Süddeutsche Zeitung

Thema der Woche:Wohnzimmer-Star

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Pikst, ist prächtig geschmückt und bewacht die Weihnachtsgeschenke: Der Christbaum. Bis er im Wohnzimmer steht, hat er eine lange Reise hinter sich.

Von Georg cadeggianini

Der Star steht im Wohnzimmer: zwölf Jahre alt, wunderschön gerade gewachsen, weit gereist, zu seinen Füßen jede Menge Geschenke. Die Rede ist von der Nordmanntanne. Sie macht rund 80 Prozent der Christbäume in deutschen Wohnzimmern aus. Sie heißt nicht etwa so, weil sie irgendwo aus dem Norden kommt, sondern weil ein Finne namens Alexander von Nordmann sie vor fast 200 Jahren im Kaukasus entdeckt hat: glänzend-tiefgrüne Nadeln, die weder stechen noch sofort abfallen, ein gerader Kegelwuchs, perfekt!

Noch immer kommt ein Großteil der Samen vom 3500 Kilometer entfernten Georgien. Mutige Zapfenpflücker klettern dort auf 50 Meter hohe Uralt-Tannen und ernten aus ihren Kronen rötlich schimmernde Zapfen. Darin stecken Zehntausende winziger, wertvoller Weihnachtsbaumsamen. Sie werden in alle Welt verkauft und aufgezogen. Das heißt: Zwei Jahre Saatbeet, dann Vorschulbeet, dann ins endgültige Weihnachtsbaumquartier. Wenn die Bäume fünf, sechs Jahre alt sind, treiben sie weniger Zweige aus und schießen stattdessen in die Höhe. Für einen Weihnachtsbaum ist das ungünstig. Als langer Lulatsch passt er nicht in die Wohnung. Und falls doch, wirkt das obere Drittel ohne Zweige nackt. Die Weihnachtsbaum-Bauern behelfen sich deswegen mit einem Trick: Sie zwicken den Baum mächtig in den Stamm, mit etwas, das aussieht wie ein Fahrkartenentwerter und einen fiesen Namen hat: Triebregulierungszange. So bekommt seine Spitze weniger Saft, der Baum macht wieder dichte Zweige. Ist das alles überhaupt nett? Erst werden die Samen um die halbe Welt gekarrt, dann das Bäumchen ständig umgetopft, und kaum will es richtig wachsen, bekommt es die Triebregulierungszange zu spüren. Andererseits: In seinem Leben macht ein Weihnachtsbaum viel Gutes. Er bindet tonnenweise Kohlendioxid, produziert viel Sauerstoff und sorgt am Ende für festliche Stimmung.

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Quelle:
SZ vom 15.12.2018
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