Süddeutsche Zeitung

Thema der Woche:Große Klappe

Ganze 15 Jahre haben die Vereinten Nationen darüber verhandelt: Diese Woche wurde ein einzigartiges Abkommen zum Schutz und zur Nutzung der Weltmeere beschlossen. Ist das ein echter Durchbruch oder doch nur ein Papiertiger?

Von Nina Himmer

Keine Regeln? Klingt super. Nach Chips zum Frühstück, Zocken statt Mathe, immer ausschlafen. Aber, Spielverderberalarm: Ganz ohne geht es eben nicht. Im Kleinen hat man vielleicht nur Bauchweh oder schläft in der Schule ein. Aber im Großen kann es richtig Chaos geben. Deshalb ist fast alles geregelt: Straßenverkehr, Monopoly, Mülltrennung, Stundenplan, Wahlen, Hockey, Grabsteine, Sockengrößen, Teebeutel.

Eine mit 200 Millionen Quadratkilometern riesengroße Ausnahme ist die Hochsee. So nennt man den Teil der Meere, der mehr als 370 Kilometer weit weg von der Küste ist - also so weit wie München von Mannheim. Zwei Drittel der Weltmeere gehören dazu. Und anders als in küstennahen Gewässern, wo ganz genau geregelt ist, welche Kabel verlegt, welche Rohstoffe abgebaut, welche Schiffe fahren und wie viele Fische gefangen werden dürfen, gibt es auf der Hochsee keine Regeln. Sie gehört keinem Staat, sondern allen Menschen, ähnlich wie der Mond, die Antarktis oder die Atmosphäre. Klingt wild und romantisch, ist aber ein Riesenmist: Manche Länder nutzen das Meer als Müllkippe, fischen es leer oder sind scharf auf Rohstoffe am Grund. Denn wo es keine Regeln gibt, da gibt es auch keinen Schutz. Zum Beispiel für die Tier- und Pflanzenwelt in den Tiefen der Hochsee. Dabei liefern die Meere und ihr Unterwasserwald mehr als die Hälfte des Sauerstoffs, den wir atmen. Diese Woche wurde das erste Hochsee-Abkommen in der Geschichte der Menschheit beschlossen. 15 Jahre haben die Vereinten Nationen darüber verhandelt, die letzte Sitzung dauerte 40 Stunden. Bis 2030 sollen 30 Prozent der Weltmeere Schutzgebiete werden. Viele bewerten das Abkommen als Meilenstein, ähnlich dem Pariser Klimaabkommen. Wird das wieder ein Papiertiger? Das ist nicht etwa ein sehr dünner Meeresbewohner, sondern eine Abmachung, die nicht durchgesetzt wird. Hoffentlich kriegt die Welt das also, nun ja, geregelt.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2023
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