Süddeutsche Zeitung

Sex-Streik in Togo:Mit den Waffen der Frauen

Macht ist sexy? Sex ist Macht! In Togo versuchen die Frauen zur Zeit, eine Wahlrechtsreform zugunsten des regierenden Präsidenten zu verhindern - indem sie ihren Männern Sex verweigern. Ein Blick ins Ausland zeigt: Ihr Plan könnte aufgehen.

Juliane Meißner

Frauen wissen, was sie wollen. Und sie wissen schon seit der Antike, wie sie es bekommen: Lysistrata ruft in der gleichnamigen Komödie die Frauen Spartas und Athens zum Sex-Streik auf. Die kriegswütigen Männer sollen damit zum Friedensschluss gezwungen werden. Und tatsächlich - der Plan geht auf. Friede und Sex halten Einzug in Griechenland. So lautet zumindest Aristophanes' Theorie aus dem fünften Jahrhundert vor Christus. Dieselbe Strategie verfolgen nun auch die Frauen von Togo. Sie sind am am Wochenende in den Sex-Streik getreten, um ihren Präsidenten zu stürzen.

Wie in der griechischen Dichtkunst geht es auch in Togo um die politische Stabilität. Im aktuellen Fall wird diese nicht durch zwei miteinander verkrachte Stadtstaaten bedroht, sondern durch den Präsidenten. Faure Gnassingbé, seit sieben Jahren an der Macht, will das Wahlrecht ändern, um im Oktober mit hoher Wahrscheinlichkeit wiedergewählt zu werden. Die Bürgerrechtlerin Isabelle Ameganvi hat nun bei einer Kundgebung zu sieben Tagen ohne Sex aufgerufen. Sie will mit so Druck auf die Männer Togos ausüben, um etwas gegen den Präsidenten zu unternehmen.

Der sollte lieber schonmal damit anfangen, sich nach einer Job-Alternative umzusehen. Das zumindest legt ein Blick ins Ausland nahe. Denn dort hat Liebesentzug in der Politik mitunter schon viel bewirkt.

Einen eher trivialen Grund, sich den Sex zu verweigern, hatten Neapels Bürgerinnen im Jahr 2008. Ihre Männer sollten versprechen, den Silvesterabend ohne Raketen und Böller zu feiern. Das Problem: Die Feuerwerkskörper seien einfach viel zu gefährlich. Mit der Kurznachricht "Macht Liebe, keine Explosionen" unterstützen sogar Neapels Offizielle den Sex-Streik. Die Enthaltsamkeit führte zumindest zeitweilig zum Erfolg. Bis 2010 hielten sich die Männer an ihr Versprechen. Aber schon ein Jahr später kam ein Mann durch Feuerwerksknallerei ums Leben und 70 weitere Menschen wurden verletzt.

Neue Straße nach 110 Tagen Sex-Entzug

In Kolumbien waren die Damen mit ihrer Form des Protestes schon drei Mal erfolgreich. 2011 erzwangen sie - nach 110 Tagen sexuellen Entzugs für ihre Gatten und Partner - den Bau einer Straße im Westen des Landes. Im September 2006 traten in der Stadt Pereira Ehefrauen und Freundinnen von Gang-Mitgliedern in den "Streik der gekreuzten Beine". Damit wollten sie in ihrer Stadt die Zahl der Morde drücken. Mit Erfolg: Die Anzahl der Morde sank bis 2010 um gut 25 Prozent. Den ersten Sex-Streik in Kolumbien gab es 1997 - auf Anordnung des Militärs. Die Partnerinnen von Guerilla-Mitgliedern, Drogendealern und Paramilitärs sollten sich verweigern, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Dieser kam tatsächlich zustande, hielt aber nicht lange an.

Frieden durch Enthaltsamkeit wie einst bei Lysistrata, das funktionierte auch 2003 in Liberia: Die Frauen in dem afrikanischen Land schafften es so, den 14 Jahre andauernden Bürgerkrieg endlich zu beenden. Zugegeben, Sex-Entzug allein führte nicht zu den Friedensverhandlungen - Demonstrationen und eine Hausbesetzung gehörten auch dazu. Das Ergebnis aber ist beeindruckend. Die Initiatorin und Streetworkerin Leymah Gbowee erhielt 2011 den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für die Rechte der Frauen.

An den liberianischen Frauen nehme sich die Frauengruppe um Bürgerrechtlerin Ameganvi nun ein Beispiel, erklärte die Togoleserin. Sollte der siebentägige Sex-Streik keine Auswirkungen haben, wollen sich die Frauen anderweitig gegen eine Reform des Wahlrechts einsetzen: "Wir haben viele Mittel, die Männer dazu zu zwingen, die Wünsche der togolesischen Frauen zu verstehen."

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