Süddeutsche Zeitung

Studie des Instituts für Demoskopie:Endlich Spießer

Sie wollen eine stabile Beziehung, genug Geld, die gute alte 50er-Jahre-Rollenverteilung. Kurzum: absolute Sicherheit. Einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach zufolge sind die 30- bis 59-Jährigen erstaunlich bieder - und sehr zufrieden. Diese Haltung aber kann zu erheblichen Problemen führen.

Von Georg Buschmann, Berlin

Der 30. Geburtstag hat für viele junge Menschen etwas Beunruhigendes. Die Jugend, so scheint es, hört spätestens mit dem Erreichen dieser Marke auf. Fortan feiert der Dreißigjährige keine wilden Studentenpartys mehr, sondern allenfalls noch Ü30-Feten. Möglicherweise fragt der Türsteher nicht mal nach dem Ausweis, weil er dem Besucher von Weitem ansieht, dass dieser kein Jungspund mehr ist. Dennoch sind die Sorgen vor dem 30. Geburtstag offenbar unbegründet: Denn danach beginnt für die Menschen in Deutschland eine ziemlich zufriedene Phase. Das legt eine Studie des Instituts für Demoskopie (IfD) Allensbach nahe.

Im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat es 1420 Menschen zwischen 30 und 59 Jahren zu ihren Lebensumständen befragt. Das Ergebnis: Die Teilnehmer sind mit ihrer Lebenssituation zufrieden und gehen auch nicht davonaus, dass sich daran etwas ändert. Von zehn maximal zu verteilenden Punkten gaben sie 7,2 auf der Zufriedenheitsskala. Und nur 15 Prozent der Befragten rechnen damit, dass sich ihre wirtschaftliche Situation in den nächsten fünf Jahren verschlechtert. Auch um den Arbeitsplatz machen sich in dieser Altersgruppe deutlich weniger Menschen Sorgen als noch in den Vorjahren, sagt Renate Köcher, Geschäftsführerin des IfD. "Das ist gerade angesichts der Krise in Europa bemerkenswert."

Sicherheit geht den Deutschen dabei über alles. Gesundheit, eine stabile Partnerschaft und genug Geld - mehr braucht es laut Studie nicht, um die 30- bis 59-Jährigen zufriedenzustellen. Anders formuliert: Mit 30 wird man zwar zufrieden, aber auch zu einem ziemlichen Spießer. "Selbstverwirklichung ist dieser Gruppe nicht mehr so wichtig", attestiert Köcher.

Gewünscht: Das gute alte 50er-Jahre-Rollenbild

Diese Haltung aber hat Auswirkungen, wie die Studie zeigt. Gut 60 Prozent der Befragten geben an, ihnen sei am liebsten, wenn der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau sich überwiegend um die Kinder kümmert. Nur zwei Prozent wünschen es sich anders herum. Das gute alte 50er-Jahre-Rollenbild ist also gewünscht - und zwar von Frauen und Männern gleichermaßen.

Da aber gleichzeitig die Scheidungsquote mit etwa 50 Prozent deutlich über jener aus der Nachkriegszeit liegt, gibt es erhebliche Probleme. Und zwar vor allem für die betroffenen Frauen. Wenn sie zugunsten von Familie und Kindern ihren Job aufgeben, können sie nicht mehr genug Geld fürs Alter zurücklegen. Eine Scheidung bedeutet dann, dass sie im Alter mit einer mickrigen Rente abgespeist werden. "Frauen verlassen sich immer noch zu sehr auf ihre Männer", sagt Alexander Erdland, Präsident des GDV. "Dadurch entstehen Lücken in der Altersvorsorge."

Er plädiert dafür, dass Frauen und Männer unabhängig voneinander für das Alter vorsorgen. "Gute Altersvorsorge darf nicht davon abhängen, ob eine Ehe hält oder nicht." Frauen dürften nicht mit Altersarmut dafür bestraft werden, dass sie zugunsten der Kindererziehung auf ihre Karriere verzichteten. Er sieht auch die Versicherer in der Pflicht. "Wir müssen Frauen noch besser abholen und beraten", sagt Erdland. Und Köcher ergänzt: "Ich bin überrascht, wie unbefangen gerade Frauen mit dem Thema Altersvorsorge umgehen, und wie leicht sie sich von ihrem Job verabschieden." Das Bewusstsein für Altersvorsorge müsse insgesamt geschärft werden

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SZ vom 29.08.2013/fzg
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