Thema der Woche:Fluten des Krieges

Thema der Woche: Überflutete Straßen in Cherson, nachdem der Kachowka-Damm gesprengt wurde.

Überflutete Straßen in Cherson, nachdem der Kachowka-Damm gesprengt wurde.

(Foto: Libkos/dpa)

Ohne Wasser ist kein Leben möglich. Als Sintflut kann Wasser aber auch katastrophale Kräfte entwickeln. Nach der Zerstörung eines Staudamms werden Dutzende von Orten in der Ukraine geflutet. Was das bedeutet.

Von Georg Cadeggianini

Wasser, auf einmal ist überall Wasser. Im Wohnzimmer, auf der Straße, im Keller. Man sieht Familien, die auf den Dächern ihrer Häuser sitzen, Menschen, die auf Surfbrettern durch die Straßen paddeln, die ihr Hab und Gut in zwei Tüten packen, eine für jede Hand.

Von einem Dammbruch spricht man, wenn das kaputtgeht, was Menschen gebaut haben, um Wasser den Weg zu versperren. Die Kachowka-Staumauer war 30 Meter hoch und über 400 Meter lang. Sie hat Wassermassen zurückgehalten, neunmal so viel wie im gesamten Chiemsee. Wasser, das jetzt den Süden der Ukraine überflutet.

Es ist unklar, was in der Nacht auf Dienstag gegen 2.50 Uhr in dem Wasserkraftwerk, das seit Kriegsbeginn unter russischer Kontrolle steht, genau passiert ist. Zuerst wurde wohl das Kraftwerk zerstört, dann die Staumauer. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig. Vielleicht wird es nie eindeutig geklärt werden können? Klar jedoch ist, dass es diese Zerstörung ohne den russischen Angriffskrieg nicht gegeben hätte. Und klar ist, dass es eine Katastrophe für Zehntausende Menschen dort ist, für Dutzende Orte. Die Natur dort wird auf Jahre zerstört sein, genauso wie die Landwirtschaft. Es könnten sogar neue Wüsten entstehen. Die Gegend dort ist bekannt unter anderem für ihre Wassermelonen, ausgerechnet Wassermelonen!

Von einem Dammbruch spricht man auch, wenn etwas, was gegen Regeln verstößt, lange nicht und dann doch getan wurde - oft mit der Sorge, dass es sich danach wiederholt. Im Krieg gegen die Ukraine scheint es mit den vielen Verbrechen gegen die Menschlichkeit keinerlei Regeln mehr zu geben. Aber vielleicht ist mit der Zerstörung des Kachowka-Staudamms doch eine neue, traurige Ebene erreicht. Eine neue Kriegslogik könnte lauten: Wenn es uns schon nicht gelingt, das andere Land zu erobern, dann lass es uns zumindest zerstören.

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