totalverweigerer letzten Endes auch landen, nur fünf Jahre später. Altern ist schließlich nichts anderes als das sekündliche Nachlassen des Bindegewebes. Text und Bildauswahl: Franziska Seng

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