SZ-Serie: Projekt Familie:Papa ante portas

Zeit für die Familie, Geld vom Staat und nervende Fragen vom Vorgesetzten - wie drei Väter ihre Elternzeit erleben.

Sabine Buchwald

Marcus ist zum zweiten Mal hier. In wattierter Mini-Jeans, hellblauem Jäckchen und weißer Kappe auf dem Haarflaum schaukelt er ruhig in seinem Maxi-Cosi. Neben ihm sitzt sein Vater und löffelt Obstsalat. Vor den großen Fenstern schießen große, dunkle Autos vorbei. Thomas Rothe frühstückt gern in diesem Café an Münchens edelster Einkaufsstraße, und weil es Marcus gibt, geht das im Moment auch wochentags.

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(Foto: Illustration: Eric Giriat)

Thomas Rothe ist in Elternzeit, genauer gesagt Elternteilzeit. Sein Sohn kam kurz nach Silvester zur Welt und brachte Rothes mit seiner Geburt auch noch das Glück des erhöhten Elterngeldes. Vier Wochen hatte sich Thomas Rothe ganz frei genommen, seit Anfang Februar arbeitet er 30 Stunden. Diese Vereinbarung lässt ihm einen freien Tag.

Der gebürtige Dresdner ist stolz, dass er sich dafür entschieden hat. Wenn es das neue Gesetz und die Diskussion um die "Vätermonate" nicht gäbe, hätte er wohl kaum bei seinem Vorgesetzten angefragt, sagt er. Weniger das Geld vom Staat war für ihn Anreiz als die schiere Möglichkeit, mehr Zeit mit seinem Sohn zu haben.

Thomas Rothe ist Geschäftsstellenleiter bei der Stadtsparkasse. Nicht mal fünf Minuten hat das Gespräch mit dem Vertriebsdirektor gedauert, der ihn erklären ließ, warum er Elternzeit nehmen wolle. Eine Frage, die Müttern nie gestellt würde. "Das kriegen wir hin", bekam Rothe dann zu hören.

Schokokuchen im Reihenhaus

"Ich möchte kein Freizeit-Daddy sein", sagt der 29-Jährige. Er legt seine Hand auf Marcus' Bauch und strahlt. "Am besten lässt er sich von mir beruhigen." Thomas Rothe hätte sich durchaus vorstellen können, das Geldverdienen eine Weile seiner Frau zu überlassen. Finanziell stände die Familie sogar besser da, weil sie viel mehr verdient hat. Aber sie will für Marcus in den ersten Jahren sorgen. Im April wird Thomas Rothe deshalb wieder täglich in die Bank gehen. Mit dem Gefühl, das für ihn Mögliche getan zu haben.

Gunnar Broch hat sich auf mehr eingelassen. An einem verregneten Freitagmorgen öffnet er mit Tochter Hannah auf dem Arm die Reihenhaustür in einem Münchner Vorort. Im Wohnzimmer stehen Kaffee und Kuchen bereit. Schokokuchen. Das kleine Mädchen lugt über die Tischkante. "Wir erzählen Mama nichts davon", sagt Broch zu seiner Tochter, während er ihr wenig später kleine Kuchenstücke in den Mund schiebt. Bis Mama am Abend nach Hause kommt, sind sie längst verdaut.

Papa ante portas

Petra Broch geht Vollzeit ins Büro. Die 18 Monate alte Hannah wird unter der Woche an zwei Tagen von einer Tagesmutter betreut, drei Tage von ihrem Vater. "Ich hatte echt unterschätzt, was es bedeutet, einen Haushalt zu führen", sagt Gunnar Broch, 40. Als Personalentwickler bei Ikea feilt er an der Ausbildung jüngerer Menschen - was Kleinkinder mögen, musste er erst lernen, wie jede Mutter auch.

Sechs Monate nach Hannahs Geburt hat er die Geschäfte zu Hause übernommen mit allem, was dazu gehört: Wäsche, Bad, Einkaufen, Pekip-Krabbelgruppe. Die Mütter dort hatten eine Wette abgeschlossen, ob er es hinkriegen würde, rechtzeitig mit der gewickelten und satten Tochter zum Kurs zu erscheinen. "Solche Beleidigungen muss man einfach hinnehmen", sagt Broch.

Die ersten zwölf Wochen war er ausschließlich für Hannah da, jetzt läuft sein Arbeitsvertrag über 20 Stunden. Das ist ein Bruchteil der Zeit, die er früher für seinen Beruf investiert hat. Langsamer und aufmerksamer zu werden, einen Gang runterzuschalten, das habe er als Erstes gelernt, sagt Broch. Mit der Gelassenheit, mit der er Hannah füttert, schafft er in der reduzierten Zeit ein ähnlich hohes Arbeitspensum wie vor der Geburt. "Zu Hause ziehe ich mich konzentriert zurück, wenn Hannah mittags schläft oder am Abend. Im Großraumbüro gab es ständig Impulse von außen, die abgelenkt haben."

Er würde gern wissen, wie andere Männer die Elternzeit packen. Auf eine Anzeige im Magazin Eltern, mit der er Kontakt zu Vätern suchte, kam keine einzige Rückmeldung aus dem Großraum München. Zum Austausch über Windelgrößen oder Hustensäfte bleibt ihm nur die eigene Frau.

Andere Mütter haben ihre Vorbehalte. Eine sagte ihm klar: "Man redet schlecht darüber, wenn ich mich mit dir und deiner Tochter treffe, das will ich nicht." Die Mitarbeiter im Möbelhaus verkniffen sich blöde Sprüche. Im Gegenteil. Eine Kollegin prophezeite ihm: "Es wird dich beruflich voranbringen, weil du den Kopf frei bekommst."

Mit dem Handy am Spielplatz

Dass sich in stressfreier Umgebung fabelhaft denken lässt, kann Bernard Frank nur bestätigen. "Ich hatte schon tolle Ideen auf der Kindergartenbank." Der 40 Jahre alte promovierte Elektroingenieur entwickelt Navigationssysteme für Siemens. Ein Bereich, in dem der Fortschritt rasant ist. Trotzdem hat er vor zwei Jahren vier Monate Elternzeit genommen, weil seine Ehe bröckelte und er intensiver für seine Tochter da sein wollte. Er ging damals drei Tage ins Büro und hielt sich den Rest der Woche über Handy und Laptop einsatzbereit, telefonierte öfter mal vom Spielplatz aus. "Man achtet unglaublich stark auf Effizienz, um seine Arbeit zu schaffen", sagt Frank.

Sein Team habe ihn damals sehr unterstützt, obwohl es seinen Teil mittragen musste. Weil er fachlich immer auf dem Laufenden war, konnte er problemlos wieder Vollzeit arbeiten. Nur von höherer Führungsebene spürte er Ressentiments. Das wirke sich bei Gehaltsverhandlungen aus und größere Karriereschritte seien erst mal nicht drin, sagt er. "Ich kann trotzdem nur jedem Vater empfehlen, Elternzeit zu nehmen."

Thomas Rothe und Gunnar Broch haben exakt den gleichen Satz formuliert. Warum dennoch so viele Männer ihren Frauen die Kindererziehung überlassen, erklärt sich Frank so: "In Deutschland will jeder alles haben zu jeder Zeit - Geld, Statussymbole, Karriere. Die meisten können nicht verzichten." Weil das Gesetz eine Aufsplittung der Elternzeit während der ersten Lebensjahre ermöglicht, will Frank nun ein Jahr nur noch 50 Prozent arbeiten. "Meine Tochter soll ein starkes Mädchen werden und meine Werte mitbekommen, nicht nur die der Mutter."

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