Thema der Woche:Richtig Gas geben

Gaspreise

Sonne oder Herdflamme? Auf jeden Fall ziemlich viel Energie.

(Foto: dpa)

Der Krieg macht Gas teuer, moralisch und finanziell. Die Forderungen nach einem Lieferstopp aus Russland werden lauter. Aber kann man Krieg einfach wegfrieren? Über dicke Pullis, Geschäfte mit Verbrechern und neue Chancen.

Von Michael Bauchmüller, Georg Cadeggianini

Bei den entsetzlichen Bildern und Berichten aus der Ukraine wird eines immer deutlicher: Das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer scheint dem russischen Präsidenten vollkommen egal zu sein. Die EU hat deswegen diese Woche einen Boykott russischer Kohle beschlossen. US-Präsident Joe Biden nennt Putin einen "Kriegsverbrecher". Aber darf man mit so jemandem überhaupt noch Geschäfte machen?

So komisch es klingt: Es gibt tatsächlich erst mal gute Argumente dafür. Erstens: Wir können gar nicht anders. Mehr als die Hälfte des Erdgases, das in Deutschland verbraucht wird, kommt aus Russland. Alternativen sind schwierig. Denn Gas ist knapp und kompliziert zu transportieren. Man kann es nicht einfach auf Lastwagen oder Container packen. Neue Pipelines zu bauen dauert Jahre. Zweitens: Ein Gasstopp trifft die Falschen. Denn er würde die Preise in die Höhe treiben, weltweit, für Reich und Arm. Große Industriewerke in Deutschland, zum Beispiel für Glas oder Chemie, hätten Probleme, weiter zu produzieren, mit großen Auswirkungen: Ohne gläserne Impfstoff-Fläschen etwa gibt es keine Impfung, ohne Düngemittel miese Ernten. Das könnte die Wirtschaft und das Leben in Deutschland und vielen anderen Ländern ins Straucheln bringen. Drittens: Was bringt's? Auch wenn es ein deutliches Signal wäre, bezweifeln viele, dass dies den Krieg beenden würde. Viertens: Die letzte Handelskarte läge damit auf dem Tisch. Jemandem, mit dem man keine Geschäfte mehr macht, kann man auch nicht mit Einschränkungen drohen ...

Puh, und jetzt? Kann man den Krieg einfach wegfrieren? Zwei Pullis übereinander und fertig? Das nicht. Aber tatsächlich hilft sparen. Ein Grad weniger in der Wohnung, etwa 19 statt 20 Grad, spart sechs Prozent Gas im Kessel. Ein hartes Tempolimit auf deutschen Straßen (100 km/h auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 innerorts) könnte bis zu fünf Prozent der russischen Ölimporte sparen. Was wir an Gas und Öl aber nicht verbrauchen, senkt unsere Abhängigkeit von Putin - und ist dabei auch noch gut fürs Klima.

Vielleicht steckt in dem fürchterlichen Krieg also auch eine Chance, endlich Tempo in die Energiewende zu bekommen. Den Verbrauch reduzieren, schneller umsteigen auf Wind, Sonne und Wasserstoff - und alles ohne Putin. Denn richtig Gas geben, das bedeutet in Zukunft vor allem: das richtige Gas nehmen, die richtige Energie.

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