Süddeutsche Zeitung

Thema der Woche:Dreisam

Egal ob der nächste Bundeskanzler Armin Laschet oder Olaf Scholz heißt, egal ob ihn CDU oder SPD stellen: Die nächste Regierung wird wohl nicht mehr aus zwei, sondern aus drei Parteien bestehen. Riesenmist oder große Chance?

Von Georg Cadeggianini

Einerseits wird es zu dritt echt schwierig. Beim Wippen zum Beispiel. Da drücken zwei den Dritten immer in die Luft. Beim Pizzateilen. Wie genau geht dritteln? Oder beim Reden: Wenn sich zwei unterhalten und jeder nur drei unterschiedliche Positionen beziehen kann (ja/nein/wurscht), gibt es bereits neun verschiedene Kombinationsmöglichkeiten: ja/nein, ja/wurscht ... Sind es drei, die miteinander diskutieren, kommt man schon auf 27 Kombinationen. Siebenundzwanzig!

Seit vergangenem Sonntag ist klar, dass die nächste Regierung wohl aus drei Parteien bestehen wird. Egal ob CDU oder SPD den Kanzler stellen - beide brauchen sowohl Grüne als auch FDP, um ihn wählen zu können. Herrscht die nächsten vier Jahre also 27er-Chaos, bei dem einer immer in der Luft zappelt?

Andererseits: Es gibt wohl keine Zahl, der so viel Kraft zugetraut wird, wie der Drei: Die drei Musketiere; Tick, Trick und Track; Vater, Sohn und Heiliger Geist. Drei mal kommt das Rumpelstilzchen, zu dritt sind die Könige aus dem Morgenland, mit dem dritten Punkt spannt sich eine Fläche auf. Während die Zwei Gegensätze macht, versöhnt die Drei. Erst mit ihr gibt es eine Mitte.

Was das alles für die nächste Regierung heißt? Ja, zu dritt zusammenzukommen erfordert einiges an Anstrengung. Dabei hat jede Partei ein Szenario vor Augen, das sie unbedingt verhindern will. Das gibt Energie für Kompromisse. Die SPD will Armin Laschet verhindern, die CDU Olaf Scholz. Die FDP kann es sich kaum leisten, eine Beteiligung an der Regierung noch mal auszuschlagen wie vor vier Jahren. Die Grünen wollen einen Wechsel, keine CDU mehr, keine große Koalition.

Was sich aber vor allem ändert: Die Arbeit zu dritt rüttelt das Geschäft ganz neu zurecht, mischt Macht neu. Momentan verhandeln die beiden kleineren Parteien miteinander. Die zwei wippen, der Wahlgewinner muss zuschauen? Geht nur zu dritt.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2021
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