Überlebenskünstler:Zur Not gibt's Regenwurm

Rüdiger Nehberg ist ein Abenteurer. Er hat viele Länder bereist und gefährliche Situationen überlebt. Ekel ist ihm fremd. Nur einmal wurde selbst ihm schlecht.

Malte Conradi

SZ: Herr Nehberg, hatten Sie schon einmal so richtig Hunger?

Überlebenskünstler: Zur Not gibt's eben Regenwurm: "Wenn es nichts anderes gibt, schneide ich ihn in Stücke und schlucke ihn runter", sagt Rüdiger Nehberg.

Zur Not gibt's eben Regenwurm: "Wenn es nichts anderes gibt, schneide ich ihn in Stücke und schlucke ihn runter", sagt Rüdiger Nehberg.

(Foto: AP)

Nehberg: Meinen schlimmsten Hunger hatte ich, als ich vor 30 Jahren 1000 Kilometer durch Deutschland gewandert bin - ohne Proviant. Da habe ich mich fast nur von Heuschrecken ernährt und jeden Tag etwa ein halbes Kilo verloren. Das Tolle ist aber, dass der Hunger nach drei Tagen verschwindet. Der Körper verbrennt dann das eigene Fett, und man fühlt sich unglaublich belebt. Erst nach etwa zwei Wochen, wenn die Muskulatur abgebaut wird, wird man schwächer. Man muss also nicht in Panik verfallen, wenn man mal ein paar Tage nichts zu Essen bekommt - der Körper braucht weniger, als man denkt.

SZ: Gegessen haben Sie auf Ihrer Wanderung also nicht so viel. Aber Sie mussten doch sicher etwas trinken.

Nehberg: Natürlich, Trinken ist viel wichtiger für den Körper. Abhängig von der Temperatur, der Kleidung und dem, was man tut, kann der Mensch zwei bis drei Tage ohne Trinken auskommen. Ohne Essen geht es drei Wochen.

SZ: Was war Ihr schlimmstes Durst-Erlebnis?

Nehberg: Das war wohl, als ich mal mit einer Kamelkarawane durch die äthiopische Wüste gereist bin. In eines der Wasserlöcher war ein Tier gefallen und ertrunken - das Wasser konnten wir also nicht mehr trinken. Damals hat es nicht einmal einen Tag gedauert, bis ich erste Anzeichen des Verdurstens an mir bemerkte: aufgeplatzte Lippen, angeschwollene Glieder. Wenn das Blut dicker wird, wird man müde und träge. Ich hatte mir auch noch den Fuß verstaucht und habe mich in eine schattige Felsspalte gelegt. In der Zeit sind meine Begleiter zum nächsten Wasserloch geeilt und haben Wasser geholt. Das war knapp.

SZ: Haben Sie auf Ihren Touren auch schon einmal etwas ganz Ekliges gegessen?

Nehberg: Ich ekle mich nicht vor vielen Dingen. Einen Regenwurm genieße ich auch nicht besonders, aber wenn es nichts anderes gibt, schneide ich ihn in Stücke und schlucke ihn runter. Einmal allerdings wurde mir auch ganz anders. Da war ich bei Indianern im brasilianischen Regenwald, die eine ganz köstliche Bananensuppe kochen. Es gehört sich bei ihnen aber auch, die Toten zu verbrennen und die Asche zu essen. Als dann die Asche der toten Oma in diese wunderbare Suppe gerührt wurde, schmeckte die ganz sandig und unangenehm.

SZ: Wenn man wie Sie keinen Proviant auf seine Wanderungen mitnimmt, ist es bestimmt schwer, etwas Essbares zu finden.

Nehberg: Wenn man sich ein bisschen auskennt, findet man eigentlich immer etwas. Man kann zum Beispiel Schlangen für sich jagen lassen. Als ich einmal am Blauen Nil unterwegs war, habe ich eine riesige Schlange aus dem Fluss gezogen. Das ging einfach, weil sie eine große Gazelle im Magen hatte und sich kaum bewegen konnte. Als sie an Land war, hat die Schlange die Gazelle schnell hervorgewürgt, damit sie sich wieder bewegen konnte. Ich musste sie also nicht töten, um an die Gazelle zu gelangen.

SZ: Und die konnte man noch essen?

Nehberg: Zum Glück war sie noch nicht lange im Magen der Schlange. Nur die Bisswunde am Hals der Gazelle war schon ein wenig verdaut. Meine Begleiter und ich hatten in den nächsten Tagen ganz viel köstliches Essen.

SZ: Wie fühlt es sich an, wenn Sie nach solchen Erlebnissen zurück nach Deutschland kommen und zum ersten mal wieder in einem Supermarkt stehen?

Nehberg: Dann merke ich, in welchem Überfluss wir leben. Wenn man Gegenden kennt, in denen die Menschen froh sind über ein wenig Reis, dann kann man darüber nur den Kopf schütteln. Alleine wie viele verschiedene Sorten Süßigkeiten es gibt! Wer braucht das? Und dann werden auch noch ständig neue Varianten erfunden! Ich glaube, viele Menschen können gar nicht mehr wertschätzen, wie gut es ihnen eigentlich geht.

Um Essen und Trinken geht es in der nächsten Süddeutschen Zeitung für Kinder, die am Mittwoch, 28. September, der Süddeutschen Zeitung beliegt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: