Thronjubiläum von Königin Elisabeth II.:Wie Lilibet vom Tod ihres Vaters erfährt

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Als König George VI. am 6. Februar 1952 stirbt, ist seine älteste Tochter Elisabeth in Afrika, auf Safari. Abgeschnitten von der Zivilisation erfährt die britische Thronfolgerin als einer der letzten Menschen von ihrer plötzlichen Regentschaft. Ihre gute Freundin Lady Pamela Hicks - damals mit auf Reisen - erinnert sich.

Peter Littger

Im Alter von 22 Jahren, als Pamela Hicks noch ihren Mädchennamen Mountbatten trug, reiste sie mit der damaligen Prinzessin Elizabeth durch den afrikanischen Dschungel. Noch einmal erzählt sie exklusiv für die Süddeutsche Zeitung , wie sie den 6. Februar 1952 erlebte - den Tag, an dem die Prinzessin fernab der Heimat plötzlich zur Königin von England wurde. Lady Pamela ist eine Cousine von Prinz Philip und zugleich auch mit der Königin verwandt.

Am 12. Mai 1937 ist ihre eigene Thronbesteigung noch weit entfernt: Prinzessin Elisabeth (rechts) steht nach der feierlichen Krönung ihres Vaters George VI. neben ihrer Mutter auf dem Balkon des Buckingham Palace. (Foto: dpa)

Es sollte eine halbe Weltreise werden - das heißt: eine Reise durch das halbe Empire, das damals noch sehr groß war. Auf unserem Programm standen die Fidschi-Inseln, Neuseeland, Australien und Ceylon, wie es damals noch hieß. Zuvor einige afrikanische Kolonien. Doch es kam ganz anders.

Am 31. Januar 1952 brachen wir in London auf. Ein müder König verabschiedete uns am Flughafen. Eigentlich sollte er die Reise unternehmen, aber weil er sich nicht gut fühlte, hatte er seine älteste Tochter geschickt. Es war das letzte Mal, dass wir George VI. erlebten. Wir - das waren Prinzessin Elizabeth, Prinz Philip, ein Kammerdiener, eine Garderobiere und Commander Mike Parker, Philips Adjutant. Elizabeth hatte mich in einem Brief gebeten, sie zu begleiten, und versprochen, dass wir Spaß haben und auch miteinander giggeln würden.

Zuerst absolvierten wir offizielle Termine in Kenias Hauptstadt Nairobi. Danach reisten wir zur Sagana Lodge am Fuß des Mount Kenya, die Elizabeth und Philip zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten. Es waren wunderbar entspannte Tage, teils gemeinsam, teils getrennt: Philip und Mike gingen manchmal fischen, während sich Elizabeth und ich Polizeipferde liehen und wir ausritten.

Nach drei Tagen brachen wir ohne die beiden Diener auf in den Aberdare Nationalpark, um in einem Baumhaus zu übernachten. Ein erfahrener Wildjäger führte uns durch den Dschungel. Er sagte immer, wir sollten keine Angst haben, aber er flüsterte und gab den dezenten Hinweis, dass uns die Waldelefanten nicht hören dürften. Vorsichtshalber verwies er auf Leitern, die an den Bäumen befestigt waren - für den Notfall! Dann hatte er die glorreiche Idee, mit Elizabeth und Philip vorzugehen. Mike und mich ließ er im Wald zurück. Ich hatte schreckliche Angst!

Das Baumhaus, gebaut auf einem riesigen Feigenbaum, war ein phantastischer Ort - vor allem, wenn man einmal oben war. Den Abend lang beobachteten wir die wilden Tiere im Mondlicht. Elizabeth war ganz außer sich vor Freude. Ich höre uns noch rufen: "Guck mal hier, guck mal dort." Wir hatten keine Sorgen.

Wir waren dermaßen abgeschnitten von der Zivilisation, dass uns die Nachricht vom Tod des Königs ungefähr sechs Stunden später erreichte als alle Untertanen in der Heimat.

Wir waren bereits wieder in der Sagana Lodge, alles war still. Philip lag auf einer Liege, Elizabeth saß auf der Couch. Wie sich später herausstellte, hatte der Buckingham Palace eine verschlüsselte Nachricht an den britischen Gouverneur in Nairobi geschickt, doch er war verreist und hatte - englisch korrekt - den Verschlüsselungscode mitgenommen. Die Thronerbin, die als erste vom Tod ihres Vaters erfahren sollte, erfuhr es vermutlich als letzter Mensch.

Colonel Martin Charteris, der Sekretär der Prinzessin, war uns nachgereist, um nach Ozeanien mitzukommen. Ein kenianischer Journalist informierte ihn über den Tod des Königs. Er eilte zu uns, wollte die Nachricht aber erst einmal überprüfen. Mike schlich in Elizabeths Zimmer und griff unauffällig nach einem Radio, das hinter ihr stand. Die Männer konnten nach einer Weile Kurbelei die Frequenz der BBC finden - dort wurde Trauermusik gespielt.

Lilibet - so nannten wir Elizabeth - war ein reizendes Mädchen. Sehr hübsch und verliebt. Auch Philip war glücklich. Allerdings weiß ich, dass er die Horrorvorstellung hatte, dass seine Frau bald Königin würde. Dass es so schnell passierte, damit hatten beide nicht gerechnet. Sie spekulierten wohl, dass es noch 20 Jahre dauern würde.

Als Philip es von Mike erfuhr, wurde er bleich. Er lies die Zeitung auf sein Gesicht sinken und blieb so bestimmt 15 Minuten lang liegen. Er ahnte wohl, was jetzt auf ihn zukam: Seine Karriere als Marineoffizier zu beenden, um jahrzehntelang in offenen Autos zu sitzen, ständig zu winken, sich mit Blumen bewerfen zu lassen und ermüdenden Tischgesprächen aufmerksam folgen zu müssen.

Philip ist mein lieber, frecher Cousin, aber er hat sehr selten geklagt. Ich würde sagen, er hat sein Leben lang viel Geduld bewiesen. Ich glaube, das geht nur mit großer Liebe. Die Liebe hat die beiden ausdauernd und professionell gemacht.

Philip stand auf, nahm seine Frau in den Arm und führte sie in den Garten. Dort gingen sie sehr lange spazieren und sprachen und sprachen. Als Elizabeth das nächste Mal vor mir stand, umarmte ich sie. Doch was machte ich? Ich durfte die Königin doch nicht umarmen! Ich entschuldigte mich und machte eine Verbeugung. Sie kommentierte das nicht.

Die nächsten Stunden waren hektisch. Eilig fuhren wir über holprige Straßen und durch unzählige Dörfer zum Flughafen nach Nyeri. Die Menschen winkten uns zu - der Buschfunk hatte die Nachricht schon im ganzen Kontinent verbreitet.

Wir flogen nach Entebbe in Uganda, wo unser Flugzeug auf uns wartete - aber wegen schlechten Wetters nicht starten konnte. Der Kapitän sagte: "Ich habe jetzt eine Königin an Bord, da riskiere ich nichts!" Elizabeth zeigte unendliche Geduld. Bis hier hatte sie keine Emotionen gezeigt. Als wir starteten, zog sie sich in ihre Kabine zurück - ich hoffe, sie hat dort geweint.

Als wir später in London landeten, schaute sie über meine Schulter durch die kleinen Fenster auf das Rollfeld. Dort standen sie alle - Winston Churchill, das ganze Kabinett, auch meine Eltern waren da. Elizabeth fragte, wo ihr Wagen sei, um dann festzustellen, dass der Palast die großen schwarzen Staatskarossen geschickt hatte. "Oh je, die Leichenwagen", sagte sie halb ernst, halb im Scherz. Ich denke, in diesem Moment wurde ihr schlagartig klar, dass der Spaß vorbei war.

Sie zog sich das schwarze Kleid an, das ihre Dienerin noch rasch in Afrika besorgt hatte. Dann verließ sie das Flugzeug, um zum ersten Mal englischen Boden als Elizabeth II. zu betreten.

© SZ vom 06.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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