Syrischer Alltag: Essen und Trinken:"In Syrien habe ich nie einen Vegetarier getroffen"

Ahmad aus Damaskus erzählt von der syrischen Küche, vom Fastenbrechen im Ramadan und seiner ersten Begegnung mit Müsli und Kartoffelknödeln. Dazu gibt's ein Kochrezept.

Protokoll: Elisa Britzelmeier

Ahmad, 25, ist in der syrischen Hauptstadt Damaskus aufgewachsen und hat dort Pharmazie studiert. Seinen Abschluss konnte er nicht mehr machen, weil er zusammen mit seiner Familie fliehen musste. Seit fast drei Jahren lebt er nun in Deutschland. In Damaskus besaßen seine Eltern mehrere Restaurants, verkauften Falafel, Schawarma und Obstspieße. Nach wie vor lädt die Familie gern zu sich ein, an einen Tisch mit Schüsseln und Tellern, so voll, dass kaum ein Fleckchen freibleibt. Ahmad erzählt dabei von der Rolle des Essens und von der syrischen Gastfreundschaft.

"Die wichtigste Regel lautet: Alleine essen geht gar nicht! In Syrien isst so gut wie immer die ganze Familie gemeinsam - man wartet, bis alle zu Hause sind. Zusammen schmeckt es einfach besser. Und Gästen nichts anzubieten, ist auch undenkbar. Mindestens bekommen sie einen Tee, und wenn Freunde länger als eine Stunde zu Besuch sind, bietet man ihnen auch etwas zu essen an.

Es gibt ein syrisches Sprichwort: "Deine Schwiegermutter liebt dich." Das sagen wir, wenn jemand unerwartet zu Besuch kommt und wir ihn auffordern, mitzuessen. Egal, ob derjenige wirklich eine Schwiegermutter hat oder nicht. Woher der Spruch kommt, weiß ich auch nicht so genau. Außerdem fragt man in Syrien dreimal nach, ob jemand noch etwas möchte. Erst dann wird "Nein" als Antwort akzeptiert.

Bei einer syrischen Mahlzeit kommt alles gleichzeitig auf den Tisch. Da steht dann ein Fleischgericht und vielleicht noch ein weiteres warmes Essen. Daneben: Reis, Hummus - also Kichererbsencreme -, Salat, Brot und frisches Gemüse mit Minze und anderen Kräutern. Das Gemüse ist einfach aufgeschnitten und nicht gekocht: Gurken, Karotten und Paprika zum Beispiel. Das kann man in den Hummus eintunken oder in Auberginencreme, die gibt es in meiner Familie oft.

Weil die meisten Syrer Muslime sind, gibt es kein Schwein. Dafür viel Lamm, Kalb, Rind und Huhn. Obwohl Geflügel für uns nicht unbedingt als richtiges Fleisch gilt - denn richtiges Fleisch ist dunkel. Arabisches Brot ist anders als deutsches: flach, also Fladenbrot. Man rollt es zusammen und kann darin das Essen einwickeln, aber meistens essen wir natürlich mit Messer und Gabel. Als Nachtisch gibt es oft Obst.

Die syrischen Gerichte sind vergleichbar mit denen aus dem Libanon. Bei uns gibt es vieles, was man in anderen Mittelmeerländern findet, Oliven zum Beispiel. Die essen wir auch zum Frühstück. Überhaupt, Frühstück: Da räumt man alles aus dem Kühlschrank, was man so hat, Käse, Eier, Joghurt, Marmelade, braune Bohnen ... und man isst, bis man satt ist. Nicht nur ein Croissant oder so. Müsli habe ich zum ersten Mal in Deutschland probiert. Zuerst fand ich das ziemlich komisch. Für eine kleine Schale habe ich eine halbe Stunde gebraucht, eigentlich habe ich mehr aus Höflichkeit weitergegessen, weil eine Freundin es mir vorbereitet hatte. Inzwischen finde ich es ganz okay.

Das erste richtige deutsche Essen gab es in der Berufsschule, in der ich auch meinen ersten Deutschkurs gemacht habe. Kartoffelknödel. Das war zwar nicht so eine Katastrophe wie die Sachen, die wir in unserer ersten Notunterkunft bekommen haben, aber geschmeckt hat es mir auch nicht. Vielleicht liegt das aber daran, dass es Auszubildende waren, die gekocht haben.

Ramadan - und Kebab Hindi mit Reis und Suppennudeln

In Damaskus gibt es auch heute, im Krieg, noch so ziemlich alles zu essen - anders als in anderen Regionen Syriens. Aber das Essen kostet zehn Mal so viel. Rausgehen ist ein großes Risiko geworden. Deswegen essen die Leute nicht mehr oft in Imbissen und Restaurants. Die gibt es noch, aber nur im innersten Zentrum von Damaskus. Drumherum ist die Zerstörung zu groß.

Schon vor dem Krieg war Lammfleisch sehr teuer, das haben auch damals nur die gegessen, die es sich leisten können. Vegetarier gab es aber kaum, ganz wenige vielleicht. Ich habe in Syrien jedenfalls nie einen Vegetarier getroffen. Wenn jemand kein Fleisch isst, dann als Diät oder weil es ihm nicht schmeckt. Aber dass man Tiere nicht leiden lassen will, habe ich in Deutschland zum ersten Mal gehört.

Noch so etwas, das ich nur aus Deutschland kenne: Kochbücher. Die habe ich in Syrien nie gesehen. Meistens kochen die Frauen, die lernen es von ihren Müttern. Bei uns im Restaurant und im Imbiss kochten aber vor allem Männer. So habe ich gelernt, Falafel zu machen oder blumenartige Türme aus Gemüse, die wir zur Dekoration benutzen. In Deutschland habe ich mir dann ein paar Gerichte von meiner Mutter beibringen lassen.

Im Imbiss war der Ramadan die beste Zeit. Das klingt vielleicht komisch, aber im Fastenmonat gibt es besonders viel zu tun. Denn da ist es noch wichtiger, dass die ganze Familie zusammen isst - und dass es mehr als ein Gericht gibt. Also holen viele Leute etwas aus dem Imbiss für das Fastenbrechen, wenn die Sonne untergegangen ist. Dazu gibt es viele verschiedene Getränke. Im Ramadan wechselt sich die ganze Großfamilie mit Einladungen ab, einmal isst man bei der Tante, dann bei den Großeltern.

Tagsüber spürt man die besondere Stimmung, überall in der Stadt ist es leerer und ruhiger als sonst. Hier in Deutschland fällt es mir schwerer, das Fasten durchzuhalten, weil man dauernd Leute essen und trinken sieht. Obwohl es in Damaskus ja auch Christen gibt.

Ein besonderer Tag für uns ist der Freitag, so wie der Sonntag hier. Nach dem Gebet in der Moschee essen viele Familien zusammen, und oft geht man dazu in den Park. Man hat daheim etwas vorbereitet, vielleicht kauft man im Imbiss noch etwas dazu. Und dann sitzt man in einer großen Gruppe draußen und isst. Wer es sich leisten kann, mietet dazu Tische und Stühle, vielleicht sitzt man aber auch einfach auf einer Decke am Boden. Oft wird gegrillt, dazu kommen fertige Spieße direkt über die Flammen. Nach dem Essen raucht man Shisha. In den vergangenen Jahren ist das vor allem eine Frauenmode geworden. Und dann sitzen alle zusammen. Stundenlang. So war das jedenfalls einmal, vor dem Krieg."

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