Tochter von Erziehungs-Autorin rächt sich:Abrechnung mit der Supermama

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Jahrzehntelang vertrauten Eltern aus der ganzen Welt den Ratschlägen der Supermutter und Erziehungs-Autorin Anna Wahlgren. Ihre Tochter veröffentlicht nun selbst ein Buch und bringt damit die Glaubwürdigkeit der Mutter ordentlich ins Wanken.

Gunnar Herrmann, Stockholm

Auf dem Cover sah alles so idyllisch aus. Die 1983 erschienene Erstausgabe von "Das Kinderbuch" zierte ein Familienfoto, auf dem Erziehungsguru Anna Wahlgren stolz im Kreise ihrer Sprösslinge lächelt. Das Werk wurde ein internationaler Bestseller. Eltern aus der ganzen Welt vertrauen den Ratschlägen der Supermama aus Schweden. Doch jetzt hat das schöne Bild tiefe Risse bekommen. In diesen Tagen erscheint die Autobiographie von Wahlgrens Tochter Felicia Feldt. Und die schildert eine gruselige Familienhölle, beherrscht von einer dämonischen Übermama. "Felicia verschwand" heißt das Buch. Es ist eine 187 Seiten lange, wütende Abrechnung.

Verlieren Anna Wahlgrens Erziehungstipps durch das Buch ihrer Tochter an Glaubwürdigkeit? (Foto: Lieselotte van der Meijs/oh)

In losen Episoden beschreibt dort das dritte der insgesamt neun Wahlgren-Kinder "Mama" als rücksichtslose Alkoholikerin, die zwischen wechselnden Männerbekanntschaften, Partys und Schriftstellerei kaum Zeit hat und ihre Kinder als Werbeträger missbraucht. "Abends gucken wir Videofilme und versuchen die Lautstärke hochzudrehen, um die Kämpfe, das Geschrei und das Beischlafgestöhne aus Mamas Zimmer zu übertönen", heißt es an einer Stelle. Feldt erzählt, wie betrunkene Freunde der Mutter sie sexuell belästigen. Und als sie als Teenager einmal drei Monate lang aus Protest nicht mehr spricht, bedroht die Mutter sie mit einem Küchenmesser und sagt: "Wenn du nicht wieder anfängst, mit mir zu reden, dann werde ich dieses Messer in dich stechen. Und danach steche ich es in mich selbst."

In Schweden wird jetzt diskutiert, ob man diesen beklemmenden Schilderungen glauben darf. Dass Wahlgren sieben Mal verheiratet war, ist bekannt. Doch es gibt Hinweise, dass Feldt einiges dazu erfunden hat. Mehrere Geschwister haben sich von ihrer Darstellung distanziert. In Interviews sagte die 44-Jährige: "Das ist meine Wahrheit. Sie haben es vielleicht ganz anders erlebt." Ihre Mutter führe seit Jahrzehnten einen "öffentlichen Monolog" über die Familie, es sei jetzt Zeit für eine Gegenstimme. Wahlgren selbst ließ Journalisten per Email lediglich wissen: Das Buch habe sie überrascht, sie wolle es nicht kommentieren.

Die 69-Jährige Wahlgren hat auf dem Image der Supermama eine ganze Karriere aufgebaut. Ihre Erziehungstipps sind zwar in Teilen umstritten. Doch "Das Kinderbuch" ist ein Standardwerk. Wird es schlechter, wenn die Autorin sich als Rabenmutter entpuppt? Ein Kolumnist der Zeitung Expressen formulierte es so: Er habe Wahlgrens Buch als Vater stets hilfreich gefunden. "Aber jetzt kann ich es nie wieder mit dem Gedanken lesen, dass hier eine Frau ist, die weiß, wovon sie spricht."

© SZ vom 12.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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