Studien über junge männliche Muslime:"John Wayne in der Disco"

Ministerin Schröder hat zwei Studien über junge männliche Muslime vorgestellt, die Ergebnisse werden für Aufsehen und Kontroversen sorgen. Es gebe immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund. Und: Sie seien besonders aggressiv.

Anna-Lena Roth

Knapp 100 Seiten umfassen die beiden Studien über Gewalttätigkeit von männlichen muslimischen Jugendlichen, die das Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben hat. Es wimmelt von Fachjargon und bunten Graphiken. Die Kernaussage ist recht simpel: Männliche jugendliche Muslime sind besonders aggressiv. Bereits am Vortag sprach Ministerin Schröder im Wiesbadener Kurier von einem "Zusammenhang zwischen Religiosität, Macho-Normen und Gewalt-Geneigtheit".

Bundesparteitag der CDU

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat in Berlin zwei neue Studien vorgestellt, die ihr Ministerium in Auftrag gegeben hatte. Thema: Gewaltphänomene bei männlichen muslimischen Jugendlichen.

(Foto: dapd)

Nun hat die CDU-Politikerin in Berlin die Ergebnisse der Studien detailliert vorgestellt, die Sozialforscherin Sonja Haug von der Universität Regensburg sowie der Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak und die Sozialpsychologin Katja Nowacki von der Fachhochschule Dortmund durchgeführt hatten.

In der Untersuchung Jugendliche Migranten - muslimische Jugendliche. Gewalttätigkeit und geschlechterspezifische Einstellungsmuster heißt es über männliche Jugendliche wörtlich: "Über alle Gruppen hinweg begehen Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger Gewalttaten als deutsche." Die Gewaltbereitschaft muslimischer Jugendlicher sei wiederum höher als bei nichtmuslimischen Jugendlichen. Auf Nachfrage von Journalisten konnten die verantwortlichen Wissenschaftler jedoch keine belastbaren Zahlen nennen.

Die Ursachen für die hohe Gewaltbereitschaft liegen den Studien zufolge unter anderem in geringer Schulqualifikation, Perspektivlosigkeit, Gewalterfahrungen im Elternhaus und einer "Zustimmung zu gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen".

Viele Probleme, einige Lösungen

Dennoch betonte Schröder, dass pauschale Urteile wie "Der Islam lehnt Gewalt ab" ebenso falsch seien wie die Aussage "Der Islam predigt Gewalt". Es gebe allerdings einen Dreiklang: den Islam, durch den gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen weitergegeben würden, die zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft führten.

Laut den Wissenschaftlern zeigen die Studien auch: Die Zahl der Jugendlichen mit Migrationshintergrund nimmt zu. Jedes dritte Kind unter fünf Jahren hat einen Migrationshintergrund (35 Prozent), bei den zehn- bis 15-Jährigen sind es 29 Prozent, bei den 15- bis 20-Jährigen 24 Prozent.

"Wir müssen offen und ohne Tabus über die Probleme in der Integration reden, mit denen viele Menschen in ihrem Alltag konfrontiert sind", sagte Schröder. Das sei vor allem im Interesse der vielen Jugendlichen, die unter einem "Negativimage" leiden, zu dem sie nichts beigetragen haben.

Die Grünen-Politiker Memet Kilic und Kai Gehring warfen Schröder vor, "auf der Sarrazin-Welle" zu surfen. "Nicht Religion oder die Einwanderungsgeschichte sind die entscheidende Ursache für Jugendgewalt, sondern Chancen- und Perspektivlosigkeit", sagten sie. Die Linkenpolitikerin Ulla Jelpke kritisierte, Schröder gieße "Öl ins Feuer der um sich greifenden Muslimfeindlichkeit". Die Äußerungen der Familienministerin trügen zur "Stigmatisierung" von Muslimen bei.

Die These von den gewaltbereiten jungen Muslimen unterstützt aber auch Familientherapeut Wolfgang Bergmann, der seit 1995 das Institut für Kinderpsychologie und Lerntherapie in Hannover leitet. "Frau Schröder geht die Thematik klüger und geschickter an als Sarrazin und Konsorten", sagt Bergmann auf Anfrage von sueddeutsche.de. Sie verallgemeinere nicht, sondern spreche gezielt nur über eine kleine Gruppe: einen Teil der jungen muslimischen Erwachsenen.

Männliche muslimische Jugendliche haben dem 62-Jährigen zufolge eine "hohe Bereitschaft, blind zuzuschlagen". Jeder, der therapeutisch mit Jugendlichen arbeitet, mache diese Beobachtung, sagt Bergmann. In den muslimischen Kulturen gebe es schließlich ein anderes Verständnis von Körperlichkeit und Gewalt.

Das Machogehabe junger Muslime könne jeder in der Disco oder auf einem Schulhof erleben, "wenn sie da breitbeinig und selbstüberzeugt wie Sheriff John Wayne herumlaufen".

Ministerin Schröder schlug vor, zur Vorbeugung gegen Gewalt Imame in Deutschland auszubilden. Die Vorbeter in den Moscheen hätten große Bedeutung für die Wertevermittlung. Imame, die aus der Türkei nach Deutschland kämen, "können gar nicht integrationsfördernd wirken", sagte Schröder. Die Entwicklung eines "deutschen Islams" sei daher ebenso wichtig wie islamischer Religionsunterricht an den Schulen mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern.

Auch die sozialen Ursachen sollten angegangen werden. Hierfür will Schröder die Eltern einbeziehen. "Ohne sie erreichen wir nichts."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: