Tourismus:Jugendherbergen erhalten eine Verjüngungskur

Bielefeld (dpa) - Bad auf dem Zimmer statt Gemeinschaftsdusche, Indoor-Spielplatz statt bloßem Kickertisch, komfortables Boxspringbett zusätzlich zum Doppelstockbett: Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) unterzieht seine mehr als 450 Häuser im Land seit Jahren einer Verjüngungskur.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Bielefeld (dpa) - Bad auf dem Zimmer statt Gemeinschaftsdusche, Indoor-Spielplatz statt bloßem Kickertisch, komfortables Boxspringbett zusätzlich zum Doppelstockbett: Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) unterzieht seine mehr als 450 Häuser im Land seit Jahren einer Verjüngungskur.

Diesen Weg will der neue Hauptgeschäftsführer des mitgliederstarken Verbandes fortsetzen. Julian Schmitz möchte einerseits das gelegentlich noch nach Hagebutten-Tee und Herbergsvater müffelnde Image abstreifen und andererseits den Jugendherbergsgedanken in die Gegenwart übertragen. Er setzt dabei auf bessere Vermarktung des traditionsreichen Wertefundaments.

Weg in die Zukunft

Der 34-jährige Tourismusexperte löst bis Ende März schrittweise Bernd Dohn ab, der die Geschicke des gemeinnützigen Verbandes mehr als 25 Jahre gelenkt hat. "Wir müssen den Wandel, den wir durchmachen auch kommunizieren und gleichzeitig die Marke Jugendherberge mit den Werten, für die wir ohnehin schon stehen, in eine neue Zeit transportieren", sagte Schmitz bei der Jahrespressekonferenz des DJH.

Der Wandel zeigt sich beispielhaft an Unterkünften wie der Kleinstadtherberge in Nottuln. Sechs Millionen Euro sind in den Um- und Neubau des 1980er-Jahre Hauses geflossen. Hell sei es nun, die Zimmer größer und komfortabler, sagte Janine Schmidt, stellvertretende Leiterin des Hauses. Seit der Neueröffnung im Sommer 2018 machen Familien in Nottuln ein knappes Drittel der Gäste aus, berichtete sie. "Früher konnten wir die an einer Hand abzählen". Bundesweit hat das DJH 70 Millionen Euro 2018 in die Modernisierung investiert - ein Großteil sei dabei in Herbergen auf dem Land und jenseits der Großstädte geflossen, berichtete der DJH.

Zielten Jugendherbergen früher ausschließlich auf Wander- und Jugendgruppen ab, sind Familien seit den 1980er Jahren zunehmend zum unverzichtbaren Segment geworden. 20 Prozent der Übernachtungen machten sie 2018 aus, berichtete Noch-Geschäftsführer Bernd Dohn. Die wichtigste Zielgruppe blieben aber Schüler- und Studentengruppen (38 Prozent). Freizeitgruppen machten mit einem Anteil von 17,8 Prozent den Rest aus.

Es geht um das Gemeinschaftserlebnis

Der Zielgruppenwandel bringt auch neue Qualitätsansprüche mit sich. "Weder die Familie noch die Jugendgruppe möchte noch im 16-Bett-Zimmer schlafen oder im Keller duschen", sagte Dohn. Und er stellte klar: "Wir sind kein Hotel und wollen es auch nicht werden." So gehe es beim Besuch einer Jugendherberge immer auch um das Gemeinschaftserlebnis, um Ungezwungenheit. "Die Familien, die zu uns kommen, kommen weil sie abends zum Beispiel am Lagerfeuer Stockbrot braten wollen", sagte Dohn.

Insgesamt sei man mit der Nachfrage sehr zufrieden, betonte er. Zwar war die Zahl der Übernachtungen mit 9,7 Millionen erneut leicht rückläufig. Dies lasse sich aber vor allem auf Bauarbeiten zurückführen. 453 Jugendherbergen betrieb das DJH im vergangenen Jahr bundesweit. Ein Großteil der Gäste zog es mit rund 72 Prozent der Übernachtungen in die Land- und Kleinstadtjugendherbergen.

Ideen der Jugend aufgreifen

Das Deutsche Jugendherbergswerk habe sich in seiner langjährigen Geschichte immer wieder den Bedürfnissen seiner Zielgruppe angepasst, sagte der Historiker Martin Dröge. Im Verband sei immer klar gewesen: "Wer die Ideen der Jugend nicht aufgreift, wird sie verlieren", sagte Dröge. In den 1960er-Jahren hielten Plattenspieler Einzug in die Herbergen, heute gehöre W-Lan zur festen wenn anfänglich auch umstrittenen Ausstattung, erklärte der Historiker.

Und wie behauptet man sich gegen wachsende Konkurrenz im Segment der Billigunterkünfte? Schmitz will hierzu den gemeinnützigen Charakter des Jugendherbergswesens besser kommunizieren. Gemeinschaft erfahren, Natur erleben, Völkerverständigung und Toleranz - diese Werte will er stärker ins Bewusstsein rufen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: