Südafrikas Weinbau:Wein und Wahrheit

Südafrikanischer Wein gilt oft als exzellent. Doch in Südafrikas Weinanbaugebieten sind Arbeiter oft unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt. Jetzt beklagen Menschenrechtler die Ausbeutung in allen Einzelheiten - und raten Verbrauchern zwar nicht zum Boykott, aber zur Ausübung von sanftem Druck auf die Lieferanten.

Tim Neshitov

Nussige Anklänge, leichter Bitterton im Abgang, würzige Fruchtnoten - Weinführer pflegen ihre eigene Sprache, um das zu beschreiben, was ein Schluck Chenin oder Pinotage in der Nase und am Gaumen auslösen kann. Südafrikanische Weine haben in Europa eine wachsende Fangemeinde, Deutschland und Großbritannien sind die wichtigsten Importeure. Was Weinführer indessen nicht beschreiben, sind die harten Bedingungen, unter denen einige der feinen Tropfen entstehen.

SAFRICA-WESTERN CAPE-WINE-HARVEST

Pestizide, schlechte Löhne und mangelnde Hygiene - Menschenrechtler kritisieren die Arbeitsbedingungen der Arbeiter auf südafrikanischen Weingütern.

(Foto: AFP)

Man arbeitet im Feld und es gibt keine Toilette. Also buddel dir ein Loch. Du kannst dir nirgends die Hände waschen. Das einzige Wasser kommt aus einem Rohr, aber da sind Chemikalien drin, also kannst du dich damit nicht waschen." So sieht etwa der Alltag von Anodiwa C. aus, einem Farmarbeiter in Westkap, Südafrikas wichtigster Weinprovinz, die jedes Jahr Flaschen im Wert von gut 700 Millionen Dollar exportiert. Ähnliche Geschichten können viele Weinpflücker am Kap erzählen. Ein Bericht von Human Rights Watch mit dem Titel "Ripe with abuse" hat nun ihre Misere in allen Einzelheiten dokumentiert, ohne volle Namen von Arbeitern oder Arbeitgebern zu nennen.

Denn die Weingutbesitzer, meist weiße Farmer, haben in der Vergangenheit selten mit Verständnis auf Kritik reagiert. Bereits 2003 und 2008 hatte die südafrikanische Menschenrechtskommission die Ausbeutung in den Weinbergen angeprangert. Wer am Kap auf einer Weinfarm arbeitet, bekommt den mickrigsten Lohn, den es in der Landwirtschaft zu verdienen gibt, er kann sich kaum einer Gewerkschaft anschließen, wohnt oft ohne Strom und fließend Wasser und landet im Alter auf der Straße - oder vorher, wenn er sich auf den Feldern verletzt hat oder krank geworden ist.

Dies kommt öfter vor und daran hat sich seit den Berichten der südafrikanischen Menschenrechtler nichts geändert. "Ich bespritze die Reben mit Pestiziden", erzählte zum Beispiel Kiersten H. aus der Region Grabouw den Mitarbeitern von Human Rights Watch. "Wir kriegen nur Handschuhe, um mit dem Gift zu arbeiten. Die Burschen auf dem Traktor bekommen eine Schutzmaske. Wir haben uns beschwert, aber der Farmer hat uns keine Maske gegeben." Isaak S., ein 40-jähriger Arbeiter aus Citrusdal, wohnt mit seiner Familie seit zehn Jahren in einem ehemaligen Schweinestall - auf einer Farm, die ihre Weine erfolgreich exportiert. "Ich will meinen Kindern ein Vorbild sein", sagt seine Frau. "Aber meine Kinder müssen im Busch aufs Klo gehen, dort leben gefährliche Schlangen." Der gesetzliche Mindestlohn für Arbeiter auf Weingütern liegt in Südafrika bei 7,04 Rand pro Stunde, das sind etwa ein US-Dollar. Im Monat kommt man so auf gerade mal 200 Dollar.

Westlichen Weinliebhabern empfiehlt Human Rights Watch, die südafrikanischen Weine nicht zu boykottieren. Vielmehr solle man sich nach den Bedingungen erkundigen und zudem die Händler hierzulande bitten, Druck auf ihre Lieferanten auszuüben.

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