Süddeutsche Zeitung

Thema der Woche:Der abgesagte Krieg

Nach der Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch die USA vor einer Woche schien alles außer Kontrolle. Auf der ganzen Welt fürchteten sich Menschen vor dem, was kommt. Was jetzt trotzdem Hoffnung macht.

Von Moritz Baumstieger

Manchmal wacht man auf und alles ist anders als am Abend zuvor. Für die Menschen in Iran und anderen Ländern des Nahen Ostens war der Morgen des 3. Januar so ein Moment - aber auch für einige in den USA, die Freunde beim Militär haben oder selbst Soldaten sind.

Das, was alles verändert hat, passierte mitten in der Nacht am Flughafen von Bagdad. Dort war ein iranischer General angekommen, aber nicht irgendeiner: Qassim Soleimani hat in vielen Ländern bewaffnete Gruppen aufgebaut, die für Iran kämpfen und damit meist gegen die USA. Denn beide Länder sind schon lang verfeindet. Die USA halten Soleimani für einen der gefährlichsten Männer der Welt. Um 1.45 Uhr treffen US-Raketen sein Auto, Soleimani und seine Begleiter sterben. Seitdem sprechen viele von einem möglichen Krieg.

Ein Krieg zwischen Ländern ist etwas ganz anderes als ein Streit unter Geschwistern. Natürlich, weil eine Bombe etwas ganz anderes ist als ein Schwitzkasten. Aber auch, weil der Geschwisterstreit sich eher um Gefühle dreht. Da kocht was hoch, irgendwann fängt mal einer an zu prügeln. Fertig. Beim Krieg stehen Menschenleben auf dem Spiel und strategische Ziele. Deswegen versuchen Politiker und Militärs in der Regel, sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen, sondern überlegen, bevor sie etwas tun, sehr genau, ob sie den Konflikt gewinnen.

Und genau das könnte die Lage jetzt beruhigen: Iran hat weniger aggressiv reagiert als befürchtet. Zwar zündeten sie Racheraketen, kündigten diese aber zuvor an. Und Trump, der dieses Jahr von kriegsmüden Amerikanern wiedergewählt werden will, spricht plötzlich von Harmonie, Wohlstand, einer großartigen Zukunft für Iran. Was noch kommt, weiß niemand. Wie viel Stärke muss das Regime gegenüber der Bevölkerung beweisen? Wie viel hat Trump vor seinem Raketenbefehl tatsächlich überlegt? Hoffentlich merken beide bald: In einem Krieg verlieren alle.

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Quelle:
SZ vom 11.01.2020
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