Thema der Woche:Mehr Meer

Thema der Woche: Wie eine eingebaute Luftmatratze: Sich treiben lassen, den Wellen zuhören, über sich nichts als der weite Himmel. Illustration by Sandra Javera, part of the book "Vamos acordar o dia? Histórias de uma linha só", written by João Anzanello Carrascoza, SM Educação, Brazil, 2018.

Wie eine eingebaute Luftmatratze: Sich treiben lassen, den Wellen zuhören, über sich nichts als der weite Himmel. Illustration by Sandra Javera, part of the book "Vamos acordar o dia? Histórias de uma linha só", written by João Anzanello Carrascoza, SM Educação, Brazil, 2018.

Es gehört zum Sommer wie Buchstaben zum Lesen. Eintauchen, sich treiben lassen und später in der Sonne das Wasser trocknen lassen, bis nur noch eine feine Salzschicht übrig bleibt. Dieses Jahr fiel für viele die Reise zum Meer aus. Aber hinträumen kann man sich immer ...

Von Mascha Gilly

Die letzten Meter muss man rennen, eigentlich immer: Vor einem diese Weite, das Rauschen, die Füße sinken in den weichen, nassen Sand. Die erste Welle kommt (drüber springen ist Pflicht, auch bei der zweiten). Zeit lassen oder zackig rein? Dann schickt das Meer die nächste Welle, irgendwie höher als die anderen und alles Nachdenken erübrigt sich: Man ist umspült von Sommer.

Dieses Jahr ist alles anders, voller Nachdenken. Einige mussten online Strandtickets buchen, andere wieder umkehren, weil es zu voll war, manche sind gar nicht erst hingefahren. Das Meer, dieses Sommerding Nummer Eins, viele haben dieses Jahr darauf verzichtet. Höchste Zeit unterzutauchen, zumindest in Gedanken. Aber vorher noch mal tief einatmen. Diese einzigartige Mischung in die Lungen lassen. Aus frisch gefallenem Regen, Fisch, bisschen Abwaschwasser und ja, irgendwie auch: Salz. Wobei - wie riecht Salz? Egal, hier riecht es. Und schmeckt. Etwa zwei Esslöffel Salz stecken in jedem Liter Meerwasser, macht mehr als eine Prise pro Schluck. Es lässt einen treiben wie eine eingebaute Luftmatratze. Toter Mann? So fühlt sich Leben an!

Dieses Meer hat nie Pause, pirscht sich heran und zieht sich wieder zurück, zeichnet wellenweise neue Linien in den Sand. Es brummt und brodelt und rauscht und tanzt. Und selbst wenn es mal da liegt wie ein Brett, nie kehrt Stille ein. Das Meer ist die beste Leinwand für Abenteuer. Was ist da für ein Schiff, das in der flirrenden Luft auftaucht? Wo ist die Lieblingsmuschel, die gerade noch da war und jetzt mit der weißen Gischt weggespült wurde? Was kitzelt da zwischen den Zehen? Sogar der Himmel am Meer ist anders, weiter, vorlauter, als würde er einen verborgenen Reißverschluss öffnen und sagen: Siehste, ich hab noch was in petto. Stella maris etwa, Stern des Meeres, der oben am Himmel seit frühesten Zeiten die Seeleute schützen soll. Bis nächsten Sommer, liebes Meer, hoffentlich!

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