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Tourismus:Der Calmont-Klettersteig an der Mosel

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Bremm (dpa/tmn) - Drei Stunden werden die Wanderer für gerade einmal drei Kilometer benötigen. "Unser Klettersteig ist kein Sonntagsspaziergang", sagt Hans-Jürgen Franzen. Der Chemiker, 70, ist den Felsenweg schon unzählige Male gegangen, auch heute begleitet er wieder eine kleine Gruppe von Weinfreunden.

Denen will er mehr über den Calmont erzählen, den steilsten Weinberg Europas an der Mosel - und über diesen besonderen Weg. Schritt für Schritt geht es voran. Gut zehn Meter misst die schmale Passage, gleich zu Beginn des Calmont-Klettersteigs oberhalb von Bremm, der nach Ediger-Eller führt.

Am Calmont sind die Reben in Terrassen quer zum Steilhang gepflanzt. Kaulen nennen sie die runden Einschnitte. Die Rebstockwurzeln müssen sich tief durch das Schiefergestein kämpfen, um Wasseradern zu erreichen. Mineralien saugen die Reben aus dem Schiefer, das sorgt für den typischen Rieslinggeschmack der Calmont-Weine.

Nun geht die Kraxelei so richtig los. Handtuchschmal ist der Steig am Fels, Trittbügel und Haken wurden ins Gestein gebohrt. An Stahlseilen hangeln sich die Tourengeher Meter um Meter mühsam vorwärts. Nur nicht hinunter schauen! Dann folgen Leitern, Tritt für Tritt geht es aufwärts. Der Deutsche Alpenverein hat die Passage gesichert.

Die Geschichte des Calmonts

Bis zur Jahrtausendwende hat Wein vom Calmont keine Chance: Billige Massenweine aus Südeuropa verdrängen den Anbau der gleichermaßen kostbaren wie kostspieligen Rieslinge. Manch ein Winzer gibt seine Mini-Parzelle im Berg auf, die Hänge verbuschen.

Rettet den Calmont: Unter diesem Motto finden sich 1999 engagierte Bürger, Gemeinden sowie Kreis- und Landesbehörden zusammen. Land wird aufgekauft, 70 zusammenhängende Parzellen kommen am Ende dabei heraus. Freiwillige Helfer schlagen an den Wochenenden den Weg durchs Buschwerk frei, 2002 wird der Klettersteig eröffnet.

Ungefähr zur gleichen Zeit beginnt Hans-Jürgen Franzens Bruder Ulrich mit der Rekultivierung einer Parzelle im Calmont - ein Pionier. Körperlich anstrengend ist die Arbeit in der Parzelle Fachkaul. Von Hand wird die Fläche gerodet, in drei Jahren graben der Winzer aus Bremm und ein Team von Helfern etwa 7900 Rieslingreben in den kargen Schieferboden. Die ersten Trauben können 2005 geerntet werden.

Doch durch einen tragischen Arbeitsunfall stirbt Ulrich Franzen, sein Sohn Kilian steigt mit 23 Jahren in das Weingut der Familie ein. "Wer am Calmont arbeitet, der braucht keine Muckibude", sagt Jungwinzer Kilian. Heute bewirtschaften er und Ehefrau Angelina mit fünf Hektar die größte Fläche am Calmont, keltern Rieslinge bester Qualität und exportieren nach Dänemark und in die USA.

Spitzenweine aus Steillagen

Auch Hans-Jürgen Franzen und sein Sohn Philipp bauen inzwischen Riesling am Calmont an. Traditionell lassen sie der Hefe viel Zeit, den Most in Wein zu verwandeln. Bis zum Spätsommer des nächsten Jahres bleibt dem Wein im Fass Zeit zum Reifen, erst dann wird abgefüllt. "So können sich Aromen und Geschmack voll entfalten."

Sohn Philipp, 30, bewirtschaftet ein gutes halbes Hektar. "Unsere junge Generation besinnt sich wieder auf alte Werte: Handarbeit in Steillagen mit weniger Ertrag und mehr Qualität."

Der Calmont-Klettersteig führt vorüber an den kleinen Parzellen der Franzens. Bis zu 400 Wanderer sind an manchen Tagen auf dem Trail unterwegs und sehen die harte Arbeit der Winzer aus nächster Nähe.

"Wir setzen darauf, dass die Gäste verstehen, warum wir diese Kulturlandschaft erhalten", sagt Vater Franzen. "Und die Rieslinge vom steilsten Weinberg Europas ihren Preis haben."

© dpa-infocom, dpa:200715-99-802942/4

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