Wie ich euch sehe:"Ihr seid nett zu uns, weil ihr keine andere Wahl habt"

Wie ich euch sehe: Wie ich euch sehe - diesmal aus der Sicht eines Immobilenmaklers.

Wie ich euch sehe - diesmal aus der Sicht eines Immobilenmaklers.

(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Obwohl Makler inzwischen vom Auftraggeber bezahlt werden, sind sie bei Mietern nicht gerade beliebt. Warum er das unfair findet, erzählt Dieter S. in einer neuen Folge von "Wie ich euch sehe".

Von Juri Auel

In unserer Serie "Wie ich euch sehe" kommen Menschen zu Wort, mit denen wir im Alltag zu tun haben, über die sich die meisten von uns jedoch kaum Gedanken machen: ein Obdachloser, eine Kontrolleurin, ein Pfarrer, eine Kassiererin. Sie erzählen, wie es ihnen ergeht, wenn sie es mit uns zu tun bekommen - als Kunden, Patienten, Mitmenschen. Diesmal beschreibt ein Immobilienmakler, wie ihm die Bewerber bei einer Wohnungsbesichtigung begegnen.

Es gab eine Zeit, da habe ich mit meiner Rolle als Wohnungsvermittler oftmals gehadert. Ich habe mich damals geschämt, weil ihr Recht hattet. Ihr hattet Recht, wenn ihr mich als Wegelagerer beschimpft habt. Denn meine Provision bekam ich von den Mietern im Grunde genommen wirklich nur fürs Türaufsperren. Sie mussten für eine Dienstleistung bezahlen, die ich für den Vermieter leistete.

Diese Zeit ist noch gar nicht so lange her. Seit 2015 gilt bei der Vermittlung von Mietwohnungen das Bestellerprinzip: Der Vermieter muss den Makler bezahlen, wenn er durch ihn eine Wohnung loswerden möchte. Davor habe ich meine Provision vom Mieter bekommen - die berühmten zwei Kaltmieten.

Vom Gewissen her geht es mir besser

Heute erhalte ich mein Geld also von den Vermietern - und damit geht es mir deutlich besser. Nicht finanziell, denn seitdem sie mich bezahlen müssen, machen viele Vermieter den Job lieber selbst.

Mir geht es dafür von meinem Gewissen her besser. Denn der Vermieter bekommt wirklich etwas für sein Geld von mir. Für ihn schlage ich mich mit all den Anfragen herum, prüfe die Bonität potenzieller Mieter, schreibe Exposés. Die Zeit, die ich diesen Leuten erspare, ist enorm.

Dass Makler weiterhin so einen schlechten Ruf haben, finde ich unfair. Wenn ihr an mich und meine Kollegen denkt, denkt ihr an reiche Kerle, die in Sportwagen durch die Stadt düsen, Champagner trinken und Leute übers Ohr hauen. Es gibt diese Typen, keine Frage. Aber das sind geschätzt vielleicht zehn bis zwanzig Prozent, die ein völlig verzerrtes Bild von uns prägen. Der Beruf des Maklers ist nicht geschützt. Jeder kann sich so nennen und Häuser zum Verkauf anbieten. Das sind dann die Halunken, die ihr im Fernsehen und in der Zeitung seht.

Seltsam ist allerdings: Obwohl ihr eine Abneigung gegen uns habt, seid ihr in aller Regel sehr nett, wenn ihr als Mieter eine Wohnung sucht und es mit uns zu tun bekommt. Ihr seid nett zu uns, weil ihr ehrlich gesagt keine andere Wahl habt - so angespannt wie der Wohnungsmarkt in Städten wie München ist. Es gibt viel mehr Interessenten als Wohnungen. Weil jeder von euch den Zuschlag will, versucht ihr euch gut mit uns zu stellen.

Wenn ich eine Anzeige für eine Mietwohnung ins Netz setze, habe ich binnen kürzester Zeit Hunderte Anfragen. Da muss ich natürlich aussortieren. Ich schaue mir als erstes die Bewerber an, die sich auch als erstes gemeldet haben. Dann wähle ich die aus, die auch ein bisschen von sich selbst erzählen. Mich interessiert nicht euer kompletter Lebenslauf, aber der Standardsatz, der meist von den Anzeigenportalen in dem Kontaktformularen vorgegeben wird - der ist mir eben auch zu wenig.

Verratet mir kurz und in eigenen Worten, wer ihr seid - euer Alter, warum ihr diese Wohnung jetzt braucht und was ihr arbeitet. Macht euch ein bisschen interessant und seid dabei höflich. Dann erhöht ihr eure Chancen, dass ich euch zu einem Termin einlade.

Sagt wenigstens ab!

Und wenn wir eine Verabredung haben und ihr nicht kommen könnt, dann seid wenigstens so nett und sagt vorher ab. Das verstehe ich unter allgemeiner Höflichkeit. Ich kenne noch Zeiten, da war es wirklich schwer, sich gegenseitig zu erreichen. Heute aber hat man innerhalb einer Minute eine E-Mail geschrieben. Es ist sehr enttäuschend und lästig, wenn ich nach Feierabend noch zu einem Termin in die Stadt fahre und ihr dann nicht dort seid. So etwas gehört sich nicht.

Schauen wir uns dann gemeinsam eine Wohnung an und sie gefällt euch nicht, sprecht es einfach aus. Ihr müsst mich nicht anlügen und euch irgendwelche Ausreden ausdenken. Ich bin euch nicht böse, wenn ihr mir ehrlich ins Gesicht sagt, was euch nicht passt. Mehr noch: Ich bin euch sogar dankbar. Denn so kann ich euch viel einfacher helfen, eine passende Alternative zu finden. Etwas anderes ist es, wenn ihr von Anfang an nur nach Fehlern sucht und alles schlecht macht. Wer so an die Wohnungssuche herangeht, hat schlechte Karten.

Gute Vorbereitung entscheidet

Ebenfalls stört mich, wenn ihr nicht richtig vorbereit seid. Ich gebe mir wirklich Mühe, alle wichtigen Informationen in ein Exposé reinzuschreiben. Zum Beispiel, dass die Wohnung im vierten Stock liegt und keinen Aufzug hat. Wenn ihr bei der Besichtigung trotzdem darüber meckert, weil ihr die Beschreibung nicht nichtig gelesen habt, ist das sehr nervend.

Ihr könnt euch gut vorbereiten, indem ihr wichtige Unterlagen zur Besichtigung mitbringt. Manche präsentieren sogar ihre letzten Arbeitszeugnisse, das ist etwas übertrieben. Aber eine Schufa-Selbstauskunft, eine Verdienstbescheinigung oder, wenn ihr noch jung seid, eine Bürgschaft eurer Eltern, sind nicht verkehrt. Das macht gleich einen guten Eindruck.

Wer von euch die Wohnung bekommt, hängt von vielen Punkten ab. Einer davon ist die persönliche Empathie. Ich bin da ganz ehrlich: Eine hübsche, junge Dame, die mich anlächelt, hat bei mir mehr Chancen als ein mittelalter Mann. Doch nur nach Äußerlichkeiten gehe ich natürlich nicht. Ich bin sozial eingestellt und versuche Leuten die Wohnung zu geben, die es woanders schwer haben. Denn auch das gehört zur Wahrheit dazu: Manche Mieten - vor allem hier in München - haben mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Die sind schlicht und einfach pervers.

Dennoch muss ich sicher sein, dass ihr eine Wohnung bezahlen könnt, wenn ich euch vorschlage. Letztendlich entscheidet ohnehin der Vermieter, ob ihr die Wohnung bekommt oder nicht. Ich kann nur eine Empfehlung abgeben.

Im Übrigen haben auch Vermieter zuweilen Eigenschaften an sich, die mir selbst nach mehr als 25 Jahren Berufserfahrung noch ziemlich auf die Nerven gehen. Wenn ihr zum Beispiel Jahrzehnte lang nichts an euren Mietobjekten machen lasst und trotzdem auf marktübliche Mietpreise pocht. Oder wenn ihr eure Wohnung nicht an jemanden vermieten wollt, weil er schwul, Moslem oder sonst etwas ist. Solche Angebote lehne ich kategorisch ab.

Genau wie Aufträge, bei denen ich eine Vier-Zimmer-Wohnung vermitteln soll, ihr jedoch keine Kinder darin haben wollt. Vier-Zimmer-Wohnungen sind nun einmal ideal und wichtig für Familien mit Kindern. Die haben es sowieso schon schwer genug, in diesen Zeiten eine passende Wohnung zu finden. Ob mit oder ohne Makler.

Wie nehmen Sie die Menschen wahr, mit denen Sie sich aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation oder Ihres Berufes tagtäglich auseinandersetzen? Was wollten Sie in der Hinsicht schon immer einmal loswerden? Senden Sie ein paar Sätze mit einer kurzen Beschreibung per E-Mail an: leben@sueddeutsche.de. Wir melden uns bei Ihnen.

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