Süddeutsche Zeitung

Trend: Facebook-Partys:Gefällt uns!

Immer mehr Menschen, die sich noch nie gesehen haben, verabreden sich über Facebook zu flashmobhaften Massen-Events. Warum Facebook-Partys so viel Zulauf haben.

Bernd Graff

Facebook, dessen Wert gerade auf 100 Milliarden Dollar taxiert wurde, ist mehr als eine Kontakt-Website. Facebook ist die Welt. Man muss sich nur die Dimensionen klarmachen, in denen dieses soziale Netzwerk verbreitet ist. Dann wird man ein Phänomen verstehen, das von einschlägigen Blättern jetzt schon als "Nerv-Trend" gebrandmarkt wird: Die spontan ausgerufenen und massenhaft besuchten Facebook-Partys.

Inside Facebook Gold, eine Internetfirma, welche die Facebook-Seite und ihre Nutzer analysiert, um statistische Daten an Drittfirmen zu verkaufen, sieht Deutschland momentan auf Platz elf der 211 Facebook-Nationen: 18,6 Millionen Deutsche sind dem Netzwerk angeschlossen, 87,4 Prozent mehr als im Vorjahr. 47 Prozent aller über 14-jährigen deutschen Internetnutzer sind damit Mitglied. Und obwohl die neuesten Zahlen für USA, Schweiz, Italien, Kanada und Großbritannien marginal rückläufig sind, wächst die Online-Community global unaufhörlich weiter. Angeblich verzeichnet sie derzeit 674,1 Millionen Mitglieder. Ein Siebtel der Weltbevölkerung.

Bei solchen Massen ist es kein Wunder, dass auch immer mehr Menschen miteinander "befreundet" sind, die sich persönlich gar nicht kennen. Es ist gerade das Prinzip der viralen Vernetzung, das Facebook so attraktiv macht: Man befreundet sich zuerst mit realen Bekannten, erhält dann Kontaktanfragen von Freunden dieser Freunde, und je mehr man diese bestätigt, umso mehr potentielle Freunde von Freunden hat man.

Wenn man das eine Zeitlang macht, und Deutschland macht es seit etwa zwei Jahren, dann wird das Bekanntschaftsnetz immer größer. Nutzer, die nach einem Jahr Mitgliedschaft mehr als 1000 solcher Freunde haben, sind keine Seltenheit.

Es ist bei aller Virtualität dennoch wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass am Ende aller digitalen Kommunikationsstränge immer reale Menschen sitzen. Man mag sich kennen oder nur über Texte, Musiktipps, Schnappschüsse und pfiffige Kommentierung kennengelernt haben - es bleiben reale Menschen, die über Facebook miteinander reden. Und tatsächlich entsteht so auch etwas wie die Profilierung der unbekannten Freunde, die man einschätzen und auch schätzen lernen kann.

Insofern ist es gar nicht verwunderlich, dass sich diese Menschen dann auch in der wirklichen Welt treffen wollen. Man spricht von Facebook-Partys, die seit einiger Zeit für erhebliches Reiseaufkommen in Deutschland sorgen. So etwa im Fall der 16-jährigen Hamburgerin Thessa, die Anfang Juni ihre Einladung zur Geburtstagsparty auf Facebook notierte - 1600 Gäste kamen.

Ein Trend derzeit ist, die Thessa-Explosion nun selbst zu erleben. Folglich fanden an diesem Pfingstwochenende im bayerischen Zwiesel, im schleswig-holsteinischen Ahrensburg, im baden-württembergischen Lörrach, selbst in der Münchner U-Bahn zwischen Odeonsplatz und Marienplatz Nachahmer-Veranstaltungen statt, zu denen massenhaft Facebook-Freunde erschienen. Denn eine der erstaunlichsten sozialen Erfahrungen ist, dass Menschen, die sich über Facebook kennen, sich tatsächlich aber noch nie gesehen und gehört haben, bei ihrer ersten realen Begegnung gleichzeitig vertraut wie fremd sind.

Die flashmobhaften Massen-Events der Facebook-Verabredungen werden wohl nicht lange andauern. Die via Facebook vermittelten privaten Treffen im kleineren Kreis aber werden zu einem Standard des sozialen Lebens werden. Eine schöne Perspektive. Danke Facebook!

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1108427
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.06.2011/vs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.