Streit in der Beziehung:Wir müssen nicht reden

Meerblick

Lieber mal aufs Meer blicken und sich ausschweigen - als über jede Nichtigkeit zu streiten. 

(Foto: IStockphoto)

Streit über noch so banale Probleme kann das Beziehungsleben zur Hölle machen. Aber wieso überhaupt immer reden? Einer aktuellen Studie der San Francisco State University zufolge leben Ehepaare mit zunehmendem Alter glücklicher, wenn sie nicht alles ausdiskutieren, sondern einfach mal schweigen.

Von Katrin Blawat

Warum im Sommer nicht mal nach Korsika fahren statt immer nach Kreta? Oder warum nicht endlich ein neues Bücherregal besorgen - auch wenn das alte dafür zuerst entrümpelt werden müsste? Nichts ist leichter, als sich mit solchen banalen Problemen das Leben zur Hölle zu machen. Das eigene - und das des Ehepartners. Der eine will Veränderung, der andere davon nichts hören, sich keine Gedanken machen müssen und in Ruhe gelassen werden. Bald genügt es schon, gemeinsam an einem Reisebüro oder Buchladen vorbeizugehen, um Gewitterwolken am Ehehimmel aufziehen zu lassen.

Irgendwann aber, so lässt eine aktuelle Studie der San Francisco State University vermuten, werden sich diese Wolken auch wieder verziehen. Viele ältere Ehepaare haben demnach einen einfachen Weg gefunden, wiederkehrende Konflikte zu handhaben. Sie gehen ihnen aus dem Weg. Ablenken und strittige Themen vermeiden, statt sie end- und ergebnislos zu diskutieren - das kann offenbar einer der Königswege für ältere, seit Langem verheiratete Paare sein.

Empirische Daten dazu liefert nun die Psychologin Sarah Holley im Journal of Marriage and Family. Über einen Zeitraum von 13 Jahren hat sie knapp 130 Paare mittleren und höheren Alters beim Streiten beobachtet. Immer wieder lud die Forscherin die Eheleute ein, vor laufender Kamera über konfliktbeladene Themen zu diskutieren. Im Laufe der Jahre neigten Männer wie Frauen zunehmend dazu, bei einem sich anbahnenden Streit das Thema zu wechseln und die Aufmerksamkeit des Partners auf weniger vermintes Gebiet zu lenken. Und das gelte, so betont Holley, nicht nur für die Klischee-behaftete Kombination aus keifender Frau und maulfaulem Mann, sondern für viele Varianten einer Partnerschaft.

Irgendwann wird die gemeinsame Zeit enden

Natürlich, es gibt auch gemeinsam ergraute Paare, die offenbar nichts lieber tun als sich zu streiten; und dies eher als sportliche Herausforderung denn als Belastung ansehen. Bei allen anderen aber stellt sich die Frage, ob allein das Alter die Partner milde gestimmt hat, die Dauer ihrer Beziehung oder beides. Während die Wissenschaft darüber noch rätselt, ist sie sich in einem anderen Punkt weitgehend sicher: Konflikten aus dem Weg zu gehen, kann einer Beziehung gut tun.

Aber heißt es nicht ständig, reden hilft? Jungen Paaren vielleicht, die noch dabei sind, sich im gemeinsamen Leben einzurichten und die Standpunkte des Anderen auszuloten. Wer aber schon jahrzehntelang Argumente ausgetauscht hat, der wolle irgendwann wohl vor allem seine Ruhe haben, vermutet Holley. Schließlich steigt mit dem Alter auch die Einsicht, dass die gemeinsame Zeit irgendwann enden wird und das Diskutieren sowieso nichts bringt. So halten sich viele Paare daran, dass Probleme in einer Ehe nicht dazu da sind, gelöst zu werden - die Konflikte wollen vielmehr ausdauernd gepflegt sein. "Ungelöste Probleme können Paare zusammenhalten", bestätigt etwa Martin Schmidt, Leiter der Forschungsstelle Paartherapie der Uni München.

Was aber tun, wenn der Partner das nicht glaubt? Dann sei ein Buch des Schriftstellers Alexander Kluge und des Soziologen Dirk Baecker empfohlen. Der unmissverständliche Titel: "Vom Nutzen ungelöster Probleme".

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