Testosteronhaushalt:Müde Väter, träge Hormone

Schlaf, Kindlein, schlaf! Junge Eltern lassen ihr Baby vor lauter Schlafmangel schon mal im Doppelbett übernachten. Das kann nicht nur der Gesundheit des Säuglings gefährlich werden, sondern auch dem Hormonhaushalt des Vaters.

Sebastian Herrmann

In den ersten Monaten nach der Geburt eines Babys bestimmt ein Thema das Leben junger Eltern: Schlafmangel. Augenringe sind in dieser Zeit so etwas wie ein Leistungsabzeichen guter Mütter und Väter. Freunde und Verwandte erwarten geradezu, dass Eltern übernächtigt und ausgelaugt sind. "Schläft es schon durch?", fragen sie dann und erzählen Geschichten von ihren eigenen Kindern, die nur mithilfe absurder Rituale einschlafen. Die einen lassen einen Föhn neben dem Bett röhren, die anderen tanzen mit dem Baby vor der laufenden Spülmaschine.

Schlaf

Forscher haben herausgefunden, dass der Testosteronhaushalt von Vätern sinkt, wenn das Baby im Bett der Eltern schläft.

(Foto: mathias the dread/photocase.com)

Schläft der Säugling aber mit den Eltern im Bett, gleiten solche Gespräche leicht in einen sorgenvollen Ton ab - das Thema Babys und Schlaf ist von vielen Ängsten besetzt. Das Risiko für den plötzlichen Kindstod könnte steigen, wenn Säuglinge zwischen Mutter und Vater schlummern. Womöglich ersticken die Eltern das Baby gar versehentlich im Schlaf, warnen Mediziner. Die Qualität der Partnerschaft könnte auch leiden, weil ein Kind im Bett Sex praktisch ausschließt.

Einen weiteren Tiefschlag versetzen müden Vätern nun Anthropologen um Lee Gettler von der Universität Notre Dame. Schlafen Männer mit ihren Babys in einem Bett, lässt dies ihren Testosteronspiegel absacken, berichten sie im Fachmagazin Plos One. Die Forscher beobachteten über mehrere Jahre 362 junge Väter aus Cebu City auf den Philippinen. 92 Prozent dieser Männer teilten das Bett mit ihrer Familie, die übrigen schliefen in einem separaten Raum. Mehrmals täglich maßen die Forscher den Testosteronspiegel der Männer - bei den Vätern mit eigenem Schlafzimmer lag er höher.

Männer könnte dieser Befund nervös machen, schließlich lässt alleine die Vaterschaft schon ihren Testosteronspiegel um bis zu einem Drittel absinken. Und das männliche Sexualhormon gilt als treibende Kraft für die erfolgreiche Partnersuche und einen starken Sexualtrieb. Männer mit hohem Testosteronspiegel treten dominanter auf, sind risikofreudiger und extrovertierter. Psychologen um Thomas Pollet von der Universität Groningen berichteten kürzlich sogar, dass Männer mit einem hohen Testosteronspiegel im Laufe ihres Lebens Sex mit einer größeren Anzahl von Partnern haben. Ist ein Baby im Bett also das Ende aller Zärtlichkeiten zwischen Mann und Frau? Die philippinischen Väter mit einem eigenen Zimmer hatten zumindest laut der Studie etwas häufiger Sex mit ihrer Partnerin.

Doch solche hormongesteuerten Ängste sind absurd. Das Liebesleben junger Eltern renkt sich schon wieder ein, wenn das Kind erst im eigenen Bett schläft. Und die Tatsache, dass der Testosteronspiegel von Vätern nach der Geburt eines Kindes absackt, dient ohnehin einer größeren Sache - der Pflege des Nachwuchses. Väter mit einem niedrigen Grundniveau des Sexualhormons kümmern sich in der Regel intensiver um ihre Kinder. Wenn das Testosteron bei den Vätern mit Baby im Bett absackt, "hat das wahrscheinlich positive Auswirkungen auf das Kind", spekulieren die Wissenschaftler um Gettler. Belegen können sie diese Vermutung bisher aber nicht. Dafür entdeckten sie in ihren Daten eine andere Auffälligkeit: Schliefen die Männer zusammen mit ihrer Familie im Bett, fingen sie sich häufiger leichte Infektionen ein.

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