Studie über die Ängste der Deutschen:Was wir fürchten

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Ehec-Keime in deutschem Gemüse, Schuldenkrise in Europa, Atomkatastrophe in Japan, Revolte im arabischen Raum - das Jahr 2011 bietet reichlich Grund zur Sorge. Welche Ängste plagen die Bundesbürger wirklich?

Violetta Simon

Wo man hinschaut, lauert die Krise. Trotz Schuldenkrise, Lebensmittelskandalen, Naturkatastrophen und Aufständen sind die Deutschen so optimistisch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das geht aus der repräsentativen Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen hervor", zu der die R+V-Versicherung jedes Jahr 2500 Bundesbürger befragt.

Die Deutschen sind zuversichtlich, ihren Job zu behalten - dafür fürchten sie die Bedrohung verschuldeter EU-Staaten. (Foto: dpa-tmn)

"Alle Sorgen der Deutschen sind in diesem Jahr zurückgegangen", erklärt Sprecherin Petra Jakli. So sei zum Beispiel die Angst, dass die eigenen Kinder drogen- und alkoholsüchtig werden, um acht Prozent gesunken. Auch beim Thema Gewaltexzesse in der Öffentlichkeit bleiben die Deutschen relativ gelassen: Nur 28 Prozent haben Angst davor, Opfer einer Straftat zu werden. Um die Partnerschaft sorgen sich die Bundesbürger am allerwenigsten - die Sorge um den Verlust des Partners fiel sogar um weitere fünf Prozent.

Am überraschendsten seien die Ergebnisse beim Thema Arbeitslosigkeit: Nie zuvor war die Furcht der Deutschen, ihren Job zu verlieren, so gering wie heute. Die Angst vor Arbeitslosigkeit sank um 24 Punkte auf 37 Prozent und rutschte damit auf der Skala ins untere Drittel.

"Das ist ein sensationelles Ergebnis", sagt Professor Manfred G. Schmid, Politologe an der Universität Heidelberg und Berater der R+V im Gespräch mit sueddeutsche.de. Für den Politikwissenschaftler ist dieser Optimismus eine Reaktion auf das Krisenmanagement, mit dem es Regierung und Wirtschaft gelungen sei, die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre zu überwinden.

Der Abbau der Arbeitslosigkeit und die damit verbundene positive Berichterstattung der Medien habe den Deutschen die Ängste genommen. "Wenn dauerhaft von der Überwindung der Krise berichtet wird, dann schlägt das bei den Menschen durch", erklärt Schmid.

Angst vor der Pleite bleibt

Nur eine Sorge bleibt unverändert hoch: 63 Prozent aller Deutschen fürchten vor allem die steigenden Lebenshaltungskosten. Im Ranking der Standardfragen steht diese Furcht damit wie bereits im Vorjahr auf Platz eins.

Dass klassischen Ängste, wie sie die Studie bisher jedes Jahr abgefragt hatte, zum größten Teil an Brisanz verloren haben, hat einen bestimmten Grund: Sie werden von aktuellen Bedrohungen verdrängt: "Die Turbulenzen der Euro-Schuldenkrise, die tödlichen EHEC-Keime auf Gemüse, der Tsunami und die Atomkatastrophe in Japan überschatten in diesem Jahr alle anderen Sorgen", berichtet Jakli.

Aus aktuellem Anlass waren die 16 Standardfragen in diesem Jahr um die drei Themen Euro, Atomenergie und Schadstoffe in Lebensmitteln erweitert worden. Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: "Unglaubliche Angst macht den Deutschen die Europäische Schuldenkrise - 70 Prozent der Bürger fürchten, dass die drohende Pleite von EU-Staaten, allen voran Griechenland, sie ziemlich teuer zu stehen kommt", sagt Sprecherin Jakli. Das sei ein ungewöhnlich hoher Wert.

Aktuelle Sorgen verdrängen klassische Ängste

70 Prozent der Bundesbürger würden sich um Schadstoffbelastungen in Lebensmittel Sorgen machen: "Denken Sie an den Dioxinskandal bei den Eiern oder die tödlichen Ehec-Erreger im Gemüse, dann ist das nachvollziehbar".

Darüber hinaus sorgte der Super-Gau in Fukushima dafür, dass über die Hälfte der Deutschen inzwischen Angst vor schweren Störfällen in Kernkraftwerken hat - und zwar in Europa. Insgesamt sei eine zunehmende Angst vor Naturkatastrophen zu verzeichnen.

Auch die Terroranschläge in New York haben ihre Spuren hinterlassen: "Blicken wir zehn Jahre zurück, kann man feststellen, dass seit 2001 die Angst der Deutschen vor Terrorakten doppelt so groß ist wie in der Zeit davor", erklärt Jakli.

Noch eine - ganz persönliche - Angst findet sich trotz aktueller Schuldenkrise, Lebensmittelgiften und Atomkatastrophen auf Platz drei der meist gefürchteten Szenarien: Mehr als die Hälfte der Deutschen quält die Vorstellung, im Alter zum Pflegefall zu werden. Dafür hat die Regierung bisher kein Krisenmanagement parat.

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