Süddeutsche Zeitung

Thema der Woche:Auf geht's!

Am Mittwoch ist es so weit. Am 1. Dezember darf man das erste Türchen öffnen. Wurst, Parfum, Diamanten: Alles Mögliche ist heutzutage in Adventskalendern. Sie verkürzen das Warten auf Weihnachten - und kitzeln im Kopf.

Von Nina Himmer

Könnte man durch ein Türchen ins Gehirn schauen, während man ein Türchen im Adventskalender öffnet - man bekäme einiges zu sehen: Ein Feuerwerk der Nervenzellen, eine Extraportion Glücksbotenstoffe, gleich mehrere aufgeregt aktive Hirnregionen. Vor allem das Belohnungszentrum wird angekurbelt, wenn wir etwas Schönes erwarten, aber noch nicht genau wissen was. Ist da Schokolade drin? Gummibärchen? Ein Flummi? Glitzernagellack? Ein Bildchen? Oder was Gebasteltes?

So ein Adventskalender ist wie eine Wundertüte, ein Mini-Überraschungs-Automat aus Pappe und Papier. 24 Mal liefert er täglich eine kribblige Mischung aus Freude, Aufregung, Glück und Erwartung. Am besten gleich morgens: Raus aus dem Bett, barfuß zum Kalender, aufklappen, aufreißen, auspacken. Das Beste daran: Die Freude wird mit jedem geplünderten Türchen mehr, schließlich wartet am Ende Weihnachten. Vorfreude zu befeuern ist aber nur eine Superkraft von Adventskalendern. Die andere: Zeit sichtbar machen. Zu sehen, wie die Tage vergehen, hilft beim Warten - egal, ob man Jesus' Geburtstag, den eigenen oder einfach die Schulferien herbeisehnt. Früher haben die Menschen deshalb im Dezember jeden Tag einen Kreidestrich von der Wand gewischt, einen Strohhalm in eine Krippe gelegt oder ein Stückchen Kerze abgebrannt.

Heute landet alles mögliche in Adventskalendern. Es gibt welche mit Wurst, Parfüm, Müsli, Geschichten, Katzenfutter, Schmuck ... Das liegt daran, dass Weihnachten auch ein großes Geschäft ist (der teuerste Adventskalender kostet 2,5 Millionen Euro, es sind Diamanten drin) und auch viele Erwachsene einen haben wollen. Schöner allerdings: Wenn sich jemand Gedanken gemacht und 24 kleine Päckchen gepackt hat. Und man so gar nicht weiß, was kommt, wenn man das Papier wegknistert. Das gibt dem Hirn einen Glückskick - und dem Herzen irgendwie auch.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2021
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