Rückblick auf Royal Wedding:Ja, wir wollen!

Selbst eingefleischte Republikaner und Anti-Royalisten müssen rückblickend zugeben, dass die Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton ein globales Ereignis war. Die Monarchie mag verstaubt sein, doch als am 29. April Hunderte TV-Sender die Bilder übertrugen, überstrahlte sie alles.

Wolfgang Koydl

Die größte Überraschung erlebten am Ende die Zyniker, die Spötter und die Säuerlinge. Ein Übermaß an Überdruss hatten sie vorausgesagt für den großen Tag - und sich klammheimlich wohl auch gewünscht. Nichts anderes sei schließlich zu erwarten, höhnten sie, angesichts der Berge an gedrucktem Papier, der Fluten gesprochener Worte, der Sturzbäche gesendeter Bilder, mit denen die Nation schon Wochen, ja Monate vor dem Ereignis traktiert worden war.

Jahreswechsel - Prinz William heiratet Kate Middleton

Der Höhepunkt des royalen Hochzeitsspektakels: Auf dem Balkon des Buckingham Palace küsst Prinz William seine frischangetraute Frau Catherine.

(Foto: dpa)

In Scharen würden die Einheimischen die Hauptstadt verlassen, ihren Royals buchstäblich den Rücken kehren und das Innenstadt-Karree zwischen Buckingham Palace, Mall, Whitehall und Westminster Abbey vernarrten Royalisten aus Remscheid, Reims und Rapid City, South Dakota, überlassen.

Catherine-trunken durch und durch

So kann man sich täuschen. Als es dann so weit war und die liebreizende bürgerliche Millionärstochter Catherine "Kate" Middleton aus der Grafschaft Berkshire ihrem schon leicht angedellten, millionenschweren Märchenprinzen William Mountbatten-Windsor das Jawort gab, da lachte nicht nur die Sonne vom Londoner Himmel. Ein ganzes Volk schmolz gerührt dahin - verzaubert zu gleichen Teilen vom anscheinend so unschuldigen jungen Glück und dem Pomp und Gepränge der gelungenen Inszenierung.

Zu Tausenden säumten sie die Route, schwenkten Fähnchen und Wimpel oder hatten gleich den ganzen Körper in den Union Jack gehüllt. Hunderte hatten tagelang in Einmann-Zelten, auf Camping-Hockern und in Schlafsäcken ausgeharrt, um einen Blick auf das Paar in der Kutsche zu erhaschen. Und die Mehrzahl dieser Menschen waren keine Touristen, sondern Briten - vielleicht nicht unbedingt königstreu bis in die Knochen, aber sicher Catherine-trunken durch und durch.

Ein Wogen ging durch die Menge, als das Paar aus dem Westportal der Abbey trat, ein Wogen, das sich anhörte, als ob ein einziger großer Organismus den Atem anhalten wollte zu einem Seufzen. Dann entlud sich der Seufzer in Jubelrufen und anerkennenden Pfiffen, in die sich das Geläute der Glocken und das Dröhnen der Orgel mischten.

Fast körperlich war die Zuneigung zu spüren, die William und seiner Kate entgegenschlug. Endlich Royals, auf die man stolz sein konnte. So emotional hatte man die Briten schon lange nicht mehr gesehen, nicht seit dem Tod von Prinzessin Diana. Damals waren es Trauer und Schmerz, nun war es ungetrübte Freude.

Vom Premierminister bis zum schlichten Klempner zeigten sie Einigkeit: "So etwas kriegen nur wir hin", brüstete sich beispielsweise der Installateur John Kemble aus dem Londoner Vorort Ham. "Um so etwas beneidet uns die ganze Welt."

Der stolze Brite wiederholte damit nur, was schon sein Regierungschef gesagt hatte: "Wir sind ja eigentlich ziemlich reserviert, wir Briten", hatte Premierminister David Cameron festgestellt, bevor er von der Downing Street hinübergeeilt war in die Abbey. "Aber wenn wir es krachen lassen, dann lassen wir es krachen."

Nicht nur die Kulisse der prachtvollen Fassaden und die Komparsen der berittenen Soldaten stimmten bei dieser Inszenierung; auch die Besetzung erwies sich als ausnehmend geglückt - als sei's ein Stück von Mozarts Lieblings-Librettisten Beaumarchais: Hier das junge, unschuldige Glück, das Neidern und Widersachern zum Trotz zueinandergefunden hat. Dort die royalen Großeltern Elisabeth und Philip, meist mürrisch und griesgrämig, doch nun milde und versöhnlich gestimmt. Dann der Vater der Braut, nur bürgerlich zwar, doch eine gute Haut, fleißig und strebsam und daher zu Recht erfolgreich, und unterstützt von einer kessen, ehrgeizigen Frau.

Ein Po als Extra-Kirsche auf der Hochzeitstorte

Sogar die Buffo-Rollen in diesem Stück sind erstklassig besetzt mit Harry und Pippa, den Geschwistern der Brautleute. Vor allem Kates Schwester kommt groß raus, verspricht sie doch eine Fortsetzung des Liebesromans zu einem späteren Zeitpunkt. Ganz zu schweigen von ihrem Hinterteil: Pippas Popo entpuppte sich, wenn man das so sagen darf, als eine unerwartete, aber besonders leuchtende Extra-Kirsche auf der Hochzeitstorte.

Royal Wedding - Thousands Of Wellwishers Flock To Witness The Happy Day

Ein Land im Hochzeitsfieber: Tausende Schaulustige versammelten sich am Tag der Royal Wedding vor dem Buckingham Palast und im Hydepark.

(Foto: Getty Images)

In erster Linie mochte die Traumhochzeit des jungen Prinzen Klatschpostillen und andere bunte Blätter beschäftigt und erfreut haben. Doch tatsächlich war die Trauung ein hochpolitisches Ereignis - was Premierminister Cameron früh erkannt hatte. Nach Art eines feudalen Seigneurs gab er der Nation den Jubeltag als Feiertag frei - aus klar durchdachtem Kalkül. Denn das Freudenfest sollte ablenken von einer tristen Gegenwart in einem Land, dessen langer Abstieg von einstiger Weltgeltung noch nicht abgeschlossen ist und das stattdessen bei Parametern wie Kinderarmut, Säuglingssterblichkeit und Arbeitslosigkeit Spitzenplätze im europäischen Vergleich einnimmt.

Neue Charaktere für die Windsor-Saga

Am Tag der Hochzeit blieben befürchtete Unruhen zwar aus; erst im Sommer zog Englands perspektivlose Unterschicht brandschatzend und plündernd durch die Elendsquartiere der Städte. Auch dies, so scheint es, kriegt niemand so gut hin wie die Briten. Noch immer ist es das alte Übel der Klassengegensätze, unter dem das Vereinigte Königreich leidet. Auch aus diesem Grund war die Vermählung einer Bürgerlichen mit einem leibhaftigen Prinzen so wichtig. Denn der Cinderella-Mythos sollte eine Durchlässigkeit der Klassenschranken selbst auf höchster Ebene vorgaukeln.

Oder hatte sich die Queen, als Repräsentantin eines stockkonservativen alten Britanniens, etwa nicht jahrelang geziert, der Verbindung ihres Enkels ihren Segen zu geben? Eine Bürgerliche? Die Tochter einer Stewardess mit grauenvoll kleinbürgerlichen Gewohnheiten? Die Enkelin proletarischer Bergarbeiter?

Skandinavische oder spanische Royals mögen die Scheu vor den niederen Ständen abgelegt haben; aber mit solchen Parvenü-Monarchen hat sich die britische Krone noch nie verglichen.

Doch die Queen wusste wahrscheinlich früher als ihre Höflinge und die Berufsmonarchisten in der konservativen Presse, dass das Königshaus eher auf die bürgerlichen Middletons angewiesen war als umgekehrt. Wie jede erfolgreiche Fernsehserie, so ist auch die seit Jahrzehnten laufende Windsor-Saga auf neue Charaktere angewiesen. Im Mittelalter schloss Europas Hochadel dynastische Ehebündnisse, um die Macht abzusichern. Heute sind die Royals auf das Wohlwollen der Steuerzahler angewiesen, die ihre Apanagen zahlen. Und Steuerzahler sind in ihrer Mehrheit nun mal Bürgerliche.

"Er hat Glück, dass er mich hat"

Koenigliche Hochzeit William und Kate

Strahlende Braut: Kate Middleton kurz vor der Trauung in Westminster Abbey.

(Foto: dapd)

Catherine Middleton hatte ohnehin nie an ihrem Wert gezweifelt. Selbstbewusst war sie schon immer. Ganz früh in ihrer Beziehung zu William ging das Getuschel los, dass sie von Glück sagen könne, sich einen Prinzen geangelt zu haben. Kate blieb unbeeindruckt: "Er hat Glück, dass er mich hat", beschied sie missgünstige Mäuler.

Anders als ihre Schwiegermutter Diana, die von ihrer Prachthochzeit vor drei Jahrzehnten schier erdrückt wurde und die sich nach eigenen Worten fühlte wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank führt, genoss die neue Prinzessin und Herzogin von Cambridge ganz augenscheinlich das Spektakel.

Ehrgeizige Schwestern

Ein Aschenputtel, das von einem Prince Charming aus der Herdasche geholt und auf sein Schloss heimgeführt wurde, war sie nie. Ein Märchen war ihre Geschichte nur insofern, wie die britische Bestsellerautorin Lynne Truss bissig festhielt, als dass sie jeder realen Grundlage entbehrte und ausschließlich von kollektiven romantischen Wallungen gespeist wurde: "Hier haben wir keinen Prinzen, der jemanden zu sich hochzieht, hier haben wir eine Bürgerliche, die auf Augenhöhe des Prinzen gepuscht wurde."

Nein, darben mussten Kate und ihre Schwester nie. Die Einnahmen aus dem recht prosperierenden Online-Geschäft ihrer Eltern sprudelten so reichlich, dass sie in einem mit Glyzinien bewachsenen Sieben-Zimmer-Haus im beschaulichen Dörfchen Bucklebury im wohlhabenden Londoner Stockbroker-Belt aufwachsen konnten. Wer hier lebt, hat entweder altes Geld geerbt oder neues verdient in den verrückten Boomzeiten seit Mitte der Neunziger.

Die Middletons hatten von beidem: Väterlicherseits waren es betuchte Industrielle und Anwälte, mütterlicherseits Bergleute und Handwerker mit Durchsetzungskraft, Mutterwitz und Unternehmergeist.

Gute, teure Privatschulen verstanden sich von selbst für Kate - nicht unbedingt nur wegen der besseren akademischen Ausbildung an diesen Instituten, sondern eher wegen der besseren sozialen Kontakte, die man dort knüpfen konnte. Deshalb bestimmte Mutter Carole auch, dass ihre ältere Tochter sich nicht an der Universität von Edinburgh einschrieb, sondern am feineren St. Andrews College. Denn dort studierte, was für ein Zufall, der künftige Erbe des Throns von Britannien.

Neidische Mäuler und böse Zungen hatten den Middleton-Mädchen schon in der Schulzeit den Spitznamen "Wisteria Sisters" verpasst: Wie die Glyzinien am Elternhaus seien auch die beiden Schwestern "dekorativ, duftend und beim Hochklettern nicht zu bremsen".

"Alles, was Michael und Carole Middleton für ihre Kinder wollten, war, dass sie Erfolg haben und glücklich heiraten würden - vorzugsweise in eine wohlhabende Familie", vertraute ein Freund des Ehepaares einmal dem amerikanischen Magazin Vanity Fair an. "Doch in ihren wildesten Träumen hätten sie sich nicht vorstellen können, dass eine von ihnen in die königliche Familie einheiraten würde."

Nun ja, ob gewollt oder nicht, letztlich hat es ja geklappt mit der besseren Familie. Kates Schwiegereltern Charles und Camilla, Großmutter Elisabeth, und der Rest des Clans scheinen sehr zufrieden zu sein mit dem Neuzugang. Catherine Mountbatten-Windsor, die Herzogin von Cambridge, hat nicht nur frischen Wind in die verstaubten Gemäuer der britischen Royals gebracht; mit ihr hat die Monarchie in Großbritannien historisch ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Für Kate, genauer gesagt: für ihr erstgeborenes Kind, hat das Land zum ersten Mal seit 300 Jahren die Erbfolge neu geregelt. Künftig haben Mädchen dasselbe Anrecht auf den Thron wie Jungen. Jetzt fehlt nur noch der entsprechende Nachwuchs, aber den wird Catherine schon produzieren. Und mit ihm die nächste Gelegenheit für eine ganze Nation, voll selbstverliebter Rührung dahinzuschmelzen.

Der Artikel stammt aus dem großen Jahresrückblick der Süddeutschen Zeitung. Im Handel ist das Heft erhältlich ab 3.12.2011, online zu bestellen ab sofort unter www.sz-shop.de/2011.

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