Vielleicht muss man sich das alles mal als Ausstellung vorstellen: den Fundkiesel, der diese schön porige Oberfläche hat und irgendwie aussieht wie ein Hundekopf, die Pistazienschalen, noch salzig, im Kino wusste man einfach nicht, wohin damit, der Mathespickzettel, der nicht geholfen hat, die 25 Cent Restgeld (von was noch mal?), die drei Kaugummistreifen, hosentaschenwarm, das ein bisschen klebrige Wildkirschbonbon: persönliches Sammelsurium-Tagebuch. Wie wäre das im Museum?
Die Hosentasche ist eine geheimnisvolle Dunkelkammer, mehr Tastraum als Tasche, ganz meins, dabei überraschend geräumig. Restlos ans Licht gezerrt werden Hosentascheninhalte nur beim Sicherheitscheck am Flughafen. Oder vor der Waschmaschine. Beides keine poetischen Orte. Nichts für diese große Geschichtenerzählerin des Alltags. Dabei gibt es mindestens zwei verschiedene Taschentypen. Für die einen (relativ selten) ist die Hosentasche reines Organisationsinstrument: links vorne der Schlüssel, rechts Kleingeld, hinten ein Taschentuch (unbenutzt), rechts die Maske, basta! Für alle andere steckt in der Hosentasche Überraschung. Bunte Limokronkorken, der Legomännchenarm, ein Filzstiftdeckel? Weißnichtwohin, lieber aufheben - zack in die Hosentasche. Die bisschen komische Tante Doris begrüßen? Erst mal die Hände vergraben.
Hosentaschen sind nie ganz leer. Immer findet sich noch ein Brösel, den man zerdrücken kann, ein Taschentuchzipfel, dessen Ende man zwirbeln kann. Es sind Orte des Verschiebens: aufräumen, weiterspielen, Tante Doris begrüßen? Später. Gern später. Es sind Orte, an denen man an Vergessenes anknüpfen kann. Der verloren geglaubte Zehn-Euro-Schein (yippie, hinten links!), das Wildkirschbonbon, das unter der Bank zugeschobene Zettelchen, das man eben noch - Hosentasche sei Dank - vor dem Lehrer verstecken konnte: Ich muss unbedingt zurückschreiben.