Schon die Steuererklärung abgegeben? Auf das Jahresgespräch mit der Chefin vorbereitet? Das Geburtstagsgeschenk für die Schwester gekauft? Die Wohnung aufgeräumt? Das Auto aus der Inspektion geholt? Die Unterlagen für das Meeting zusammengesucht? Das Ungeborene in der Kita angemeldet? Diese Woche beim Sport gewesen? Auf die vierseitige Mail des Ex-Kommilitonen geantwortet? Sich bei der Oma gemeldet? Pläne für Silvester gemacht? ...
Es soll Menschen geben, die erst glücklich sind, wenn ihr Terminplaner richtig schön voll ist, für viele ist eine zu lange To-do-Liste aber: purer Stress, der sie auf Dauer krank macht.
Ein Trost: Sie sind nicht allein! Deutschland ist gestresst. Das geht jedenfalls aus einer Studie im Auftrag der Techniker Krankenkasse hervor (die Studie finden Sie hier). Demnach haben 61 Prozent der Erwachsenen in Deutschland das Gefühl, zu viel zu tun zu haben.
Doch was ist eigentlich Stress? Die Studie definiert das nicht genau. Schon vor mehr als zehn Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation Stress zu einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts erklärt - in den Industrienationen ist Stress längst Volkskrankheit. Niemand entkommt ihm: Babys haben schon Stress im Mutterleib, später in der trilingualen Kita, Kinder haben Stress in der Schule, Studenten in der Uni, Erwachsene im Job, Pensionäre während der Rente. Nicht mal vor der Freizeit oder dem Bett macht der Stress halt.
Klar, mit Stress lässt sich - je nach Angeberlevel und Umfeld - herrlich kokettieren und bei steter Betonung, wie viel man eigentlich zu tun habe, den Mitmenschen die eigene Wichtigkeit verdeutlichen. Völlig ohne Druck wäre jeder Job und jede Tätigkeit auf Dauer langweilig. Aber dauerhafter Stress macht krank. Sehr krank. Die WHO prognostiziert, dass im Jahr 2020 jede zweite Krankmeldung auf Stress zurückzuführen sein wird. Besonders die Psyche leidet unter Stress.
"Schauen wir uns die Krankschreibungen an, stellen wir fest, dass Fehlzeiten aufgrund psychischer, vor allem auch stressbedingter Erkrankungen wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen in den vergangenen 15 Jahren um etwa 90 Prozent gestiegen sind", sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Von den 15 Tagen, die jeder Berufstätige 2015 in Deutschland im Durchschnitt krankgeschrieben war, entfielen 2,5 Tage auf psychische Diagnosen. "Offentsichtlich ist, dass immer mehr Menschen Probleme haben, ihren Alltag zu bewältigen", so Baas weiter. Der Anstieg der psychischen Diagnosen habe aber auch positive Effekte. "Die Diagnostik psychischer Beschwerden hat sich deutlich verbessert, Krankheiten werden früher erkannt, so dass den Betroffenen besser geholfen werden kann."
Für die Umfrage wurden 1200 Menschen befragt, ob sie sich gestresst fühlen. Eine genaue Definition von "Stress" gab es zuvor aber nicht.
Das sind die wichtigsten Stressfaktoren
Stressfaktor Nummer eins ist der Job, gefolgt von hohen Eigenansprüchen, Freizeitstress, der Teilnahme am Straßenverkehr und die ständige digitale Erreichbarkeit.
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Die Sorge, im Job bald nicht mehr mithalten zu können, betrifft überdurchschnittlich Beschäftigte, die älter als 50 Jahre sind. Allerdings hat auch jeder Zehnte, der jünger als 30 Jahre ist, davor Angst. Fast 30 Prozent der Erwerbstätigen sagen, dass sie auch nach Feierabend und im Urlaub für den Arbeitgeber erreichbar sein müssen. "Dann läuft in der Betriebsorganisation etwas falsch. Das spricht nicht für eine gesunde Unternehmenskultur", sagt Techniker-Chef Baas.
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Männer nennen ihren Beruf am häufigsten als Stressauslöser, Frauen sagen überdurchschnittlich oft, dass sie die Ansprüche an sich selbst unter Druck setzen. Aber nicht nur der Anspruch, in allen Lebenslagen gute Ergebnisse abzuliefern, unterscheidet die Geschlechter im Stressempfinden. So stresst die ständige Erreichbarkeit Männer mehr als Frauen. Andererseits scheinen Konflikte im sozialen und familiären Umfeld Männer weniger zu stressen als Frauen. Noch immer arbeiten mehr Frauen in Teilzeit und übernehmen die Hauptlast der Familien- und Hausarbeit. 28 Prozent nennen daher Kochen, Putzen, Einkaufen und Kinderbetreuung als wesentlichen Stressfaktor.
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Hier leben die meisten Gestressten
Die Menschen im Süden sind weniger krankgeschrieben als die im Norden. Trotzdem leben in Baden-Württemberg die gestresstesten Deutschen, während die Norddeutschen am entspanntesten waren. Womit das zu tun hat? Die Autoren der Studie wissen es offenbar auch nicht und verweisen auf die Mentalität.
Auf Platz eins und zwei der Entspannungstechniken rangieren Hobbys und das Faulenzen. Außerdem treffen sich die Deutschen gerne mit Familie und Freunden. Nur jeder zweite Befragte treibt zum Ausgleich Sport. Was zur zweiten Volkskrankheit führt: Übergewicht. Aber darum ging es in der Studie ja nicht.
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Für einen großen Teil der Befragten ist Alkohol ein willkommenes Entspannungsmittel. 38 Prozent der Männer greifen bei Stress gerne zu Wein und Bier, aber nur ein Viertel der Frauen. Bei den über 60-Jährigen ist der Anteil derjenigen, die Alkohol zum Stressabbau nutzen, mit 40 Prozent besonders hoch. Das Feierabendbier ist noch nicht das große Problem, wenn es aber regelmäßig wesentlich mehr wird, besteht die Gefahr in die Alkoholsucht abzugleiten. Vom Gesundheitsministerium heißt es: 9,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form, etwa 1,8 Millionen Deutsche gelten bereits als alkoholabhängig.
Was die Studie aber auch zeigt: 93 Prozent der Deutschen bezeichnen sich - obwohl gestresst - als sehr oder immerhin ziemlich glücklich. Na also! Entspannen Sie sich!