Geht man nach einer aktuellen Studie der R+V-Versicherung, müsste in Deutschland allgemeines Aufatmen zu vernehmen sein: Fast alle abgefragten Ängste sind kleiner als 2016. Auch die Terror-Angst ist leicht zurückgegangen. Trotzdem belegt sie, wie schon in den vergangenen Jahren, Platz eins: 71 Prozent der 2380 Befragten fürchten sich demnach davor, dass "terroristische Vereinigungen Anschläge verüben".
Bei genauerer Betrachtung werfen die Ergebnisse Fragen auf. Das lässt sich wohl am besten anhand der "Angst vor der Überforderung der Behörden durch Flüchtlinge" erkennen, die es mit 57 Prozent auf Rang sechs geschafft hat. Vielleicht gibt es tatsächlich Leute, die gerade zustimmend nicken, weil sie regelmäßig erzittern beim Gedanken an überforderte Behörden. Aber fallen nicht jedem Menschen mindestens 20 Ängste ein, die ihm persönlich näher sind?
Die Angst, dass einem wichtigen Menschen etwas zustößt, zum Beispiel. Die Angst, irgendwann alleinerziehend, arbeitslos, altersarm oder ein schlechtes Vorbild für die Kinder zu sein. Die Angst, beim Schwimmen einem Hai oder beim Joggen einem Rottweiler zu begegnen. Die Angst vor Höhe, vor Gewittern, vor Menschenmassen. Die Angst, von anderen nicht geschätzt zu werden.
Spricht man mit einem Angstforscher wie Jörg Angenendt von der Uni Freiburg, bezeichnet er die Terror-Angst als "sozial akzeptierte Angst". Eine, die sich in Medienberichten und Wahlprogrammen wiederfinde und die man deshalb auch eher mitzuteilen bereit sei. "Die Leute berichten doch nicht gerne einem Menschen in einer Telefonumfrage über ihre ganz individuellen Ängste, die sie sonst allenfalls mit den engsten Freunden und Familienangehörigen teilen."
Welches Fazit ergibt sich daraus für die Top-Angst der Deutschen? Vielleicht dieses: Natürlich gibt es eine Furcht vor Terroranschlägen. Aber jeder dürfte Sorgen haben, die für ihn persönlich bedeutender sind. Die Angst vor dem Terror ist nur diejenige, auf die sich derzeit die meisten Menschen öffentlich einigen können, weil die Anschläge der vergangenen Jahre sehr präsent in den Medien waren. Präsenter etwa als Pilzvergiftungen, an denen in Deutschland deutlich mehr Menschen sterben - und die als Angstgegner in der aktuellen Befragung gar nicht auftauchen.
Tatsächlich wurden in der Studie 20 Szenarien beschrieben, zu der die Befragten dann Bewertungen vergeben sollten von 1 ("Davor habe ich gar keine Angst") bis 7 ("Davor habe ich sehr große Angst"). Die Teilnehmer sollten angeben "für wie bedrohlich" sie ein Ereignis halten. Wobei auch die Frage offen bleibt, ob man vor einem Ereignis, das man mit 7 bewertet, nun sehr viel Angst hat - oder ob man nur für sehr wahrscheinlich hält, dass es eintritt.
Wenn es um die großen, in der Öffentlichkeit sehr präsenten Ängste gehe, sagt Angstforscher Angenendt, könne man im Lauf weniger Jahre oft einen deutlichen Wandel wahrnehmen. Vor ein paar Jahren sei es noch die Angst vor BSE gewesen, die die Menschen am meisten beschäftigte. Jetzt sei es der Terror. "Wenn sie mit Menschen über ihre ganz individuellen Ängste sprechen, unterliegen diese in der Regel nicht so starken Schwankungen". Deshalb hätten diese Ängste auch eine größere Wirkung darauf, wie die Betroffenen ihr Leben gestalten.
Was uns diese Erkenntnis bringt? Im Idealfall ein wenig Beruhigung, angesichts all der Terror- und Terrorangst-Meldungen. Und damit vielleicht ein noch angstfreieres Jahr 2018.