Trendsetter Christian Audigier:Funkel, funkel, kleiner Star

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Die Sachen sind grässlich, aber der Hype ist ungebrochen: Selbst Leute um die 50 tragen Ed Hardy.

Miriam Stein

Auffallen um jeden Preis kann in Stilfragen leicht zum Debakel führen. Ein nennenswerter Fehltritt ereignete sich Anfang des Jahres im US-Fernsehen, als Hulk Hogan, Wrestling-Star und Schwergewicht der US-Unterhaltungsindustrie, in der Late-Night-Show "Jimmy Kimmel Live!" seine Kampfbereitschaft im politischen Ring mit großer Geste signalisieren wollte.

Millionengewinne durch das Label Ed Hardy: Christian Audigier genießt inzwischen das süße Leben. (Foto: Foto: getty images)

Hogan beschwor, dass er seine Muskeln exklusiv für Obama spielen lassen werde, sollte dieser zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten gekürt werden.

Hogan trug neben seinem überschulterlangen, wasserstoffperoxidblonden Haar ein hautenges schwarzes T-Shirt, auf dessen Vorderseite in goldener Schnörkelschrift ein schwer zu entziffernder Name prangte - ein durchaus streitbares Outfit für einen Mann des Jahrgangs 1953, der sich auf einer vergleichsweise seriösen Mission befindet.

Sogleich schrieb ein Beobachter ins Online-Forum der New York Times: "Bizarrerweise trug Hulk ein T-Shirt im Stil einer heruntergekommenen Bordsteinschwalbe. Mir scheint, als stünde 'Christian Audigier' oder etwas ähnlich Sinnloses auf der Brust."

Superstar Christian Audigier

Jennifer Hof aus Hessen hätte dem New-York-Times-Leser alles erklären können. Atemlos erzählte sie den Kameras der Reality-Casting-Soap "Germany's Next Topmodel" in einer Folge der im vergangenen Frühjahr ausgestrahlten Staffel, dass ihr fast das Herz stehengeblieben wäre, als sie Christian Audigier auf einer Party in Los Angeles erkannte.

Zwei Anekdoten, ein Rätsel: Wer ist dieser Audigier, der dem Nachwuchsmodel so vertraut und dem Leser der New York Times so fremd ist?

Christian Audigier, Modedesigner und Marketingmogul, ist der Kopf eines Label-Konglomerats, von dem eines unter seinem eigenen Namen läuft, ein anderes Smet und eines Ed Hardy heißt.

Megaumsätze mit Ed Hardy

Die Umsatzzahlen des mit drei Jahren recht jungen Audigier-Imperiums - zehn Millionen US-Dollar im Jahr 2005, mehr als 35 Millionen US-Dollar 2006, mehr als 80 Millionen US-Dollar alleine im vergangenen Jahr - können auch aus kaufmännischer Perspektive den Beinahe-Herzstillstand der jungen Jennifer erklären.

Jeder Mensch mit einem vergleichsweise normalen Medienkonsum, der also nicht nur die "Tagesschau" und den Politikteil der Tageszeitung konsumiert, wird schon einmal über Ed Hardy gestolpert sein. Blättert man nämlich in einem Klatschblatt, oder läuft im Privatfernsehen gerade eine Boulevardmagazin, funkeln mindestens einmal pro Ausgabe beziehungsweise Sendung unterweltlerische Tattoo-Symbole auf T-Shirts.

Die "Vintage Tattoo Wear" von Ed Hardy - die sich durch den Schriftzug Ed Hardy auszeichnet, immer in Verbindung mit farbenfrohen Motiven aus der Seemanns-Tätowierkiste, - hat einen beachtlich prominenten Kundenstamm. Fußballer wie Bastian Schweinsteiger oder gerade auch das Ehepaar Effenberg schmücken sich mit der mit Meerjungfrauen, Totenköpfen, Rosenblüten und Dornen verzierten Oberbekleidung.

Auch Modelglucke Heidi Klum trägt die Basics gerne - mal mit Glitzer, mal ohne, aber immer laut, ordinär und irgendwie rotlichtmilieuhaft. So verwundert es wenig, dass man den von Frédéric Prinz von Anhalt adoptierten Bordellbesitzer "Marcus Eberhard Edward Prinz von Anhalt, Herzog zu Sachsen und Westfalen, Graf von Askanien" im Ed-Hardy-Shirt sieht, wenn ihn mal wieder ein Kamerateam in seinem mit apricotfarbener Tupftechnik ausgekleideten "Castle" besucht.

Zwischen Gala und Gewöhnlichkeit

Kaum einem Label gelingt ein derartiger Spagat zwischen Galaveranstaltungen und Großraumdiscos. Denn nicht nur populäre Personen, sondern auch deren Fans berappen gerne zwischen 100 und 150 Euro für eines dieser Baumwollshirts.

Lesen Sie weiter, warum so viele Menschen Ed Hardy tragen...

Lena ist 21 und trägt eine glitzernde Ed-Hardy-Mütze zum Ed-Hardy-Shirt. Zur Zeit macht sie in der Nähe von Berlin eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Auf die Frage, was ihrer Meinung nach den Erfolg der Marke ausmache, sagt sie: "Ich trage die Sachen, um anzugeben und aufzufallen. Alle reden darüber."

Sie guckt an sich herunter auf den von Rosen eingebetteten Totenkopf auf ihrer Brust und sagt: "Es hat schon seinen Sinn, dass die Sachen sehr teuer sind. Das macht den ganzen Hype auch aus. Wenn ich jemanden im TV oder auf der Straße im Ed-Hardy-Style sehe, denke ich sofort an Luxus, Geld und guten Geschmack."

Die ersten Fans von Ed Hardy Die Ersten, die Ed Hardy mit gutem Geschmack verwechselten, waren US-Stars wie Madonna, Sylvester Stallone und Hollywood-Rüpel Mickey Rourke. Sie alle trugen die Tattoo-Shirts schon vor Jahren in der Öffentlichkeit, als der Hype gerade in Kalifornien begann.

Christian Audigier, 1958 in Avignon, Südfrankreich, geboren, kann auf eine beinahe zwanzigjährige Karriere als Designer von Casual-Marken zurückblicken. Unter anderem arbeitete er für Lee und Diesel. Traumkarriere, ist man geneigt zu sagen, doch Audigiers Ambitionen sahen ursprünglich ganz anders aus.

Laut eigener Aussage war und ist seine große Liebe der Rock'n'Roll. Sein Berufswunsch lag daher klar auf der Hand: Er würde der legitime Nachfolger von Mick Jagger werden. Das Schicksal schenkte Audigier zwar den nötigen Ehrgeiz, nicht aber die Stimme - und somit war die Rockstar-Karriere beendet, bevor sie begonnen hatte.

Vom Tellerwäscher zum Millionär

Der Alltag des jungen Christian Audigier war außerdem von finanzieller Not gezeichnet, sodass er seiner alleinerziehenden Mutter bereits früh finanziell unter die Arme greifen wollte. Im Alter von sechzehn Jahren verkaufte er in einem Shop in Avignon so erfolgreich Jeans, dass die Marke MacKeen-Jeans ihn sofort engagierte.

Einige Jahre später verließ Audigier Frankreich. Erst ging er nach New York, später nach Los Angeles und arbeitete dort freiberuflich für große Marken. Seine große Stunde schlug 2001. Da wechselte er als Chefdesigner und Vizepräsident zum kalifornischen Label Von Dutch.

Audigiers erste modische Gehversuche bei Von Dutch

Von Dutch kann man rückblickend als Testlauf für das spätere Ed-Hardy-Phänomen bezeichnen. Hier bediente sich Audigier erstmals seiner Erfolgsformel: Man nehme eine Marke, die mit dem Anarchismus der kalifornischen Rock-Unterwelt besetzt ist und mache sich ihre Charakteristika für jene Masse zu eigen, die niemals mit der eigentlichen Subkultur in Berührung kommen muss.

Die Mischung aus Personality, Pop-Kultur und Casual Wear, die Von Dutch auszeichnete, wurde zur perfekten Bühne für Audigier. Von Dutch, benannt nach dem Motorradmechaniker und "Pinstriper" Kenneth "Von Dutch" Howard.

Er erfand das "Pinstriping", also die Technik, feine Streifen, etwas in Flammenform, von Hand auf Fahrzeuge zu lackieren. Diese Kunst gilt bis heute als Teil südkalifornischen Selbstverständisses. Zum Verkaufsschlager sondergleichen wurde Audigiers "Trucker Hat", eine Fernfahrerplastikkappe in poppigen Farben, die zu Beginn des Jahrzehnts so ziemlich jeden Kopf Hollywoods schmückte.

White Trash Mode

Trash war plötzlich cool. Christian Audigier, der Franzose aus einfachen Verhältnissen, sah in der White-Trash-Mode Ikonen seines geliebten Rock'n'Rolls. Der Schmutz, das Elend und die Kriminalität der Trailer-Parks, in denen Von-Dutch-Designs und Trucker-Hats eigentlich zu Hause sind, bleiben ihm und seinen Fans erspart.

Nach fünf Jahren hatte Audigier Von Dutch durch gezielte Marketing-Arbeit in eine Kultmarke verwandelt. Nach vier Jahren aber trennte sich Audigier von dem Label - und fand sofort eine neue Berufung.

"Wenn man sich in Los Angeles aufhält, fallen einem ständig Tattoos an Leuten auf. Ich dachte schon immer, es wäre interessant, ein Tattoo auf ein T-Shirt zu packen", erklärt Audigier die damals in ihm aufkeimende Idee.

Lesen Sie weiter, wie Audigier zu dem Namen "Ed Hardy" kam...

Den perfekten Partner findet er in Don Ed Hardy, der US-amerikanischen Tätowier-Legende. Hardy, zudem anerkannter Künstler und Buchautor, ist zufällig ein Fan von Von Dutch Howard und hat mit großem Interesse beobachtet, wie sich die Marke unter Christian Audigiers Leitung verändert hat. Er leiht Audigiers Projekt Namen und Design, gleichzeitig lässt er dem Franzosen völlig freie Hand.

"Von Dutch war ein Monster von einem Unternehmen, als Christian dort aufhörte", erklärt Don Ed Hardy 2007 der Tätowier-Fachzeitschrift The Believer. "Ich bin über sechzig Jahre alt, ich habe vierzig Jahre lang tätowiert, ich freue mich über die verdammten Tantiemen-Zahlungen, die mit seiner Hilfe in mein Haus fließen." Hardy selbst lebt heute in Honolulu und San Francisco. Dieser Tage widmet er sich fast ausschließlich der visuellen Kunst.

Don Ed Hardy macht Tattos salonfähig

Don Ed Hardy gehört zu jenen Vertretern dieses Berufsstands, die die Tätowierung zur Kunst am Körper erklärten und damit salonfähig machten. Nach dem Studium der visuellen Kunst am renommierten "San Francisco Art Institute" entschied er sich für eine Karriere als Tattoo-Artist - damals ein Pionierberuf, den Hardy in den vergangenen 40 Jahren geprägt hat.

Sein Handwerk lernte er unter anderem in Japan, wo Tätowierungen eine sehr lange Tradition haben. Doch nicht nur die für Japan typischen Drachen, Schlangen und Tiger, die einst Prostituierte und Kriminelle schmückten, auch die Klischeemotive, die Hardy zu Beginn seiner Karriere in den 1960er Jahren Soldaten der US-Marines einstach, wollte Audigier für seine T-Shirt-Kollektion haben: wiedererkennbare, bekannte archetypische Motive.

Diese druckte er auf Kleidungsstücke und platzierte sie, wie schon zuvor bei Von Dutch, sehr öffentlichkeitswirksam an Prominenten.

Kein Interesse an Ruhm und Glamour

"Ich mache einen Star aus dir, du wirst in Limousinen reisen und man wird dir Türen aufhalten", soll Audigier einmal zu Hardy gesagt haben. Doch dieser interessierte sich schon immer wenig für die Welt des Glamours.

"Ich sagte zu ihm, er solle mich in Ruhe lassen und mir die Schecks schicken, damit ich malen und mich um meine Familie kümmern kann. Diese ganze Kiste vergoldet meine Rente. Christian lebt in dieser Welt, nicht ich."

Audigier ist in der Branche längst ein Star, und lebt heute wie ein Rockstar. Das Ständchen auf der Party anlässlich seines 50. Geburtstags im Mai dieses Jahres hielt nicht etwas Gast Britney Spears oder Snoop Doggy Dog, sondern "King of Pop" Michael Jackson.

Seit seine eigene Person so erfolgreich in der Welt der Celebrities installiert ist, wurde aus dem Logo "Ed Hardy" der Schriftzug "Ed Hardy by Christian Audigier" - gleiches Recht für den Tattoo-Artisten und das Marketing-Ass.

Schließlich hat er sie alle eingefangen, jene Kunden, die sich wie Mick Jagger fühlen, wenn sie ein Shirt anziehen, das Sex, Drogen und Rock'n'Roll suggeriert. Audigier macht Klamotten für seinesgleichen - für Leute auf der Suche nach kitschigen Symbolen des großen Glamours.

© SZ vom 06.09.2008/viw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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